Wo Liebe illegal ist: Wie es sich anfühlt, als Homo-Paar durch Sri Lanka zu reisen

Trotz diskriminierender Gesetze war Journalist Liam Gilliver mit seinem Partner in Sri Lanka
Trotz diskriminierender Gesetze war Journalist Liam Gilliver mit seinem Partner in Sri Lanka Copyright Liam Gilliver
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In Sri Lanka kann Homosexualität weiterhin per Gesetz bestraft werden. Doch das Land hätte gerne mehr Tourismus. @LiamGilliver schildert seine Reise durch #SriLanka als homosexuelles Paar.

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Wir spielen Karten bei Kerzenlicht und hören das Summen der Zikaden und Pfaue balzen. Unser Gastgeber Taranga hat uns die Regeln nich erklärt. Natürlich gewinnt er.

"Das Licht geht bald wieder an", sagt Taranga und mischt die Karten für ein weiteres Spiel von... na ja, egal... "Das passiert jede Nacht."

Ich werfe einen Blick auf die Silhouette meines Partners, habe Mühe, seinen Gesichtsausdruck zu erkennen, und spüre, wie die heitere Stimmung im Dunkeln verschwindet.

Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich zurückhalten muss, um keinen Körperkontakt mit ihm zu haben. Und warum? Weil wir sonst verhaftet werden könnten.

Waren wir dumm, ein Land zu besuchen, in dem es illegal ist, schwul zu sein?

In Sri Lanka ist Homosexualität nach dem Strafgesetzbuch von 1883 immer noch strafbar - Männern und Frauen drohen bis zu 10 Jahre Gefängnis.

Diese uralten Gesetze werden oft naiv ignoriert und als Relikt der britischen Kolonialvergangenheit abgetan.

Aber erst im vergangenen Jahr wurde hier ein homosexuelles Paar wegen seiner Sexualität verhaftet und zur "Untersuchung" in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen.

Panik macht sich in meinem Magen breit, und ich lache nicht mehr darüber, dass ich irgendwie die fünfte Runde Kartenspielen gewonnen habe.

Um 18 Uhr gibt es dann doch Strom. Die Klimaanlage springt wieder an, die Poolbeleuchtung flackert, und das warme Licht der verirrten Glühwürmchen löst sich in der dicken, feuchten Luft auf.

Die Kerze ist gelöscht und ich widerstehe dem Drang, mich zu meinem Partner umzudrehen und mit ihm über meine Gedanken zu sprechen. Stattdessen täusche ich ein wenig überzeugendes Lächeln gegenüber Taranga vor, entschuldige mich und gehe in unser Zimmer.

Haben wir die falsche Entscheidung getroffen? Sind wir dumm, weil wir in ein Land gekommen sind, das uns tatsächlich als Kriminelle ansieht? Sollten wir einfach nach Hause fahren?

Liam Gilliver
Wir hatten als Paar besondere Reise-Regeln vereinbartLiam Gilliver

Wie wir als schwules Paar sicher unterwegs waren

Als wir unsere Reise nach Sri Lanka geplant hatten, wussten wir natürlich, dass es dort immer noch Gesetze gegen Homosexualität gibt.

Bevor wir unsere Rucksäcke packten, einigten wir uns daher auf drei Vorsichtsmaßnahmen: Wir würden immer ein Zweibettzimmer buchen, uns nie in der Öffentlichkeit zeigen und alles vermeiden, was Aufmerksamkeit erregen könnte.

Unsere Sicherheit und unsere Fähigkeit, unauffällig zu bleiben, waren untrennbar miteinander verbunden, so dass alles, was uns auffällig machen könnte, streng verboten war.

Wir haben uns sogar eine kleine Geschichte ausgedacht, dass wir Cousins sind, hatten aber nie den Mut, sie zu erzählen. Stattdessen nickten wir, wenn die Leute annahmen, wir seien Freunde - oder seufzten erleichtert, wenn sie nicht danach fragten.

Nach einer Woche fiel mir auf, dass ich eine Weste eingepackt hatte, auf deren Rückseite ein Zitat über Stolz und Liebe stand. Sie blieb die ganze Zeit über im Koffer, vielleicht eine subtile Metapher für unsere vorübergehend versteckten Identitäten.

Mit der Zeit fiel es uns immer leichter, uns an die Regeln zu halten und trotzdem unsere Reise zu genießen.

Liam Gilliver
Unterwegs in Sri Lanka - als homosexuelles PaarLiam Gilliver

Wir gewöhnten uns langsam an das Wetter, die Stromausfälle und das Nicht-Händchenhalten. Wir verliebten uns auf seltsame Weise in Sri Lanka, auch wenn das Land dies nicht erwidern konnte.

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Der Tourismus hat in Sri Lanka einen Rückschlag erlitten

Nach der jüngsten politischen Instabilität und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes hat sich der Tourismus in Sri Lanka nur langsam erholt. In den letzten zwei Jahren wurde er durch COVID hart getroffen, und noch härter durch Proteste, Inflation und eine landesweite Treibstoffknappheit.

Viele Unternehmen haben es nicht geschafft, einige andere sind weiterhin bedroht.

Aus diesem Grund wurden wir bei unserem Besuch im November 2022 oft mit aufrichtiger Wertschätzung und Dankbarkeit empfangen. Restaurantchefs kamen auf uns zu und bedankten sich persönlich für das Trinkgeld oder einfach dafür, dass wir gekommen waren.

"Bitte sagen Sie Ihren Freunden und Verwandten, dass es sicher ist - dass sie jetzt hierher reisen können", bat uns ein Barbesitzer.

Es war herzzerreißend und herzerwärmend. Wir drückten Sri Lanka die Daumen, dass es sich von der Krise erholen würde, trotz all meiner Vorbehalte gegen die Reise.

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Aber das Fehlen vieler anderer Touristinnen und Touristen bedeutete auch, dass es schwer war, unsichtbar zu bleiben. Es kam nicht selten vor, dass wir ein Hotel buchten und dann feststellten, dass wir die einzigen Gäste waren.

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Rickshaw-Fahrer in der Treibstoff-KriseEranga Jayawardena/Copyright 2022 The AP. All rights reserved

Wurden wir beobachtet oder war ich nur paranoid?

In Sri Lanka zu sein, hat mich zeitweise zu einem angstbesetzten Wrack gemacht. Es war einfach zu viel. Ich hatte das Gefühl, dass wir ständig beobachtet wurden, mit Misstrauen und Vorsicht.

Oder habe ich mich nur selbst in einen ungerechtfertigten Zustand der Paranoia versetzt?

Wenn man seine natürlichen Instinkte kontrolliert, hat das Konsequenzen. Die ständige Selbstkontrolle und das gegenseitige Erinnern an die drei einfachen Regeln machten mich völlig fertig.

Ich hatte mich wieder im Schrank eingeschlossen und den Schlüssel verschluckt. Ich konnte mich kaum beschweren - das war alles mein eigenes Werk. Ich war freiwillig hierher gekommen. Es sollte Spaß machen, aber wir hatten Mühe, uns zu entspannen.

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Es gab viele nächtliche Flüstergespräche mit meinem Partner, während wir uns auf getrennten Betten gegenüber saßen - und ich einfach nur Wärme spüren wollte.

"Wenn du dich jemals unsicher fühlst - wir können heimfahren", sagte er mich mehr als einmal.

Aber ich hielt durch, und drei Wochen später fühlte ich mich seltsam zwiegespalten, als ich am Flughafen ankam.

Ich war traurig, aber erleichtert. Glücklich, aber irgendwie gedämpft.

Abgesehen von ein paar starrenden Blicken und einer ignoranten Bemerkung eines Reiseleiters über die Sünde (er sprach im selben Satz über Homosexualität), haben wir Sri Lanka wohlbehalten verlassen.

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Hatte ich umsonst so viel Aufhebens gemacht, oder waren die Mikroaggressionen, die ich erlebte, echt?

Eranga Jayawardena/Copyright 2022 The AP. All rights reserved
Street Food Stand in Colombo in Stri LankaEranga Jayawardena/Copyright 2022 The AP. All rights reserved

Das Privileg, weiß zu sein, hat unseren Besuch in Sri Lanka erleichtert

Natürlich wurde unsere Zeit in Sri Lanka durch das Sicherheitsnetz des Privilegs, weiß zu sein, abgefedert - und das wirtschaftliche Symbol, das wir als Touristen aus dem Westen.

Wir wurden nie mit unserer Sexualität konfrontiert oder explizit danach gefragt, und wir wurden nie körperlich bedroht oder in Gefahr gebracht.

Es war fast so, als hätten wir uns unwissentlich auf einen Kompromiss eingelassen. Sri Lanka suchte händeringend nach Touristen, und wir waren hier. Wir wollten unbedingt nicht gesehen werden, also drückte man ein Auge zu.

Aber Homosexuellen in Sri Lanka kennen diesen Luxus nicht. Wenn mich die Reise etwas gelehrt hat, dann, dass meine Angst im Vergleich zu dem, was LGBTQ+-Personen auf der ganzen Welt ertragen müssen, nicht zu vergleichen ist.

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Laut einem Bericht der britischen Westminster Foundation for Democracy aus dem Jahr 2021 glauben 69 Prozent der Menschen in Sri Lanka, dass LGBT-Personen von der Polizei diskriminiert werden, weil sie so sind, wie sie sind.

Mehr als die Hälfte - nämlich 51,4 % - gaben außerdem an, dass LGBT-Sein gegen ihre Religion verstößt.

In einem Land, in dem es keinen Schutz vor Diskriminierung gibt, gehen die Auswirkungen weit über paranoide Touristen hinaus.

Es überrascht nicht, dass 89 % Angehörige der LGBT-Community sagen, dass sie aufgrund ihrer Sexualität bei der Wohnungssuche und/oder in der Schule diskriminiert werden.

Gibt es Hoffnung für Sri Lankas LGBTQ+-Gemeinschaft?

Meine Hoffnung für Sri Lanka ist eine doppelte. Ich hoffe, dass sich der Tourismus nicht nur erholt, sondern floriert.

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Jeder sollte das Land mindestens einmal in seinem Leben besuchen, um die erstaunliche Tierwelt, die einzigartige Küche und die außergewöhnliche Gastfreundschaft zu erleben.

Aber ich hoffe auch, dass die LGBT-Community in Sri Lanka in Zukunft keine Diskriminierung mehr erleben muss. Dass alle in der Lage sind, ihr wahres Ich zu leben, ohne Angst vor Verurteilungen oder Gefahr für ihre Sicherheit.

Und es gibt einen Hoffnungsschimmer. Erst vor einigen Monaten erklärte der srilankische Präsident Ranil Wickremesinghe, seine Regierung werde sich einem Gesetzentwurf nicht widersetzen, der darauf abzielt, einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen zu entkriminalisieren.

Im vergangenen Jahr fand außerdem die erste Pride-Parade des Landes statt, bei der LGBTQ+-Personen mutig mit Regenbogenfarben auf die Straße gingen.

Wenn der Präsident seinen Worten Taten folgen lässt, wird die Zukunft Sri Lankas positiver und heller denn je aussehen.

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