Vatikanhistoriker zu offenen Fragen

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Von Euronews
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Wer wird Benedikt XVI. auf dem Papststuhl nachfolgen? Wer wird als nächster in die “großen Schuhe des Fischers” schlüpfenen, wie es im Vatikan in Erinnerung anden ersten Papst, Petrus, den Fischer, heißt. Papst Benedikt hatte sein Weihnachtsmahl 2009 zusammen mit den Armen eingenommen, denen die Wohltätigkeitsorganisation “Sankt Egidio” hilft.
Deren Gründer, der Historiker Andrea Riccardi, gehört als Ministerfür internationale Zusammenarbeit der Regierung Monti an.
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Guten Tag , Herr Minister.
Ich wende mich an Sie als Vatikan-Historiker mit der Frage, wie wird sich die Kirche nach dem Rücktritt von Ratzinger verändern?

Adrea Riccardi
Einerseits wird der 11. Februar für immer ein historisches Datum bleiben. Es handelt sich um den Rücktritt, den ein Papst voller Verantwortug und Klarsicht beschlossen hat. Viele Menschen haben jetzt Fragen, können die Begründung von Joseph Ratzinger nicht akzeptieren, dass er seines hohen Alters wegen sich nicht mehr stark genug fühlt bezogen auf seine physischen, intellektuellen und spirituellen Kräfte. Sie suchen nach einem anderen Grund wie: Krise in der Kirchenführung oder Ähnliches. Ich glaube, Papst zu sein, die Kurie, die Kirche zu leiten, ist sehr schwer.
Aber es gibt keine anderen, verborgenen Gründe, die noch auftauchen können. Es hat einzig mit der Altersschwäche dieses einen Menschen zu tun.

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Also stecken nach Ihrer Meinung keine anderen Gründe dahinter?

Andrea Riccardi
Nein, im Gegenteil.
Ich glaube, dass der Papst extra noch das Ende der Affäre um seinen Kammerdiener Gabriele abgewartet hat.

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Die Ankündigung des Rücktritts erfolgte kurz vor den
den italienischen Parlamentswahlen. Plötzlich stand der Papst im Mittelpunkt des Medieninteresses.
Wird das nun Einfluß haben auf die italienische Politik?

Andrea Riccardi
Der Rücktritt des Papstes hat nicht mit den italenischen Wahlen zu tun. Aber die italienische Bevölkerung – auch die Nicht-Gäubigen – fühlt sich immer eng mit dem papst verbunden. Ich habe viele Fragen gehört, die sich die Leute stellen.
Da ist ein Gefühl der Unsicherheit. Es ist schwer zu sagen, wie sich das auf die Wahlen auswirken wird.

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Was für einen Papst braucht diese Kirche künftig?

Andrea Riccardi
Das ist schwer zu sagen. Die heutige Kirche braucht einen Papst, der fähig ist, ihr zu helfen, größer und stärker zu werden in der Welt. Sie braucht einen charismatischen Papst, der die Missionierung befördern kann und gleichzeitig die Kirche leiten. Denn die Kirche ist eine internationale Größe.

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Vor 50 Jahren hat das II. vatikanische Konzil
die Grundlagen gelegt für eine Modernisierung der Kirche. Ist jetzt die Zeit reif für ein neues Konzil?

Andrea Riccardi
Darüber wird in letzter Zeit viel gesprochen.
Ratzinger und viele um ihn herum dachten, dass wir erst noch das II. vatikanische Konzil verarbeiten müssen. Ich denke, wir brauchen vielleicht nicht unbedingt ein Konzil, wohl aber tieferes Nachdenken, das der Kirche helfen kann, für sich die richtigen Dimensionen zu finden. Denn die Kirche ist heute sehr groß und sehr vielgestaltig.

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Traditionalist oder Modernist – wie wird Benedikt XVI. in die Geschichte eingehen?

Andrea Riccardi
Joseph Ratzinger ist als Inquisitor beschrieben worden, als “Zerberus Gottes” und dabei ist er ein demütiger Mann. Er war ein Papst der Tradition, sehr beliebt bei den östlichen Orthodoxen wegen seiner Studien, wegen seiner sehr traditionellen Vorstellung von der Kirche. Gleichzeitig erscheint sein Rücktritt als sehr neue Geste. Johannes Paul II. starb im Amte nach einer schweren Krankheit.
Paul VI. war krank und trat nicht zurück, obwohl die Frage gestellt wurde. Gleiches gilt für Pius XII. und Johannes XXIII., der an einem Tumor litt, als er das zweite vatikanische Konzil eröffnete.
Diese Geste wird sehr neumodisch bleiben.

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