Spanischer Bankenskandal: "Da wurden Kunden betrogen, um Aktien zu schaffen"

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Von Euronews
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Die Bankenkrise in Spanien hat Opfer gefordert: 400.000 Menschen, die in Vorzugsaktien von den drei verstaatlichten Banken investiert haben. Und trotz der Hilfen Europas könnten sie viel von ihrem Geld verlieren.
Ein soziales Pulverfass für die Regierung – vor allem, weil diese Familien keine Ahnung davon hatten, was sie da gekauft hatten. Carlos Marlasca berichtet aus Madrid.

“Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer (Groß) Bank!” (Bertolt Brecht, Dreigroschenoper)

Da stehen sie nun vor ihrer Bank und wollen ihr Geld zurück. Spanier, die einstmals zum oberen Teil der Mittelklasse gehörten, die Geld hatten – das dann leider den falschen Leuten anvertrauten. Jetzt protestieren sie vor ihrer guten alten Sparkasse, der Caja Madrid, die aber längst von der ebenfalls wackelnden BANKIA gefressen wurde. Miguel Ángel Santos, einer der Geschädigten, sagt: “Unsere Familie hatte insgesamt 350.000 Euro. Die Bank überredete uns, das Geld in ein ´Spezialdepot´einzuzahlen. Bei einer Laufzeit von 5 Jahren seien uns da 7% Zinsen sicher. Garantiert von der ´Caja Madrid´”. Mehr als 400.000 Kunden ließen sich zu so einer Anlage überreden. So kamen 4,9 Milliarden Euro zusammen, für ein Hochrisikoprodukt der BANKIA, die Großbank, die aus der Fusion der kleinen Sparkassen entstanden war. Bei NovaGalicia Banco erging es 63.000 Kunden so und bei CatalunyaBanc 40.000 Kunden.

Agustín Calvo, 59 Jahre alt, vorher 10 Jahre lang Kunde bei der Sparkasse Caja Madrid, ließ sich von der Direktorin überreden, 95% seines Vermögens einzusetzen, um so vom Kunden zum Teilhaber zu werden. Er sagt, die Direktorin habe das als eine völlig sichere Sache angepriesen, als sie ihn 2009 zum Teilhaber machte. Er sei auch noch zu Hause angerufen worden, immer mit dem Versprechen, alles sicher. Von den Risiken einer Teilhaberschaft sei nie die Rede gewesen. Heute sei ihm klar, die Kunden sollten mit ihrem bei der Bank angelegten Geld dieser zu dem dringend benötigten Kapital verhelfen. Die Bank, so sagt er, bot uns eine Laufzeit von 5 Jahren, Fälligkeitsdatum Juli-August 2014. Niemals tauchte das Wort ´Risiko`auf. Wer solch einen Anteil verkaufen wollte, würde doch in Wirklichkeit sein eigenes Geld verkaufen. Geld, das man mit der Unterschrift unter dem Teilhabervertrag offiziell der Bank überlässt. Dieses Geld ist jetzt weg. Das war ganz einfach Betrug, Abzockerei.

Rodrigo Rato, ab Dezember 2010 Chef der aus dem Zusammenschluß der kleinen Sparkassen hervorgegangenen BANKIA, ist im Μai 2012 von diesem Posten zurückgetreten. Als das Geld weg war. Der geprellte Anleger erinnert sich an Ratos steile Karriere. Minister unter Aznar, Direktor beim Internationalen Währungsfonds. Er meint, falls Rato Zweifel kamen, ob der Zusammenschluß der Sparkassen denn rentabel sei, dann hätte er das nicht tun dürfen. Dann auch noch Börsengang, der nichts als Unheil brachte. Und trotz alledem wurde Rota auf einem gut dotierten Posten beim zweitgrößten spanischen Unternehmen Telefonica untergebracht.

Vom Vermittlungsausschuß, den die Regierung vorgeschlagen hat, hält der geprellte Anleger gar nichts. Er will vor Gericht ziehen, um nicht noch einmal übern Tisch gezogen zu werden.

Vincenç Batalla, euronews:

Juan Ignacio Moreno ist Anwalt in Sevilla. Er vertritt sogenannte “Empörte” der Organisation 15-M, die sich zusammengeschlossen haben, um ihre Mittel zu bündeln und ehemalige Direktoren von Bankia zu verklagen.

Bankia-Kunden sind von giftigen Finanzprodukten in Spanien am stärksten betroffen. Aber der Skandal erfasst auch Novagalicia Banco und Catalunya Banc. Sind die ehemaligen Direktoren der alten Sparkassen wirklich verantwortlich?

Juan Ignacio Moreno:

“Total und absolut. Weil es sie waren, die für Kleinsparer ein sehr spekulatives und sehr professionelles Produkt auf die Beine gestellt haben. Das war ein Produkt für institutionelle Investoren. Aber Bankia hat das Filialnetz und das Vertrauen der Sparer genutzt, um aus deren Bankeinlagen, deren Spargroschen, Kapital der Bank zu machen.

Diese Produkte wurden kontinuierlich verkauft und es gab Anweisungen, sie als langfristige und leicht verfügbare Geldanlagen darzustellen. Die Chefs dieser Abteilungen haben das durchgezogen, die Strategie, die Verträge und vor allem den Aufbau der Finanzprodukte, um die Spargelder ihrer Kunden an sich zu bringen.”

euronews:

“Vor kurzem hat die spanische Börsenaufsicht festgestellt, dass diese Produkte zu überhöhten Preisen verkauft wurden. Könnten diese Käufe rückgängig gemacht werden? Welche Konsequenzen hätte das für die Banken und ihren Umstrukturierungsprozess?”

Moreno:

“Die Finanzaufsicht CNMV sagt über die Bank Bankia und die beiden Finanzhäuser, aus denen sie entstanden ist, Caja Madrid und Bancaja: Man habe 65.000 Transaktionen zwischen August 2010 und November 2011 analysiert. Keine haben den gesetzlichen Regeln entsprochen. Es gab ein paralleles Computer-System, das einen Markt simulierte. Die Preise waren völlig an den Haaren herbeigezogen. Laut Aufsicht wären 20 Prozent niedrigere Preise angemessen gewesen. Bankia verkaufte sie aber weiter für 100 Prozent.

Was den Umbau des Bankensektors angeht, gibt es nur eine Lösung: Aus dem Rest der 100 Milliarden Euro Hilfsgelder aus Brüssel müssen die Bürger entschädigt werden, die Opfer dieses Betrugs wurden.”

euronews:

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“Der bekannteste Name unter all diesen ehemaligen Managern ist Rodrigo Rato, ehemaliger Bankia-Vorstandschef und Ex-Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds. Im Dezember vergangenen Jahres musste er als Angeklagter in diesem Fall aussagen. Diente sein Name dazu, kleine Investoren zu kriegen? Wird das Gerichtsverfahren durchgezogen?”

Moreno:

“Dieses Aufsichtspapier ist fast gleichbedeutend mit einem positiven Alkoholtest bei einer Verkehrskontrolle. Der Prozess geht bis zum bitteren Ende und dürfte mit Verurteilungen enden. Das höchste Finanz-Kontrollorgan der Nation hat festgestellt, dass da an den Preisen gedreht wurde, damit das Kapital erfolgreich um 1,2 Miiliarden Euro erhöht werden kann. Da wurden Kunden betrogen, um Aktien zu schaffen. So steht es in den Dokumenten. Da können die Angeklagten vorbringen, was sie wollen.”

euronews:

“Die Regierung von Mariano Rajoy hat bei den Verhandlungen mit Brüssel politische Schadensbegrenzung versucht und für die Kleinanleger Schiedsgerichte vorgeschlagen. Reicht das?”

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Moreno:

“Ganz klar: nein. Ich kann mir vorstellen, dass die Regierung ein schlechtes Gewissen hat. Und in Brüssel wurde die kriminelle Natur der toxischen Papiere nicht erkannt. Das schlechte Gewissen ist der einzige Grund, warum die Regierung versucht, wenigstens einen kleinen Teil des Geldes zurückzugeben. Sonst wäre ihr Verhalten nicht zu verstehen. Die Regierung weiß, dass die vorliegenden Beweismittel vor Gericht mit der Annullierung aller Verträge und der vollständigen Geldrückgabe enden.

Diese Regierung und die vergangene werden es sehr schwer haben, ihre Verantwortung zu leugnen. Berichte deuten darauf hin, dass beide wussten, was da lief.”

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