Portugal: Finanzoperation gelungen, Patient hat noch Schmerzen

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Von Euronews
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Offiziell verlässt Portugal an diesem Samstag den internationalen Rettungsschirm – ohne Vorsorgeprogramm, wie Irland auch. Die Regierung und die “Troika” sprechen von einem Erfolg, aber Opposition und Gewerkschaften beteuern, dass es dem Land schlechter geht als vor der internationalen Rettungsaktion.

Um die im Jahr 2011 beantragten 78 Milliarden Euro Hilfsgelder zu bekommen, hatte Portugal Sparmaßnahmen in Höhe von 30 Milliarden Euro beschlossen – das für 2015 angekündigte Paket eingeschlossen. Das entspricht fast 18 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), 12 Milliarden Euro mehr als erwartet.

Die Auswirkungen der Sparmaßnahmen auf die Wirtschaft seien höher als gedacht, räumte der IWF ein. Nach seinen Prognosen sollten die Schulden 115 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten….

….tatsächlich stiegen sie aber 2013 auf 129 Prozent des BIP, von 94 Prozent im Jahr 2010 (Eurostat -Daten). Das Defizit wurde halbiert, von 9,8 % im Jahr 2010 auf 4,9% im Jahr 2013. Aber das Ziel von 3% klappt vermutlich erst 2015, 2 Jahre später als geplant.

Gekürzte Löhne und Renten, dazu höhere Steuern ließen Konsum und Investitionen sinken. Die Arbeitslosigkeit erreichte Rekordhöhen:
15,2 Prozent Durchschnittsrate im März – trotz jüngster Rückgänge -bei den Jungen mehr als das Doppelte (35,4 %).

Gleichzeitig verlässt eine neue Welle von Auswanderern Portugal, vor allem qualifizierte jungen Leute.

Tourismus und Export leisten Widerstand. Die Exporte, vor allem von Lebensmitteln, Schuhen und Textilien, stiegen 2013 um 6,1 Prozent. Das Jahr endete mit der ersten Exportüberschuss seit 70 Jahren.

Die Ratingagenturen besserten ihre Wertung auf – oder zumindest die Aussichten. Lissabon ging wieder an die Anleihemärkte und die fälligen Zinsen für zehnjährige Anleihen gingen stark zurück.

Zur Not lägen 15 Milliarden Euro bereit, um über 12 Monate zu kommen, so Lissabon. Die Regierung hofft auf 1,2% Wirtschaftswachstum in diesem Jahr. Das würde helfen, die bisher noch verfehlten Ziele zu ereichen.

Patricia Cardoso, euronews:

“Wir haben Pedro Lains bei uns, Forscher und Professor für Wirtschaftsgeschichte am Institut für Sozialwissenschaften an der Universität von Lissabon. Er war einer von 74 Unterzeichnern, die in einem Manifest die Umstrukturierung von Portugals Schulden gefordert haben.

Herr Lains, Im Gegensatz zu den Griechen sind die Portugiesen trotz Sparzwängen meist friedlich geblieben. Das Ende der Rettungsaktion bedeutet weder das Ende der Sparmaßnahmen noch das Ende der Troika-Prüfungen. Befristete Maßnahmen (Ausgabenkürzungen, niedrigere Renten. usw.) bleiben auf Dauer. Müssen wir ein Ende der Langmut der Portugiesen fürchten?”

Pedro Lains, Professor für Wirtschaftsgeschichte:

“Zwischen Portugal und Griechenland gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Vergleichbar ist: Beides sind sehr schwache Volkswirtschaften, zwei der schwächsten Ökonomien der Euro-Zone und mit vergleichsweise schwachbrüstigen Institutionen. Das heißt, die Sparprogramme haben in diesen Ländern eine Rezession ausgelöst. Sie hätten aus diesem Grund abgelehnt werden können, ist aber nicht passiert. Erinnern Sie sich: Europäische Institutionen wie die Europäische Kommission haben auch in anderen Ländern Ähnliches versucht, zum Beispiel in Spanien und Italien. Dort wurden die Maßnahmen aber abgelehnt.

Vielleicht ging es Portugal nicht ganz so schlecht wie Griechenland, aber das lag nicht an den Portugiesen. Die portugiesische Wirtschaft ist nicht ganz so schwach wie die griechische, es wird mehr exportiert, es gibt eine industrielle Basis – anders als bei den Griechen, man ist weniger abhängig von Dienstleistungen, die aus anderen Ländern importiert werden müssen.”

euronews :

“Laut IWF und OECD schafft Portugal erst im Jahr 2030, seine Schulden auf 60 % des BIP zu drücken. Und das klappt nur, wenn jährlich rund 1,9 % gespart werden. Ist das überhaupt möglich?”

Pedro Lains:

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“Offensichtlich ist dem IWF selbst bewusst, dass es nicht möglich ist – der IWF empfiehlt Portugal nicht länger ein unbegrenztes Sparprogramm. Das hat keinen Sinn. Jetzt muss der IWF das zugeben – weil er keinen “Plan B”, keine Alternative hat. Der Ausweg muss von der Politik kommen, nicht vom IWF. Der IWF, das sind Technokraten.

Wie sind die Probleme der Eurozone zu lösen? Die europäische Politik muss stärker koordiniert werden, in den Regionen mit den größten Problemen, in der europäischen Peripherie. Ohne das können Sie berechnen was Sie wollen, es spielt keine Rolle.”

euronews:

“Im Jahr 2013 schaffte Portugal seinen ersten Außenhandelsüberschuss bei Waren und Dienstleistungen in fast 70 Jahren, weil der Export stark wuchs. Wie hat sich in den letzten drei Jahren Portugals Position verändert?”

Pedro Lains:

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“Dieser Handelsbilanzüberschuss ist ein Ergebnis der Sparmaßnahmen. Wie kommt’s? Sparen schrumpft die Wirtschaft, der Verbrauch geht zurück, es wird weniger importiert, mehr Exporte sind möglich.

Sobald die portugiesische Wirtschaft wieder wächst, kommen die Probleme mit der Finanzierung der Schulden zurück. Es wird wieder Probleme geben mit der Kreditaufnahme auf den internationalen Anleihemärkten. Das sind keine Probleme per se. Sie haben mit der Entwicklungsstufe der portugiesischen Wirtschaft zu tun.

Ohne eine Lösung für die Finanzierungsdefizite innerhalb der Eurozone kriegen wir in der portugiesischen Wirtschaft kein neues Wachstum hin. Das ist nicht neu als Problem. Die Volkswirte kennen das alle.”

euronews:

“Wann geht es dem Arbeitsmarkt in Portugal besser?”

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Pedro Lains:

“Riskant ist in Portugal – und das gilt für ganz Europa – dass die wirtschaftliche Erholung womöglich keine Arbeitsplätze schafft. Nachhaltig besser wird die Lage auf dem Arbeitsmarkt erst mit qualifizierenden Maßnahmen. Wo eine Arbeit verschwindet, muss eine neue entstehen. Das ist ein Transformationsprozess. Und auch eine politische Frage.”

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