Flüchtlinge in Passau: Wie wichtig ist das Thema im Wahlkampf?

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Von Euronews
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Passau stand im Sommer 2015 im Mittelpunkt der Flüchtlingskrise. Mittlerweile hat sich die Situation in der bayerischen Kleinstadt beruhigt. Ein Thema bleibt es trotzdem.

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[Partnerartikel Passauer Neue Presse]

Von Julia Kleis

Vor zwei Jahren war Passau bundesweiter Brennpunkt, zehntausende Flüchtlinge wurden hier erstversorgt und weiterverteilt. Passau selbst sieht heute an einigen Stellen bunter aus als es noch vor einigen Jahren der Fall war, findet SPD-MdB Christian Flisek. Ob das Thema heuer wahlentscheidend ist, darüber scheiden sich die Geister. In der öffentlichen Diskussion scheint es ein wenig in den Hintergrund getreten zu sein. Es sind in Passau wie überall in Deutschland unter anderem der mögliche Kartell-Skandal der Autobranche, die Zukunft der Europäischen Gemeinschaft und die Angst vor Terror, die den Wahlkampf dominieren.

„Derzeit fehlen allgemein emotionale und kontroverse Themen im Wahlkampf bzw. werden sie nicht adäquat aufgegriffen“, analysiert Michael Oswald, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Passau, daher werde die Flüchtlingspolitik als solche bedient. Kritiker scharten sich um die AfD, bei der die Migrationspolitik inzwischen den politischen Kern bilde. Hier werde sich ein nicht geringes Protestpotenzial bei der Wahl zeigen, allerdings werde das die Wahl höchstens in dem Maße beeinflussen, „dass unter Umständen wieder nur eine große Koalition möglich ist. “ Die Obergrenze oder Kontingentlösung als Bedingung der CSU für eine Koalition spiele laut Oswald von der Universität Passau eher in Hinblick auf ihre Symbolik eine Rolle.

Als „dominantes Thema“ stuft Flisek die Flüchtlingsfrage ein, es sei zwar wichtig, aber „nicht das Kernthema“, findet Raimund Kneidinger, Vorsitzender des CSU-Kreisverbands Passau-Land und als Bundeswahlkreisgeschäftsführer auch Wahlkampfmanager für MdB Andreas Scheuer. Zwar sei die Zuwanderung in Passau nach wie vor konstant, der Verlauf aber ruhiger. Das sei vor allem den Grenzkontrollen und der kontrollierten Einreise an den EU-Außengrenzen zu verdanken. Außerdem wurden laut Kneidinger mittlerweile genügend Kapazitäten in Asylunterkünften geschaffen. Sollte es in den kommenden Jahren zu weiteren Flüchtlingswellen kommen, wäre ein Puffer vorhanden. Davon sei, so Kneidinger, aber nicht auszugehen.

Die größte Herausforderung ist Flisek zufolge sowohl in Passau als auch deutschlandweit nicht mehr die Unterbringung von Migranten, sondern die Integration. Menschen mit Aufenthaltsberechtigung soll Schulbildung,
Zugang zu Sprachkursen und dem Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Kneidinger berichtet, es gebe bereits 16 Flüchtlingsklassen an der Berufsschule, um „die jungen Leute auf den beruflichen Alltag einzustimmen“ und eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern. Nach wie vor sei es das Erlernen der Sprache, das den Flüchtlingen das Teilnehmen am Alltagsleben ermöglicht.

Das sieht auch Alisha Kress vom Asylcafé Passau so: „Fakt ist, dass viele Menschen einige Jahre hier leben werden, da Kriege nicht über Nacht verschwinden. Es ist also wichtig, die Menschen in dieser Zeit in unsere Gesellschaft aufzunehmen und ihnen eine Perspektive zu bieten.“ Sie kritisiert den mangelnden Kontakt zu Deutschen in den Gemeinschaftsunterkünften der Flüchtlinge. Um sich schneller integrieren zu können, sollten sie Kress zufolge früher ausziehen dürfen. Kneidinger, der auch stellvertretender Landrat ist, verweist hier auf die Plattform für Menschen mit Aufenthaltsrecht. Migranten sollten so bald wie möglich aus den Heimen ausziehen und Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt finden. „Leute mit freien Zimmern und der Bereitschaft, diese den Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, melden sich dort und wir vermitteln dabei.“ So konnten schon ein paar 100 Wohnungen vermittelt werden.

Für Flisek ist ein Zuwanderungssteuerungsgesetz die bessere Alternative zur Obergrenze. Der bisherige Fehler sei, Flüchtlinge, Asylbewerber und Wirtschaftsmigranten in einen gemeinsamen Topf, dem Asylverfahren, zu werfen. Mit einem Zuwanderungssteuerungsgesetz könnte man unter anderem jedes Jahr je nach Bedarf entscheiden, wie viele Wirtschaftsmigranten aufgenommen werden. Auch eine Nullzuwanderung sei möglich. Die Bewerbung für diese Plätze soll dann in den deutschen Botschaften in den jeweiligen Herkunftsländern erfolgen. Diesen „atmenden Deckel“ sieht Flisek noch als großes Wahlkampfthema und die „größte innenpolitische Herausforderung für die nächste Legislaturperiode.“

Hier finden Sie alle bisher produzierten Folgen unserer 360°-Serie zur Bundestagwahl.

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