6 Monate nach Anschlag von Hanau: „Gegen das Vergessen“

Hanau gedenkt des Anschlags vom 19. Februar 2020
Hanau gedenkt des Anschlags vom 19. Februar 2020 Copyright Euronews
Copyright Euronews
Von Luis Nicolas Jachmann
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Am 19. Februar 2020 tötete ein 43-jähriger Deutsche 9 Menschen in Hanau - aus rassistischen Motiven. Ein halbes Jahr danach finden in ganz Deutschland Gedenkfeiern statt. Die "Intiative 19. Februar" fordert eine Aufklärung der Tat und Konsequenzen.

WERBUNG

Gökhan Gültekin, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Hamza Kurtović, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.

Der mutmaßliche Täter, ein 43-jähriger Deutscher, ermordete diese 9 jungen Menschen aus rassistischen Motiven – eine Zäsur und doch kein Einzelfall rechtsextremistischer Gewalt in Deutschland. Genau sechs Monate nach dem Attentat gedenken Angehörige der Opfer, Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie Politiker im ganzen Land der rechtsextremistischen Tat vom 19. Februar.

Mahnwachen in ganz Deutschland am Mittwochabend

Überall in Deutschland finden am Mittwochabend Mahnwachen statt. Um 19.02 Uhr wird in über 30 deutschen Städten eine Gedenkminute abgehalen. 

Ein neues Banner mit der Aufschrift "Kein Platz für Rassismus und Gewalt - Hanau steht zusammen für Respekt, Toleranz und Zivilcourage" wurde angebracht.

Bereits seit dem 19. Februar gedenken Menschen unter dem Hashtag #SayTheirNames der in Hanau getöteten Menschen und sprechen sich gegen Hetze und Rassismus aus in den sozialen Netzwerken.

Der mutmaßliche Angreifer, ein 43-jähriger Deutscher, hatte am 19. Februar in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund erschossen. Danach brachte er vermutlich auch seine Mutter um, bevor er sich selbst tötete.

"Initiative 19. Februar" fordert lückenlose Aufdeckung der Tat

Der „Initiative 19. Februar“ ist ein schweigsames Gedenken sechs Monate nach dem Anschlag nicht genug. In einem Video auf Twitter fordern die Angehörigen der Opfer ein Umdenken bei der Polizei: „Viele Polizisten in Kesselstadt schikanieren seit Jahren lieber unsere Freunde und Familien statt ihrer Pflicht nachzukommen: Nazis die Waffen wegzunehmen und für die Sicherheit für jeden zu sorgen“, sagt ein Angehöriger im Video. Die Bürgerinitiative in Hanau, die sich nach dem Attentat gründete, setzt sich auch für eine lückenlose Aufklärung der Tat ein und fordert Konsequenzen bei der Hanauer Polizei.

In einem Video der "Initiative 19. Februar" kommen Angehörige der Opfer zu Wort

In die Trauer der Angehörigen mischt sich Wut und Kritik an den Behörden: „Wir erfahren nach und nach, was vor dem 19. Februar passierte – welche Warnungen nicht ernst genommen wurden“, sagt ein Hinterbliebener eines Opfers im Video.

Auch der Oberbürgermeister von Hanau, Claus Kaminsky erwartet eine schnelle Aufarbeitung der Tat:

Sechs Monate sind für offene Fragen von Angehörigen, von Opfern ein unglaublich langer Zeitraum.
Claus Kaminsky
Oberbürgermeister Hanau

Demonstrationen am Samstag

Am Samstag ist zudem eine Großdemonstration in Hanau geplant. Drei weitere Städte haben sich dem Aufruf der „Initiative 19. Februar angeschlossen“: in Hamburg, Wien und Rostock werden anderer rassistisch motivierter Morde der jüngeren Vergangenheit gedacht.

Unterdessen hat Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) zusätzliche Hilfen für die Angehörigen der Opfer versprochen: „Wir werden sehr zeitnah ein Förderprogramm für Hanau auflegen, um die Betreuung der Hinterbliebenen und Opfer über mehrere Jahre zu verstetigen“.

Problem Alltagsrassismus in Deutschland

Die Linke fordert, dass das Problem Ausländerfeindlichkeit größer diskutiert wird und der 19. Februar von Hanau nicht als Einzeltat betrachtet wird:

Die Linke fordert Rassismus als Alltagsproblem anzuerkennen

Der Anschlag von Hanau hat eben diese Debatte neu entfacht. Im Netz musste NRW-Innenminister Herbert Reul für eine neuerliche Aussage viel Kritik einstecken. Bei einer Pressekonferenz zur Clan-Bekämpfung in Nordrhein-Westfalen sagte der CDU-Politiker: „Ich bin mir bewusst, dass die Gefahr besteht, ausländerfeindliche Ressentiments zu bedienen und ganze Familien in Sippenhaft zu nehmen. Das stimmt, das ist das Problem. Aber die Chancen sind größer als die Risiken.“

Der Islamwissenschaftler Fabian Goldmann räumt auf Deutschlandfunk Kultur auch deutschen Medien eine Mitschuld für Stigmatisierung von Menschen mit Migrationshintergrund ein:

Schlagzeilen sind gefüllt mit kriminellen Clans, ausländischen Gewalttätern und muslimischen Extremisten. Kommentatoren warnen vor „dem Ende des staatlichen Gewaltmonopols“, „Islamisierung“ und „Zivilisationsbrüchen“.
Fabian Goldmann
Islamwissenschaftler

Hanau plant eine Gedenkstätte für den Anschlag vom 19. Februar 2020, die nach den Wünschen der Angehörigen gestaltet werden soll. Am Tag des Gedenkens kommt die Trauer landesweit zum Ausdruck .

Journalist • Luis Nicolas Jachmann

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

19.02 Uhr: Glocken läuten zum Gedenken an die 9 Opfer von Hanau

Verdächtiger von der A100 in Berlin kommt in die Psychiatrie

#SayTheirNames - Was wir zum Anschlag von Hanau wissen