Afghanistan: NATO-Truppen verlassen wichtigsten Stützpunkt Bagram

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Copyright Abdul Khaleq/AP2009
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Von su mit dpa, AFP
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Nach fast 20 Jahren haben die US- und andere Nato-Soldaten ihren größten Stützpunkt in Afghanistan verlassen. Alle Koalitionstruppen seien aus der Luftwaffenbasis Bagram weg, so ein hoher Beamter des US-Militärs.

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Nach fast 20 Jahren haben die US- und andere Nato-Soldaten ihren größten Stützpunkt in Afghanistan verlassen. Alle Koalitionstruppen seien aus der Luftwaffenbasis Bagram weg, so ein hoher Beamter des US-Militärs.

Der Stützpunkt sei an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben worden, hieß es in US-Medienberichten. Das afghanische Verteidigungsministerium äußerte sich dazu zunächst nicht.

Damit dürfte der Anfang Mai begonnene Abzug der internationalen Truppen kurz vor seinem Abschluss stehen. Offiziell hatten die USA angekündigt, bis spätestens 11. September alle Truppen abzuziehen. Laut Berichten wird aber ein Zeitraum rund um den 4. Juli, dem Nationalfeiertag in den USA, angepeilt.

Stimmen aus der Umgebung:

"Nun, jetzt ist die Lage in Afghanistan nicht gut, die Amerikaner gehen und wir wissen nicht, was in Zukunft passieren wird."

"Es ist gut, dass sie das Land verlassen. Das Schlimme ist, dass sich die Lage in Afghanistan verschlechtert. Als sie hier waren, haben viele Leute für sie gearbeitet, jetzt gibt es keine Jobs, die Leute haben ihre Jobs verloren."

TALIBAN

In der Vergangenheit wurden Taliban-Offensiven vor allem mit Hilfe von US-Luftangriffen und teils auch amerikanischen Spezialkräften gestoppt. Der Abzug bedeutet, dass die Regierungstruppen nun ohne solche Kampfunterstützung auskommen müssen. Die afghanische Luftwaffe gilt als nicht entfernt so leistungsfähig.

Die deutsche Bundeswehr hatte am Dienstag ihre letzten Soldaten aus dem Norden des Landes ausgeflogen.

Die Taliban, vom US-Außenministerium als Terrororganisation eingestuft, "begrüßen und unterstützen" den Abzug von US- und NATO-Truppen vom Luftwaffenstützpunkt Bagram, so ein Sprecher. "Wir freuen uns und unterstützen diesen Abzug", sagte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid (“AFP”). "Ihr vollständiger Rückzug (aus Afghanistan) wird es den Afghanen ermöglichen, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden."

BAGRAM

Die Schließung von Bagram hat Symbolkraft. Bagram war über die Jahre für viele Afghanen zum Symbol des US-Einsatzes in Afghanistan geworden. Ursprünglich war der Flugplatz in den 1950-er Jahren von der Sowjetunion gebaut worden. Als die USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Afghanistan einmarschierten, war die Basis rund eine Autostunde nördlich von Kabul weitgehend zerstört. Über die Jahre wurde sie massiv ausgebaut und beschäftigte tausende Afghanen, die täglich teils eine Stunde oder länger in Schlangen in Sicherheitsschleusen verbrachten, um morgens auf die Basis zu kommen.

Berühmt-berüchtigt ist ein auf Bagram betriebenes Gefängnis. Immer wieder gab es Vorwürfe von Folter und unrechtmäßigen Inhaftierungen. Immer wieder wurden auch Afghanen, die in Bagram arbeiteten, auf dem Weg zur Basis von militant-islamistischen Taliban getötet.
Gleichzeitig kamen über Bagram unzählige westliche Güter ins Land, die in der Folge in Kabul am «Bush-Bazar» landeten – von Proteinshakes bis zu Parmesan. Benannt wurde der Basar nach US-Präsident George W. Bush, der den Einmarsch in Afghanistan

angeordnet hatte.

Zuletzt geriet Bagram in die afghanischen Schlagzeilen, weil täglich dutzende Lastwagen mit Schrott von zerstörten Fahrzeugen und Ausrüstung der US-Truppen den Flugplatz verließen. Viele Afghanen ärgerten sich darüber, dass das US-Militär derartige Mengen verschrottete und nicht den Sicherheitskräften überließ. Die Militärs begründeten dies unter anderem damit, dass die Ausrüstung nicht in feindliche Hände fallen solle.

In der Tat sind zuletzt große Mengen von US-finanzierter Ausrüstung in die Hände der Taliban gefallen. Mit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen haben die Islamisten mehrere Offensiven in dem Land gestartet. Rund 90 der etwa 400 Bezirke haben sie seither von den vom Abzug demoralisierten afghanischen Sicherheitskräften

erobern können – und dabei Hunderte Sturmgewehre, gepanzerte Fahrzeuge und teils auch schweres militärisches Gerät erbeutet.

USA: "NACHHALTIGE" SICHERHEITSHILFE

Es ist zudem unklar, ob die Maschinen der afghanischen Luftwaffe ohne ausländische Vertragskräfte, die sie reparieren und warten, aber jetzt auch abziehen, flugtauglich gehalten werden können. Die Luftwaffe ist ein Schlüssel im Kampf gegen die Taliban.

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Das Weiße Haus hat der Regierung in Kabul zugesichert, dass sie weiterhin «nachhaltige» Sicherheitshilfe leisten wird. Washington blieb bisher allerdings vage, was dies genau bedeutet. Ein hochrangiger US-General hatte zuletzt im Gespräch mit «Voice of America» ausgeschlossen, dass die USA nach ihrem Abzug afghanische Streitkräfte mit Luftangriffen unterstützen würden.

su mit dpa, AFP

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