Umarmen, kuscheln und Vertrauen: Wie Dänemark Mobbing verhindert

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Von Valérie GauriatSabine Sans
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Prävention von Mobbing passiert in Dänemark bereits im Kindergarten. Mit verschiedenen Methoden lernen die Kinder Sozialkompetenzen. Dänemark ist neben Schweden und Finnland eines der Länder in Europa, in denen die Mobbingraten am niedrigsten sind.

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Euronews-Reporterin Valérie Gauriat hat den Alltag in einer dänischen Grundschule in Kopenhagen erlebt. Dort lernen Kinder schon früh, die Fallen des Mobbings zu umgehen, das dort weniger Schaden anrichtet als anderswo in Europa.

Sozialkompetenzen in der Schule

Meditation, Umarmungen und Vertrauen - so beginnen die Tage für die rund zwanzig Kinder einer Grundschulklasse. Für ihre beiden Lehrerinnen gehört zum schulischen Lernen auch das Wohlbefinden.

_"Ich bin die Person, mit der sie reden können, wenn sie Probleme haben. Und ich rede auch viel darüber, wer ich bin und was ich mag, dass es kein Problem ist, _wenn sie gerne kuscheln. Das mag ich auch", erzählt Lehrerin Maja Hindsgaul von der Sluseholmen Skole. _"_Natürlich müssen sie lesen und schreiben lernen. Aber dafür müssen sie sich sicher fühlen. Das ist meine Aufgabe, dass sie sich sicher fühlen und entwickeln können....Sozialkompetenzen in der Schule."

Kuscheln erlaubt! Umarmen ist normal an dieser dänischen Grundschule
Kuscheln erlaubt! Umarmen ist normal an dieser dänischen Grundschuleeuronews

Die Schülerin Nour Ava Shahmarvand Pedersen ergänzt: "Wir haben auch diese Plakate, die zeigen, was man in der Schule tun sollte, welche guten Dinge man tun kann. Und das ist unser Ziel: Eine gute Klasse zu sein!"

Ihre Mitschülerin Alberte Sol Sandø West meint: _"_Wenn jemand traurig ist, können wir ihn fragen, ob er eine Umarmung braucht. Und am Morgen können wir immer zu den Lehrern gehen und sie umarmen und wir helfen uns gegenseitig bei den Hausaufgaben, aber auch allgemein."

Sich wohlfühlen gehört zum Unterricht
Sich wohlfühlen gehört zum Unterrichteuronews

Zusammenleben lernen: ein wesentlicher Bestandteil des Unterrichts

Wie durch einen Workshop, in dem die Kinder in Partnerarbeit imaginäre Planeten erschaffen. Die Kinder werden dazu animiert, in verschiedenen Arten von Gruppen zusammenzuarbeiten, Mädchen und Jungen gemischt, und nicht immer mit ihren besten Freunden, sondern auch mit Kindern, mit denen sie normalerweise nicht zusammenarbeiten.

Auf diese Weise üben sie auch ihre sozialen Kompetenzen, z. B. wie man kommuniziert und wie man bei verschiedenen Ideen Kompromisse eingeht.

Mit Gruppenarbeit werden soziale Kompetenzen geübt
Mit Gruppenarbeit werden soziale Kompetenzen geübteuronews

Diese Methoden sind Teil der Programme, die in vielen dänischen Schulen zur Bekämpfung von Mobbing bereits im Kindergarten eingeführt wurden. Die Kinder halten sich voll und ganz daran.

_"Alle respektieren einander voll und ganz. Und die Freunde helfen einem, _wenn man gemobbt wird", erzählt Schülerin Polly Schlüter Bingestam. _"_Die Freunde gehen dazwischen und rufen den Lehrer. Dann hören sie auf und man ist wieder glücklich."

Mitarbeit der Eltern

Fatemeh Shahmarvand, Nours Mutter, ist Mitglied des Schulvorstands. Die Eltern der Schüler sind an der Ausarbeitung der Lehrpläne beteiligt. In ihren Augen spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Prävention von Mobbing.

_"Das Wichtigste ist, dass man, wenn man sieht, dass seine Kinder sich schlecht fühlen, sie ernst nimmt und versucht zu verstehen, _was los ist", meint Fatemeh Shahmarvand. _"_Wir Eltern müssen mit unseren Kindern sprechen und wissen, wie wir sie ein wenig robuster machen können, damit sie lernen, mit Widrigkeiten umzugehen."

Dänemark ist neben Schweden und Finnland eines der Länder in Europa, in denen die Mobbingraten am niedrigsten sind.

Altbewährte Präventions-Methoden werden aktualisiert

Die Telefonplattform, die von der dänischen NGO für Kinderrechte Børns Vilkårbetrieben wird, verzeichnete jedoch einen Anstieg der Anrufe im Zusammenhang mit Mobbing sowie suizidale Verhaltensweisen, insbesondere bei jungen Teenagern.

_"Anrufe im Zusammenhang mit Mobbing betreffen alle Altersgruppen, aber es ist ein besonderes Problem für _Kinder im Alter von 10 bis 15 Jahren", erklärt der Geschäftsführer von Børns Vilkår Rasmus Kjeldahl. _"_Das ist das Alter, in dem es für ein Kind sehr wichtig ist, Teil einer Gruppe zu sein. Und Mobbing bedeutet, aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden. Die digitale Dimension macht die Sache noch schlimmer, denn das Mobbing hört nicht auf, wenn man die Schule verlässt."

Helle Hansen ist eine der dänischen Expertinnen, die die Programme zur Prävention von Mobbing entwickelt hat, die in Dänemark seit etwa 15 Jahren an Schulen eingeführt werden.

Programme, die sich bewährt haben, aber neu erfunden werden müssen, sagt sie, um neuen Realitäten gerecht zu werden:

_"Es ist schwieriger, ein Teenager zu sein. Es gab den Lockdown, wir hatten Covid. _Man ist mehr allein", zählt sie auf. "Das Wohlbefinden im Allgemeinen ist beeinträchtigt."

"Jugendliche oder Kinder, die andere belästigen, brauchen etwas. Sie müssen verstehen, welchen Sinn es hat, hier zu sein, und dass sie Teil von etwas sind. Wir haben es mit einer neuen Art von Jugendlichen zu tun, wir müssen sie begleiten. Wenn wir sie nicht verstehen, erleben sie Sinnlosigkeit. Und diese Sinnlosigkeit ist einer der Gründe, warum sie anfangen, andere zu schikanieren."
Helle Hansen
dänische Expertin

Gruppendynamik und Dialog statt Sanktionen

Teenager zu verstehen, ist für den Schulleiter eines Gymnasiums in der Nähe von Kopenhagen eine Selbstverständlichkeit. Wie viele dänische Schulen hat auch dieses Gymnasium eine Charta zur Bekämpfung von Mobbing auf seiner Website veröffentlicht.

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Mehr als Sanktionen stehen hier vor allem die Gruppendynamik und der Dialog mit den Schülern im Vordergrund. Sie beteiligen sich an der Anti-Mobbing-Strategie wie auch an allen Regeln, die das Leben in der Schule bestimmen.

_"Wir versuchen, uns den Schülern auf verschiedene Weise zu nähern und mit ihnen über den Unterricht, die pädagogischen Grundsätze, ihre Freizeitaktivitäten und ihre Interaktion in _sozialen Netzwerken zu sprechen, darüber halten wir auch Unterricht", so Mette Trangbæk, die Direktorin des Greve Gymnasiums. _"_Es ist sehr wichtig, dass wir uns trauen, auf sie zuzugehen, dass wir uns trauen, einzugreifen, um ihr Leben zu erleichtern, nicht nur das Leben im Unterricht, sondern auch das Leben in ihrer Freizeit. Wir arbeiten auf der Grundlage von Vertrauen, denn Vertrauen ermöglicht es uns, ihnen näherzukommen und auf die Probleme einzuwirken."

Mathelehrerin Sanne Yde Schmidt findet: "Es geht um Verantwortlichkeiten. Ich glaube, dass Mobbing größtenteils das Ergebnis von Hierarchien ist, die nicht funktionieren. Infolgedessen versuchen die Leute, Macht zu erlangen, indem sie jemand anderen einschüchtern. Und wenn man das nicht braucht, weil man von Anfang an die Macht über sein eigenes Leben hat, ändert das alles."

Die Kinder lernen von klein auf, "andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte".

"Das ist ein wesentlicher Bestandteil__unserer Erziehung", erklärt die Schülerin Lucija Mikic. _"_Es ist auch etwas, woran man denkt, bevor man mit jemanden redet."

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_"Auch das gehört zum Erwachsensein, dass man selbst entscheiden kann, _was wichtig ist", so Sanne Yde Schmidt. _"_Eine eigenständige Person zu sein, hilft einem, sich wohl in seiner Haut zu fühlen, und es verhindert Mobbing."

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