Schriftstellerin Jagoda Marinić (39): "Nicht deutsch ist meine Großmutter"

Autorin Jagoda Marinic
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Von Kirsten RipperEuronews
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Eigentlich ist Jagoda Marinić keine Frau “mit Migrationshintergrund”, sie will sich auch nicht in diese Schublade stecken lassen.

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Eigentlich ist Jagoda Marinić keine Frau “mit Migrationshintergrund”, sie will sich auch nicht in diese Schublade stecken lassen. Jagoda Marinić ist eine erfolgreiche Schriftstellerin, eine engagierte: für Frauen, für Menschenrechte, gegen Trump, gegen die Vorherrschaft der alten Herren. Die Autorin ist eine “deutsche Stimme”, die gehört wird, wenn sie ihre Sicht der Dinge in der “Süddeutschen Zeitung”, in der Talkshow bei “Anne Will” im Fernsehen oder in Vorträgen in den USA erklärt. Jagoda Marinić gilt als Expertin für Migration oder für “Diversität”. Ihre Vorträge, die sie die letzten Jahre über vor Ministerien und bei Konferenzen gehalten hat, sind im viel diskutierten Buch Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland? erschienen. Sie ist die zornige Stimme von 16 Millionen neuen Deutschen.

Nach Problemen wegen ihres “Migrationshintergrunds” gefragt, wehrt Jagoda Marinić ab: “Ich habe keine Probleme, so wie ich habe auch keinen Migrationshintergrund habe, weil das keine Definition ist, die ich für mein Leben anerkannt habe. Das Problem-Haben wird immer gerne auf die Seite jener gelegt, die auf irgendein Merkmal festgelegt werden: arm, Migrant, Frau, Migrationshintergrund, Fluchterfahrung etc.”

Ihre Eltern sind aus Dalmatien (Ex-Jugoslawien, heute Kroatien) nach Deutschland eingewandert. Jagoda Marinić ist in Waiblingen bei Stuttgart geboren und aufgewachsen, hat in Heidelberg studiert und sich früh politisiert. Engagement als Kampf gegen Ungerechtes: Weil sie als in Deutschland Geborene an der Universität als “Bildungsinländerin” eingestuft wurde, stand Jagoda Marinić gemeinsam mit ausländischen Gaststudierenden in den Gängen des Akademischen Auslandsamts. Der Weg zurm zunächst angestrebten Beruf der Gymnasiallehrerin hätte zudem noch einige bürokratische Hürden bedeutet.

Mit 21 vom Suhrkamp-Verlag entdeckt
Doch dann wollte sie gar nicht mehr Lehrerin werden. Ihren beruflichen Erfolg beschreibt Jagoda Marinić selbst so: “Da ist einerseits der Anfang: dass ich mit 21 Jahren vom Suhrkamp Verlag entdeckt wurde und noch die Gelegenheit hatte, die alte Suhrkamp Kultur kennenzulernen – das hat mich geprägt. Mit 23 habe ich mit dem Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa das Hauptprogramm des Verlages eröffnet. Gleichzeitig habe ich mit Anfang dreissig festgestellt, dass ich noch etwas anderes erleben und wagen wollte und nicht ausschliesslich am Schreibtisch gesessen haben wollte, mein Leben lang. Mein Traum als Autorin war plötzlich, doch auch eine “normale” Arbeit zu haben. Seit 2012 arbeitete ich also an einer neuen Begegnungsstätte, und im März eröffnet in Heidelberg eine neue Kultureinrichtung, die dem interkulturellen Austausch gewidmet ist, dem besseren Zusammenleben. Dieser Spagat, mit diesen beiden Welten zu leben, sie beide verwirklichen zu können, ist vielleicht mein größter Erfolg.”

“Deutschland sollte eine Vorreiterrolle einnehmen”
Erfolg erhofft sich Jagoda Marinić auch für Deutschland, ein Land, in dem die “neuen Deutschen” ihren Platz haben: “Deutschland sollte eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen. Wenn ich mir etwas für Deutschlands Zukunft wünsche, dann, dass es eines Tages viele mit Stolz und Staunen erfüllt, wenn Deutschland in diesem Jahrhundert eine positive Rolle für den Zusammenhalt auf diesem Kontinent eingenommen hat.”

Die Autorin hat auch in Berlin, in Kroatien, in Kanada und in den USA gelebt, viele ihrer Bücher spiegeln das bewegte Leben der Weltbürgerin wider. Als Kulturschaffende, die konkret etwas fürs Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen tut, fühlt sich Jagoda Marinić in Deutschland wohl, aber ihr Leben verläuft nie eingleisig: “Ich lebe ganz gut hier.
Dazu bin ich aber eben phantasiebegabt und lebe selten nur da, wo ich bin. Dieser Freiraum ist auch ein Raum, der Platz für Geschichte und Gedanken schafft, die (noch) nicht sind. Der Raum für “das mögliche Andere” muss in meinem Leben immer offen bleiben.”

This is a Selfie NOT! #Hamburgpic.twitter.com/58MNNTX2fo

— Jagoda Marinic (@jagodamarinic) 10. Februar 2017

“Nicht deutsch ist meine Großmutter”
Die Frage, was an ihrem Leben typisch deutsch ist und was nicht, beantwortet Jagoda Marinić ganz knapp: “Solche Fragen sind typisch deutsch. Und meine Antwort darauf auch. Nicht deutsch ist meine Großmutter.”

Mehr über Jagoda Marinić erfahren Sie in ihrem europäischen Familien-Roman Restaurant Dalmatia und auf ihrer Homepage. Sie twittert unter @jagodamarinic über das Zeitgeschehen und den kleinen Alltag.

Wir setzen unsere Mini-Serie zu erfolgreichen Frauen mit Migrationshintergrund in Europa fort. Ihre Reaktionen können Sie auf unserer Facebook-Seite mit uns teilen.

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