Flüchtlinge im Wahlkampf: Willkommen oder nicht?

Flüchtlinge im Wahlkampf: Willkommen oder nicht?
Von Hans von der Brelie
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Eines der heißen Themen vor der Bundestagswahl in Deutschland: Die Flüchtlingspolitik

WERBUNG

Blau-weiße Dorfidylle in der Nähe von Augsburg. Wir sind im Süden der Bundesrepublik Deutschland unterwegs, in Bayern. Auch hier auf dem Land tobt der Wahlkampf. Nicht nur am Stammtisch, sondern auch ganz nüchtern am Arbeitsplatz, in der Pause, auf der Gartenterasse oder in der Warteschlange beim Metzger wird über möglicherweise wahlentscheidende Fragen diskutiert: Wie können Geflüchtete in den deutschen Arbeitsmarkt und in die eigene Nachbarschaft integriert werden? Wer sollte eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, wer abgeschoben werden?

Auf einer Baustelle treffen wir Thiare aus dem Senegal: Kein Krieg, keine Krise – ein sicheres Herkunftsland. Weshalb Senegalesen kaum Chancen auf Asyl in Deutschland haben.

Doch Thiare Ousseynou ficht das nicht an, er habe “keine Angst vor Abschiebung”, sagt er lächelnd. Dann greift er unter der heißen Spätsommersonne Bayerns wieder zur Mörtelkelle. Nach Feierarbend hat Thiare einen Moment Zeit für uns. Den Unterschied zwischen politischer Verfolgung und Flucht vor Armut versteht er perfekt, will ihn aber in Bezug auf seine persönliche Situation und seinen Aufenthaltsstatus nicht gelten lassen: “Es gibt Leute, deren Mutter und Vater daheim nichts zu essen haben”, meint Thiare – und bezieht sich damit wohl auf die eigene Familiensituation. Sein polnischer Kollege springt ihm bei: “Thiare ist OK, der schickt am Monatsende seiner Mutter Geld. Thiare ist schwer in Ordnung.”

So wie Thiare haben in jüngster Zeit Tausende Menschen Senegal Richtung Europa (Italien, Deutschland) oder Brasilien verlassen.Der junge Mann verteidigt die Flucht vor Armut: “Wenn jemand aus einer hungerleidenden Familie aus dem Senegal einen Weg bis nach Europa findet, dann sollte er auch hier in Europa bleiben dürfen.” Die Armutsmigranten könnten Geld in die Heimat überweisen, Angehörigen helfen. – “Sicher”, meint Thiare, “vom Staat her ist in Senegal alles in Ordnung, es herrscht kein Krieg. Aber andererseits: Das ist auch eine Art von Krieg, wenn man morgens aufwacht und es ist nichts zu essen da. Das ist fast dasselbe wie Krieg.”

Und was wollen die Parteien?

CDU/CSU, SPD, AfD und FDP befürworten Rückführungsabkommen mit sicheren Herkunftsländern und anderen Staaten beispielsweise in Nordafrika. Und sie fordern jetzt im Wahlkampf eine konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Die Grünen setzen auf freiwillige Rückkehrprogramme. Die Linke lehnt Abschiebungen ab.

(Mehr dazu siehe unten)

Herr Kugelmann kämpft um seinen Lehrling

Thiares Chef Adolf Kugelmann würde seinen Lehrling gerne behalten, denn der packt an, ist geschickt und hochmotiviert. “Der redet gut Deutsch”, meint Kugelmann. “Aber eine Prüfung schreiben, die oft kompliziert formulierten Aufgaben des Theorieteils erfassen, das ist natürlich eine ganz andere Größenordnung, als sich auf einer Baustelle mit den Kollegen zu verständigen. Wenn er die Prüfung nicht schafft, also wenn er nicht Facharbeiter ist, droht ihm die Abschiebung. Warum muss man diese Person ausweisen, egal aus welchem Land er ist? Wir haben Fachkräftemangel in der Inudstrie und auch im Handwerk.”

Beim Praxistest bekam Thiare eine glatte Zwei. “Das ist bei uns im Baugewerbe eine Spitzennote”, meint Thiares Chef Kugelmann. “Eine Zwei bekommt nicht jeder.” Doch auch den ersten Durchlauf der schriftlichen Prüfung hat Thiare bereits hinter sich, “eine Sechs mit Stern sozusagen”, bedauert Kugelmann. Adolf Kugelmann versucht zu helfen, wo er kann. Der Bauunternehmer hat versucht, mit der Prüfungskommission ins Gespräch zu kommen, damit solchen Lehrlingen, die noch Probleme mit Schriftdeutsch haben, Extra-Zeit zu gewähren – ähnlich den für Legastheniker vorgesehenen Prüfungserleichterungen. Doch das wurde abgelehnt. Zwar gibt es für Thiare, so wie für alle anderen Bau-Lehrlinge, die durchgefallen sind, die Möglichkeit, den schriftlichen Teil der Prüfung nach einigen Monaten erneut anzugehen, doch sehr optimistisch ist Adolf Kugelmann nicht.

Asylbewerber sind nicht überall willkommen

Wir fahren weiter Richtung Süden, nach Pfenningbach. Österreich liegt gleich nebenan. Vor zwei Jahren zogen hier Tausende von Geflüchteten vorbei. Pfenningbach hat rund 300 Einwohner, darunter auch Martha Danninger. Die freundliche Bayerin hat ein Luftbild der beschaulichen Gemeinde vor sich liegen und steckt rosa Stecknadeln hinein – das sind die Pfenningbacher. An einer Stelle der Karte stecken auch gelbe Nadeln, sehr viele übrigens, 102 um genau zu sein. Das sind Asylbewerber, die hier – direkt gegenüber dem Zuhause der Familie Danninger – in einem ehemaligen Sportartikelgeschäft untergebracht werden sollen.

Die große Mehrheit der Dorfbewohner wehrt sich vehement gegen diesen Plan der Regierung. Drei, vier Flüchtlingsfamilien würden die Pfenningbacher gerne aufnehmen, aber nicht 102 Menschen in einem Gebäude. Martha Danninger hat eine Bürgerinitiative gegründet, fast jede Pfenningbacher Familie macht mit. Das Dorf wehrt sich mit allen Mitteln gegen die Aufnahme von Asylbewerbern, der Bürgerverein hat bereits Politiker angeschrieben, den Bund der Steuerzahler eingeschaltet, die Lokalpresse alarmiert, Klage gegen die Regierung eingereicht…

Franz Fuchs, ein Pfenningbacher mit Zwirbelbart, argumentiert mit Demokratie und lokaler Selbstbestimmung: “Der Gemeinderat hat sich einstimmig gegen diese Entscheidung ausgesprochen und es abgelehnt. Doch diese Entscheidung wurde vom Landratsamt einfach ignoriert.”

Martha Danninger: “Wir haben hier eine Straße mit zwölf Häusern, das sind 25 Einwohner – und da sollen jetzt 102 Asylbewerber integriert werden…”. Sie verzieht zweifelnd das Gesicht. Ihr Mann, Christian Erntl, stimmt ihr zu: “Ich glaube nicht, dass das funktionieren kann. 102 Personen auf so einem engen Raum, das ist eine Kasernierung und noch dazu 102 Männer, vermutlich aus verschiedenen Nationen, das kann nur zu Konflikten führen.”

Marthas Bruder Franz Danninger pflichtet Erntl bei: “Das ist ja ganz egal, ob 102 Syrer oder 102 Afghanen oder 102 Niederbayern auf so einem engen Raum zusammenwohnen, das muss zu Agressionen führen, die im Innern beginnen und dann nach außen strahlen.”

Auch Wolf Thunig und seine sehbehinderte Frau Renate sitzen mit am Tisch auf Danningers Gartenterasse: “Hier bei uns im bechaulichen Pfenningbach gibt es ja noch nicht einmal einen Briefkasten, uns fehlt ganz einfach die Infrastruktur”, meint Thunig. Dann geht er ins Detail, um das Problem zu veranschaulichen. Schon heute sei es gelegentlich schwierig, einen Sitzplatz im Bus zu bekommen. Wenn jetzt noch 102 Asylbewerber hier mitten auf dem Land untergebracht würden, seien die wenigen bestehenden Buslinien völlig überfordert.

Christian Erntl, Friseurmeister von Beruf, zeigt hinüber zu dem kleinen Wäldchen, das sich gegenüber der sonnigen Gartenterasse auf dem Hügel erstreckt. Dort ist er oft mit dem Geländerad unterwegs. So auch vor zwei Jahren, als die Flüchtlinge in großer Zahl über die österreichische Grenze ins Bayerische kamen, Richtung Pfenningbach. “Über Monate hinweg habe ich dort am Waldrand hunderte zerrissene und teilweise verbrannte Dokumente gefunden”, erzählt Erntl. Für ihn ein ganz klares Zeichen dafür, dass viele Migranten ihre Identität, ihre Herkunft und ihre Reiseroute vor den deutschen Behörden verschleiern wollten.

Man spürt, noch heute – zwei Jahre danach – ärgert sich Erntl. Ein Gefühl, das auch bei den anderen Pfenningbachern geradezu greifbar ist. Die Menschen hier fühlen sich von den Migranten überrannt und von den Politikern übergangen. Gleichzeitig versuchen sich die Mitglieder der Bürgerinitiative aber auch ganz klar abzugrenzen, mit Rechtsradikalen habe man hier nichts am Hut. Martha Danninger, an der Schule unterrichtet sie Handarbeit, bringt es im Interview auf den Punkt: “Ich wünsche mir, dass politisch Verfolgte Schutz finden, Arbeit finden.” Andererseits möchte sie aber schon genau wissen, wer denn da nun genau ins Land kommt, woher, mit welchem Namen. Und innerhalb der von ihr gegründeten Bürgerinitiative hat sich eine Art Konsens herausgebildet: Helfen ja, aber mit Augenmaß. Hier wie anderswo in Deutschland kristallisiert sich eine Mehrheitsmeinung heraus, die politisch Verfolgten Schutz gewähren will – nicht aber Wirtschaftsflüchtlingen.

Die Pfenningbacher laufen Sturm gegen die Politik der Regierung in Bayern, wieder verstärkt auf Gemeinschaftsunterbringung zu setzen. Mit dezentralen Lösungen fahre man doch besser für alle Beteiligten, für die Flüchtlinge, für die Nachbarn, für die Dorfgemeinschaft, sagen viele Mitglieder der Pfenningbacher Bürgerinitiative. Eine Meinung, die man nicht nur im kleinen Pfenningbach, sondern auch anderswo zu hören bekommt.

Lächeln und lernen

Lassen wir Pfenningbach und den Raum Passau hinter uns. Wir fahren Richtung Landeshauptstadt. Freundlich lächeln und Deutsch lernen – so lautet Rias Khans Antwort auf die Frage, wie Integration in Deutschland funktioneren könnte. Wir sind in Parsdorf in der Nähe von München. Rias kommt aus Pakistan. Sein Ausbildungsbetrieb – die Bayerische Blumen-Zentrale – erhielt den CSR-Integrationspreis der Bundesregierung. Rias hilft das wenig – denn sein Asylantrag wurde abgelehnt.

WERBUNG

Rias Khan: “Ich mache hier eine Ausbildung, aber ich habe einen Abschiebebescheid bekommen, deshalb weiß ich noch nicht, ob ich hierbleiben kann oder nicht.”

Seine Kollegen unterstützen Rias, ebenso wie seine Chefin, Sonja Ziegltrum-Teubner: “Das konkrete Problem in der Ausbildung ist, dass es eigentlich einen Schutz vor Abschiebung gibt, die Drei-Plus-Zwei-Regel. Während der dreijährigen Ausbildungszeit wird eigentlich nicht abgeschoben und auch in den zwei auf die Ausbildung folgenden Jahren nicht. Das ist aber abhängig vom Herkunftsland. Und wenn das Herkunftsland nicht das richtige ist, dann haben sie Probleme vor Ort mit Behörden, die das genehmigen müssen.”

IHK fordert Stichtagsregelung

Zwischenstopp bei der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, hier wird ganz offensiv um Integration geworben unter dem Motto: Geflüchtete in Ausbildung und Arbeit bringen.

Im Herbst 2015, also bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der jüngsten “Flüchtlingskrise”, schlossen Politik und Wirtschaft einen sogenannten Integrationspakt. Sicher, um eine abschließende Bilanz zu ziehen, ist es viel zu früh. Doch IHK-Hauptgeschäftsführer Driessen hat trotzdem einige belastbare Daten parat: “2016 konnte ein Drittel der Flüchtlinge in Ausbildung oder Arbeit gebracht werden”, zieht Driessen eine Art allererste Zwischenbilanz. Darauf könne die bayerische Wirtschaft durchaus stolz sein, denn einfach sei das nicht gewesen. Eine volle Integration in den Arbeitsmarkt dauert aber länger, meint Driessen unter Verweis auf diverse Forschungsergebnisse, “mindestens sieben Jahre”.

Der IHK-Manager pflegt eine klare, emotionslose, fakten- und problemorientierte Sprache. Driessen konstatiert: “Die Integrationsbereitschaft ist bei denjenigen höher, die aus politischen Gründen nach Deutschland gekommen sind.” Bei Wirtschaftsflüchtlingen stelle man oft überzogene Erwartungen fest. Für alle Gruppen gelte: Die Komplexität und die hohen Anforderungen des deutschen Arbeitsmarktes würden völlig unterschätzt.

WERBUNG

Wenn man sich die Zahl der Abbrecherquoten (im Bereich Ausbildung und Lehre) aber auch andere Faktoren ansehe, dann stelle man fest, dass insbesondere Geflüchtete aus asiatischen Herkunftsländern schneller auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuss fassten als Migranten aus Afrika. Auch bei Iranern gebe es häufiger Probleme. Bei Syrern sei die Bilanz gemischt.

Doch sehr häufig bekommt die IHK positive Rückmeldungen aus den bayerischen Betrieben, die Motivation der ausländischen Azubis sei oft sehr hoch – und insgesamt sei die Quote der Abbrecher im Vergleich zu den deutschen Azubis sogar niedriger. Die mündlichen Prüfungen seien in der Regel machbar. “Die Stunde der Wahrheit schlägt in der schriftlichen Prüfung”, so Driessen, denn manche Fragen seien oft kompliziert formuliert. Man arbeite derzeit daran, die Prüfungstexte zu vereinfachen und Wege zu finden, die Prüfungszeiten zu verlängern.

Die gelegentlich vorgetragene Forderung, die theoretischen Prüfungen in der jeweiligen Muttersprache der Geflüchteten abzunehmen, lehnt IHK-Manager Driessen hingegen strikt ab, “das wäre integrationsfeindlich”. Der Kunde spreche ja ebenfalls Deutsch, “also muss ich auch erwarten, dass sich der künftige Arbeiter mit dem Kunden auf Deutsch verständigen kann”.

“Wirtschaft, Politik und Gesellschaft haben die große Zahl der Flüchtlinge sowohl als Bedrohung als auch als Chance gesehen”, erinnert sich Peter Driessen an die Situation 2015. Und was ist daraus geworden? “Wir haben in den vergangenen eineinhalb Jahren etwa 180.000 Flüchtlinge nach Bayern bekommen. 2016 nahmen 80.000 dieser Geflüchteten ein Praktikum, eine Arbeit oder sogar ein echtes Ausbildungsverhältnis auf”, so Driessen.

In Bayern werden derzeit etwa 3500 Flüchtlinge in Betrieben ausgebildet, die von der “IHK”: https://www.ihk-muenchen.de/ihk/documents/Projektmanagement/Leitfaden-Fl%C3%BCchtlinge-in-Ausbildung-und-Arbeit.pdf betreut werden. Hinzu kommen 1500 Azubis und Lehrlinge in bayerischen Handwerksbetrieben. IHK-Hauptgeschäftsführer Driessen: “5000 Flüchtlinge in Ausbildung, das ist eine herausragende Leistung und die Ausbildungsbetriebe sind in der Summe sehr zufrieden.”

WERBUNG

Die größten Probleme? Spracherwerb und Bürokratie, meint Peter Driessen. “Was die Betriebe nach wie vor nervt, ist der sehr komplizierte Umgang mit den Behörden, insbesondere mit den Ausländerämtern, da haben wir Licht und Schatten… und ein echtes Verbesserungspotential.” Offenbar werden Regeln von Landratsamt zu Landratsamt, von Ausländerbehörde zu Ausländerbehörde, von Regierungsbezirk zu Regierungsbezirk sehr unterschiedlich ausgelegt.

Das gelte insbesondere für die sogenannte 3-plus-2-Regel, die auf Initiative der IHK im Bundesintegrationsgesetz durchgesetzt worden sei. “Drei Jahre während der Ausbildung gilt ein Abschiebeschutz und auch zwei Jahre danach, damit die Kenntnisse im Beruf vertieft werden können”, erklärt Driessen. Im Prinzip laufe das gut. Allerdings gebe es offene Fragen: Gelte die Regel nur bei dualer Ausbildung? Oder auch bei Fachschulen? “Vor dem Hintergrund des großen Fachkräftemangels und der Bereitschaft der Wirtschaft, einen eigenen Beitrag zur Integration zu leisten indem über Ausbildung die Integration gefördert wird, wünschen wir uns eine vereinheitlichte Auslegung durch die Ausländerbehörden”, kritisiert Driessen.

Peter Driessens Wunsch an die künftige Bundesregierung:

“Führt einen Stichtag ein! Alle Flüchtlinge, die vor diesem Datum da waren, im Frühjahr 2016 oder zum Jahreswechsel 2015/16, da sollte es ein erleichtertes Verfahren geben, damit man aus diesen komplizierten bürokratischen Dingen herauskommt.”

Welche Positionen beziehen die Parteien in der Flüchtlingspolitik?

Wenn man versucht, die Vorschläge der politischen Parteien in zwölf Sekunden zusammenzufassen, dann könnte dabei folgender Telegrammtext herauskommen: Die AfD ruft ‘Grenzen zu’. Die Linke sagt ‘Grenzen auf’. Die SPD will einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen. Die CSU fordert eine jährliche Obergrenze für Flüchtlinge (200.000). FDP und CDU lehnen das hingegen ab. Die Grünen betonen: Fluchtursachen bekämpfen.

WERBUNG

Doch schauen wir uns die Programme einmal etwas genauer an. Dabei stellt sich heraus, dass dem Wähler durchaus ausdifferenzierte und im Detail sehr unterschiedliche Politikoptionen angeboten werden.

AfD: Grenzen schließen

Die AfD fordert die Schließung der Grenzen, eine jährliche Mindestabschiebequote und die Abschaffung des Familiennachzugs. Sie will die ungeregelte Zuwanderung stoppen und das Grundgesetz in der Frage des Asylrechts ändern. Nur qualifizierte Einwanderer sollen entsprechend dem Bedarf der Bundesrepublik ins Land gelassen werden.

Wahlprogramm der AfD

Die Linke: EU-Grenzen müssen offen bleiben

Die Linke will die EU-Grenzen offen halten und macht sich für sichere und legale Fluchtwege nach Europa stark. Sie will Regelungen zu sicheren Herkunfts- und Drittstaaten abschaffen und ebenso die Residenzpflicht, Wohnsitzauflagen und die Unterbringung Asylsuchender in Sammellagern. Abschiebungen lehnt sie ab.

Wahlprogramm der Linken

WERBUNG

SPD: Europas Außengrenzen schützen

Wie die Linke setzt sich die SPD dafür ein, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Europas Außengrenzen sollen geschützt, Asylverfahren beschleunigt und anerkannte Flüchtlinge integriert werden. Abgelehnte Flüchtlinge sollen jedoch konsequent in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Ein Einwanderungsgesezt soll regeln, wen Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen aufnimmt. Wer zwei Jahre in der Bundesrepublik gelebt hat, Arbeit hat oder zur Schule geht und nicht straffällig geworden ist, soll bleiben dürfen.

Wahlprogramm der SPD

FDP: Schutz für Verfolgte, Abschiebung für Abgelehnte

Die FDP lehnt Obergrenzen für Flüchtlinge ab und will Kriegsflüchtlingen für die Dauer des Krieges Schutz gewähren. Um lebensgefährliche Flucht zu vermeiden, sollen Asylanträge im Ausland gestellt werden können. Bei sicheren Herkunftsländern sollen Hotspots schnelle Entscheidungen ermöglichen. Menschen ohne Bleiberecht sollen schnell abgeschoben werden. Ein Einwanderungsgesetz soll über ein Punktesystem festlegen, werden nach Deutschland kommen darf, um den Bedarf an Fachkräften zu decken.

Wahlprogramm der FPD

CSU: Obergrenzen für Flüchtlinge

Anders als die CDU fordert die CSU eine verbindliche Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr. Notfalls soll diese mit Transitzentren im Grenzbereich eingehalten werden.
Familiennachzug will sie nur anerkannten Asylbewerbern gewähren.

WERBUNG

Wahlprogramm der CSU

CDU: Rücknahmeabkommen

CDU und CSU sprechen sich für Abkommen mit afrikanischen Ländern ähnlich dem EU-Türkeiabkommen aus. Die CDU will Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern erklären, um die Asylbewerberzahl zu senken. Sie will abgelehnte Flüchtlinge verstärkt zurückschicken oder abschieben. Deutsch zu lernen sieht sie als Voraussetzung für diejenigen, die in Deutschland leben wollen.

Wahlprogramm der CDU

Die Grünen: Fluchtursachen bekämpfen

Für die Grünen steht im Vordergrund, die Fluchtursachen wie Krieg, Vertreibung, Gewalt und Folgen des Klimawandels zu bekämpfen. Sie setzen sich für die Schaffung sicherer und legaler Fluchtwege ein. Eine Verschärfung des Asylrechts lehnen sie ab. Für eine bessere Integration fordern sie eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen, bessere Sprachförderung und mehr Teilhabe der Migranten. Die Grünen lehnen die Abschiebung in Krisen- und Konfliktgebiete, darunter auch Afghanistan, ab.

Wahlprogramm der Grünen

WERBUNG

Flüchtlingspolitik jetzt doch heißes Wahlkampfthema

Zunächst hatten die meisten politischen Parteien versucht, das “heiße Eisen” Flüchtlingspolitik aus dem Wahlkampf so weit wie möglich herauszuhalten – oder doch zumindest zu vermeiden, dass es eines der beherrschenden Wahlkampfthemen wird. Die Wochen vor der Wahl haben gezeigt, dass dies nicht gelungen ist. SPD-Kandidat Martin Schulz rückte mit einem Frontalangriff auf Angela Merkels Flüchtlingspolitik im Herbst 2015 erneut in das Zentrum der politischen Auseinandersetzung: Merkel habe mit der damaligen Öffnung der Grenzen ohne Absprache mit EU-Partnern gehandelt, so einer der Hauptangriffspunkte.

Werden die Wähler Angela Merkel abstrafen für ihre Flüchtlingspolitik? Oder doch nicht? Das Ergebnis dieser Wahl wird spannend.

Germany: are refugees still welcome?

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Weimarer Dreieck: Scholz, Macron und Tusk wollen Ukrainehilfen beschleunigen

Nach Anschlag und Protesten: Die Musk-Show in der Tesla-Gigafactory in Brandenburg

Erste Ramadan Beleuchtung Deutschlands in Frankfurt sorgt für Diskussionen