Keine 2.100 m mehr: Schwedens höchster Gipfel schmilzt weg

Keine 2.100 m mehr: Schwedens höchster Gipfel schmilzt weg
Copyright 
Von Euronews mit dpa
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
Den Link zum Einbetten des Videos kopierenCopy to clipboardCopied

Die höchste Erhebung Schwedens hat ihren Status verloren. Wegen des Klimawandels ist auf dem Gletscher Kebnekaise das Eis geschmolzen. Der Berg hat aber noch eine zweite Chance.

WERBUNG

Schwedens höchster Gipfel hat wahrscheinlich seinen Status verloren. Der Kebnekaise-Gletscher, gelegen im Polarkreis im Norden, war bisher mit knapp 2100 Metern die höchste Erhebung des Landes. Jetzt ist so viel Schnee geschmolzen, dass die Südspitze ein paar Zentimeter kleiner ist als die Nordspitze. Die ist nicht aus Eis, sondern aus Stein.

"Wir sehen diesen Trend seit Jahren. Der Gipfel ist in den vergangenen 20 Jahren um einen Meter pro Jahr geschmolzen", sagt die Geographin Gunhild Rosqvist von der Uni Stockholm. Zwar habe sie aufgrund des warmen Wetters eine Schmelze erwartet, das Ausmaß habe sie aber überrascht. "Es geht nicht nur um Schnee und Eis, das schmilzt", so Rosqvist, "die Ökosysteme in den Bergen, die Menschen, die davon abhängig sind, die indigenen Rentierzüchter, alle haben Probleme."

Die Klimaerwärmung stört das empfindliche Ökosystem in den Bergen. Erst vor wenigen Monaten haben Wissenschaftler der Unis Bremen und Innsbruck berechnet, dass auch bei Einhaltung aller Klimaabkommen ein Drittel des weltweiten Gletschereises verloren geht. Allerdings weisen andere Glaziologen darauf hin, dass Gletscher in verschiedenen Regionen unterschiedlich auf die Erwärmung reagieren.

Klimawandel und Gletscher: schwer vorherzusagen

Ob man daran glaubt oder nicht: Jeder weiß um den Klimawandel. Warum sind Wissenschaftler von der Entwicklung der Gletscher dann doch immer wieder überrascht? Der Geograph und Glaziologe Tobias Bolch von der Uni Zürich im Gespräch mit Euronews.

Euronews: Die Forscherin Gunhild Rosqvist zeigt sich vom Ausmaß der Schmelze überrascht. Dabei gibt es doch klare Faktoren wie die Eismasse eines Gletschers und die Temperatur. Warum ist es generell nicht leicht, die Gletscherschmelze vorherzusagen?

Bolch: Es ist nicht so schwer vorherzusagen, aber der Teufel liegt im Detail. Wenn es lange Warmperioden gibt und damit lange Schmelzperioden, dann hat man auch vermehrt Schmelzwasser, das dann in tiefere Schneeschichten eindringt. Das Wasser schmilzt den Schnee an, er wird feuchter. Das kennt man auch von uns im Winter, dass der Schnee dann ziemlich schnell zusammensackt. Und das ist nicht einfach vorherzusagen.
Außerdem fließt ein Gletscher. Wenn es also sehr stark taut, dringt Wasser unter das Gletschereis. Dann fließt der Gletscher schneller, es kommt mehr Eis von oben nach und der Gletscher verliert an Höhe. Man kann das Fließen des Eises gut simulieren. Von diesem subglazialen Gleiten fehlen aber Daten, weil die Messung sehr schwierig ist.

Kann sich ein Gletscher in einem langen Winter wieder erholen?

Der Zugewinn an Schnee im Winter hängt vom Niederschlag und der Region ab. Ich kann das am Beispiel Säntis in der Schweiz verdeutlichen: In den letzten Jahren hat es durchschnittlich nur noch vier Meter Schneehöhe gegeben. Im letzten Winter hat es aber wieder einmal sechs Meter geschneit. Der Gletscher kann sich also schon wieder erholen. Deutlich wichtiger für die Gesundheit des Gletschers sind aber die Sommertemperaturen. Obwohl es viel geschneit hat, haben wir durch den derzeitigen heißen Sommer eine negative Bilanz der Alpengletscher.

In welchen Regionen sind Gletscher besonders vom Klimawandel betroffen?

In den Alpen, im nördlichen Hochasien oder südwestlichen Himalaya sind die Gletscher vergleichsweise klein und liegen im Vergleich zur durchschnittlichen Höhe der Schneegrenze niedrig. Sie können einen heißen Sommer weniger gut ausgleichen, weil es im Winter wenig festen Niederschlag, also Schnee, gibt.
In Hochasien gibt es drei Regionen, die relativ stabil sind. Stichwort: Karakorum-Anomalie. Dort haben die Gletscher in den letzten vier Dekaden kaum an Masse verloren. Man weiß die Gründe nicht hundertprozentig, aber die Gletscher haben hochliegende Akkumulationsgebiete, wo sie Neuschnee ansammeln. Insbesondere haben in der Region die Westwinde und damit die winterlichen Schneeniederschläge zugenommen. Gleichzeitig ist es im Sommer eher kühler geworden, sodass die Schneeschmelze kaum gestiegen ist.
Eine andere Studie zeigt, dass im westlichen Kunlun Shan in Tibet die Bewässerung in der Landwirtschaft gestiegen ist. Das heißt, die Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Es ist wahrscheinlich, dass die höhere Niederschlagsmenge dazu beiträgt, dass es den Gletschern bessergeht.

Interview: pha

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Schweizer Gletscher schmelzen im Rekordtempo

VIDEO | Touristen müssen fliehen: Teile eines isländischen Gletschers verursachen große Welle

Dürre: Island exportiert Heu nach Norwegen