Juan Guaidó im Interview: "Der Erfolg unserer Bewegung ist garantiert"

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Juan Guaidó ist den vergangenen Wochen ist er zur Verkörperung eines neuen Versuchs geworden, Nicolas Maduro zu stürzen. Aber kann der 35-jährige ehemalige Studentenführer das schaffen? euronews hat den selbsternannten venezolanischen Übergangspräsidenten getroffen.

In Venezuela ist Oppositionsführer Juan Guaidó eine Art Nationalheld geworden, auch wenn ihn noch vor einem Monat kaum jemand kannte.  In den vergangenen Wochen ist er zur Verkörperung eines neuen Versuchs geworden, Nicolas Maduro zu stürzen. Aber kann der 35-jährige ehemalige Studentenführer das schaffen? euronews hat Guaidó getroffen, um über die unsichere Zukunft Venezuelas und seine bewegte Gegenwart zu sprechen.

Anelise Borges, euronews:

Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie mit euronews sprechen. Nicolás Maduro hat mir gesagt, dass ihre politische Bewegung, ihr politischer Moment, den er als Staatsstreich gegen ihn bezeichnet, gescheitert ist. Was sagen Sie dazu?

Juan Guaidó:

Nun, Venezuela hat Jahre damit verbracht, eine Mehrheit zu bilden, eine Bewegung, die Einheit schaffen soll. Heute wollen 90 Prozent des Landes raus aus der Krise. Einer Krise, die von jemandem ausgelöst wurde, der heute im Präsidentenpalast Miraflores sitzt. Eine nie dagewesene humanitäre Krise. 3.300.000 Venezolaner, 15 Prozent der Bevölkerung, waren gezwungen auszuwandern. Das venezolanische Bruttoinlandsprodukt ist um 53 Punkte gesunken. Im vergangenen Jahr lag die Inflation bei zwei Millionen Prozent. Ein Staatsstreich ist eine schwierige Sache für einen zivilen Anführer. So etwas macht das Militär. Wenn es ein Staatsstreich wäre, warum laufe ich dann noch frei herum und gebe Interviews, mobilisiere die Menschen, autorisiere die Einfuhr humanitärer Hilfe, benenne Botschafter in aller Welt. Ich weiß ja nicht, aber es sieht so aus, als ob derjenige, der in Miraflores sitzt und Funktionen ausübt, sehr realitätsfern ist. Es gibt große Demonstrationen, wie die vom 12. Februar an 60 Orten im ganzen Land, die für Venezuela beispiellos war. Es gibt Freiwillige, die ins Land kommen möchten, um humanitäre Hilfe zu leisten. Es scheint so, als habe Maduro absolut keine Ahnung von dem, was in Venezuela passiert und das ist alarmierend, denn die Bürger sind diejenigen, die dafür zahlen.

euronews:

Die Krise, dieser politische Stillstandt mit zwei Präsidenten, hält länger an, als viele Beobachter dachten. Befürchten Sie, dass ihre Bewegung an Unterstützung und Fahrt verliert?

Guaidó:

Venezuela hat einen legitimen Präsidenten. Leider gab es 2018 in Venezuela eine Wahl, die uns in diese Situation gebracht hat. Artikel 233 unserer Verfassung befähigt mich dazu, Übergangspräsident zu sein und wirklich freie Wahlen in Venezuela zu organisieren. Wir sehen, dass Maduro immer mehr isoliert und abgeschottet wird, ohne die Möglichkeit zu mobilisieren. Seine treue Basis bröckelt zunehmend. Zum Beispiel Luisa Ortega Diaz, die von Chavez als Generalsstaatsanwältin eingesetzt wurde, lebt jetzt im Exil. Maduro behält Miguel Rodriguez im Gefängnis. Täglich werden Bilder des Chavismo heruntergerissen. Der Erfolg unserer Bewegung ist also garantiert. Jeden Tag gewinnen wir mehr Unterstützer. Das sieht man an der internationalen Hilfe, Anerkennung, an Legitimität, daran, dass wir mehr und mehr Auftrieb bekommen. Von Gewerkschaften, jungen Menschen, Studenten, Ehrenamtlichen. Die Zukunft Venezuelas ist also sicher. Aktuell müssen wir mit der schwierigen Lage umgehen. Damit, dass Menschen an Hunger sterben, dass diejenigen, die heute zum Regime gehören, bestreiten, dass es eine zumindest in dieser Hemisphäre nie dagewesene humanitäre Krise gibt. Die gute Nachricht ist, dass die Zukunft Venezuelas heute gesichert ist und dass Maduro mehr und mehr isoliert ist.

**euronews:
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Sie sprechen von einer Bewegung, die mehr und mehr Unterstützung bekommt. Aber diese Unterstützung ist wertlos, wenn Sie nicht das Militär auf Ihrer Seite haben. Verhandeln Sie derzeit mit der venezolanischen Armee?

Guaidó:

Wir sprechen mit allen öffentlich Beschäftigten, Zivilisten und Soldaten, die gewillt sind, drei Ziele zu unterstützen, die uns zu einem besseren Venezuela führen: ein Ende der widerrechtlichen Machtausübung, eine Übergangsregierung und freie Wahlen. Jedem Arbeiter, der bereit ist, sich daran zu beteiligen, werden Amnestie und Garantien gewährt und das ist Teil dessen, was das Militär heute befürchtet. Natürlich reden wir mit öffentlich Beschäftigten auf jedem Niveau und ich betone: mit Zivilisten und Nicht-Zivilisten.

euronews:

Was erzählt Ihnen die Armee?

Guaidó:

Das haben Sie ja gesehen. 27 Soldaten haben vor drei Wochen in Cotiza ihre Unzufriedenheit ausgedrückt. Heute werden sie gefoltert. Ein General der Luftwaffe hat seine Unterstützung für uns erklärt. Wir bekommen jeden Tag Nachrichten und Anrufe, aber das Militär wird besonders hart verfolgt und gefoltert. Heute gibt es in Venezuela 350 politische Gefangene, 160 militärische Gefangene. Sie und ihre Familien werden gefoltert und verfolgt. Venezuela ist heute immer noch eine Diktatur. Deswegen gibt es keine zwei Präsidenten. Es gibt einen grausamen Diktator und wir üben Funktionen aus, um freie Wahlen zu erreichen. Das ist das verfassungsmäßige Mandat, das ich habe. Es ist wichtig, dass die Welt das weiß. Für einen friedlichen Übergang sind Gespräche mit dem Militär unabdingbar. Das ist es, was die Venezolaner wollen.

euronews:

Was sind Ihre kurzfristigen Pläne? Was ist ihr Ihr nächster Schritt?

Guaidó:

Am Wichtigsten ist es, am 23. Februar humanitäre Hilfe ins Land zu lassen. Das hilft uns, die Not zu lindern. Damit können wir auch testen, auf welcher Seite die Armee steht: auf der Seite der Bürger, der Verfassung oder auf der Seite eines widerrechtlichen Machthabers, der sogar das Militär hungern lässt. Sie können nicht von ihrem Gehalt leben. Der Mindestlohn in Venezuela liegt heute bei sechs Dollar im Monat. Niemand kann von sechs Dollar im Monat leben, sie können kaum überleben. Niemand ist damit zufrieden, sei es Soldat, Zivilist, Krankenpfleger oder jemand aus dem Transportsektor. Deswegen ist die Situation in Venezuela sehr angespannt. Denn eine kleine Gruppe hat die Oberhand über einen Teil der Waffen der Republik und die staatliche Verwaltung und treibt damit jeden Tag die Kosten für einen Wiederaufbau in die Höhe: den Wiederaufbau der Ölindustrie, die Wiederherstellung eines Rechtsstaats, von Meinungsfreiheit und kurzfristig wirklich freien Wahlen. Aber der Kampfschauplatz wird vom Unterdrücker bestimmt und wir haben im jahrelangen Kampf viel geopfert. Im Kampf für eine Wählermehrheit, einer Mehrheit, die von der Straße kommt. Und wir werden alles tun, um diese Diktatur zu beenden.

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Sie haben den Mindestlohn in Venezuela angesprochen. In Ihren Reden sprechen sie viel über die Krise. Sie sagen, Sie verständen die Krise, Sie hätten sie erlebt. Viele Menschen sagen, die Politiker in Venezuela seien abgehoben. Ich habe Nicolás Maduro gefragt, was er denkt, was man mit zweitausend Bolivar kaufen könne. Er wollte oder konnte mir nicht antworten. Wissen Sie, was man für zweitausend Bolivar bekommt?

Guaidó:

Man bekommt zum Beispiel keinen Kaffee mit Milch. In Venezuela kann man kein Kilo Käse kaufen. Manchmal findet man so etwas einfach nicht. Man kann keine Antiobiotika kaufen. Mit zweitausend Bolivar kann man noch nicht einmal einen Dollar kaufen. Also kann man sich ausrechnen, was man in Spanien oder Frankreich kaufen kann. Hier ist es noch schlimmer, denn unsere Wirtschaft orientiert sich am Dollar. Bei einer Inflation von zwei Millionen Prozent, versuchen die Menschen ihr Gehalt zu schützen und Händler und Unternehmer gleichen ihre Kosten an den Dollar an. Also, was kann ich mit zweitausend Bolivar kaufen... Noch nicht einmal einen Kaffee mit Milch, einen kleinen Kaffee mit Milch, dabei ist das Teil der venezolanischen Kultur, morgens einen Kaffee trinken, das mit jemandem zu teilen. Das geht heute in Venezuela nicht mehr.

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Die Lage ist sehr schwierig. Einige sagen, es war noch nie so schlimm. Einige Ihrer Verbündeten haben Ihnen zugesagt, Sie auf Ihrem Weg zu unterstützen und alle Optionen liegen auf dem Tisch, sogar eine Militärintervention. Es könnte ein Blutbad, ein Massaker geben. Würden Sie das immer noch unterstützen?

Guaidó:

In Venezuela gibt es heute schon ein Blutbad. Caracas, wo wir hier gerade sprechen, ist die Hauptstadt mit der weltweit meisten Gewalt. Die zweitgewälttätigste Stadt ist Valencia, zwei Stunden entfernt und die fünftgewalttätigste Stadt ist Puerto Ordaz, fünf Stunden entfernt. Wir haben schon ein Blutbad. Venezuela ist heute das Land mit der weltweit meisten Gewalt. Die FAES, die Spezialeinheit der Polizei und des Militärs, mordet kaltblütig, sucht Demonstranten zu Hause auf und tötet sie, 70 in einer Woche. 2017 wurden 150 Menschen ermordet. Ich verstehe, dass sie sagen, dass es einen Bürgerkrieg geben könnte. Aber in Venezuela wird es keinen Bürgerkrieg geben, denn niemand wird für Maduro ein Risiko eingehen. Niemand ist bereit, für jemanden ein Risiko einzugehen, der keine politische Zukunft hat, der von der Welt nicht anerkannt wird, der nicht einmal den Respekt seiner Untergebenen hat. Jemanden, der die Hierarchiekette durchbrochen hat, als er sich auf eine Position gesetzt hat, die ihm nicht entspricht. Maduro hat Angst vor einer Militärintervention, deswegen veranstaltet er Militärübungen und zeigt sich mit den Truppen. Wir umgeben uns mit Ehrenamtlichen, sind friedvoll, tragen weiß.

Es wird keinen Bürgerkrieg in Venezuela geben, denn wir befinden uns bereits in einem und niemand wird bereit sein, Risiken für jemanden zu übernehmen, der keine Prinzipien hat und nur darauf aus ist, seine Haut zu retten und nicht die seiner Bürger.

Zu sagen, dass es ein Land gibt, dass intervenieren will und Venezuelas Ressourcen ausbeuten will, ist völlig ignorant. Die USA sind historisch unser wichtigster Abnehmer. Sogar Chavez und Maduro haben mit den USA zusammengearbeitet. Unser zweitwichtigster Abnehmer ist Indien. Wir handeln bereits mit den Vereinigten Staaten. Maduro tut das!

euronews:

Ihr wichtigster Exportabnehmer und einer Ihrer wichtigsten Verbündeten ist US-Präsident Donald Trump. Er hat sie angerufen. Was hatte er zu sagen?

Guaidó:

Präsident Trump hat mich angerufen, aber auch Kolumbiens Präsident Duque und Chiles Präsident Sebastián Pinera. Ich habe auch mit dem französischen Präsidenten gesprochen. Mit Trump habe ich unter anderem über Unterstützung für Demokratie, für unsere Verfassung gesprochen. Darüber, wie wir die Venezolaner in einer würdigen und souveränen Art und Weise führen können. In den drei Wochen, die ich diesen Job mache, haben wir bereits die Unterstützung von fast 60 Ländern bekommen. Das gibt Venezuela viele Möglichkeiten und Ressourcen und die Fähigkeit, unsere Wirtschaft bald wieder in Schwung zu bringen.

euronews:

Wie wichtig war diese internationale Unterstützung für Sie?

Guaidó:

Unentbehrlich. So unentbehrlich wie die Unterstützung unserer Anhänger. Wir leben in einer globalisierten Welt. Unser wichtigster Ölkunde sind die USA. Dann Indien, Russland und China - mit denen wir jeweils verschiedene Abkommen haben. Diese Beziehungen sind wichtig für die Zukunft meines Landes, für jedes Land. Wir brauchen die Unterstützung und das Vertrauen, das wir aufgebaut haben. Vor ein paar Tagen haben wir humanitäre Hilfe im Wert von 110 Millionen Dollar von 30 Staaten erhalten. Das Regime kann das nicht leisten, denn ihm fehlt etwas, das für jede Gesellschaft unentbehrlich ist und das ist Vertrauen.

euronews:

Nicolás Maduro hat immer noch wichtige Freunde auf der Welt. Zum Beispiel China und Russland. Sprechen Sie mit diesen Ländern? Was haben sie zu sagen?

Guaidó:

Wir möchten mit allen reden. Russland und China haben viel in die venezolanische Ölindustrie investiert und auch in Bauvorhaben, die die chinesische Regierung durch ihre Entwicklungsbank fördert. Fast 90 Prozent dieser Bauprojekte stehen still: Züge, Fabriken, Zuckerfabriken. Wir sprechen über viele Milliarden Dollar, die eingefroren sind. Die Ölproduktion in Venezuela ist von 3,5 Millionen Barrel pro Tag auf eine Million geschrumpft. Wenn man es pragmatisch, logisch, von einem wirtschaftlichen, finanziellen Standpunkt aus betrachtet: Ist es gut für Russland, dass ein Land, das ein Geschäftspartner ist, von drei Millionen auf eine Million heruntergeht? Ich denke, die Antwort ist klar. Ist es gut für China, dass 90 Prozent seiner Investitionen in Bauprojekte still stehen? Ich denke, die Antwort ist klar. Genau, wie es für Venezolaner klar ist, dass es mit Maduro nichts zu essen gibt, keine Demokratie, kein Vertrauen, keine Kredite, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

euronews:

Aber haben diese Anführer angerufen? Haben Sie mit jemandem über einen möglichen Haltungswechsel gegenüber Maduro sprechen können?

Guaidó:

Wir sorgen dafür, dass sie die Botschaft bekommen.

euronews:

Nicolás Maduro steht unter hohem Druck, nie dagewesenem internationalen Druck. Aber ihre Lage ist auch nicht einfach. Das höchste Gericht in Venezuela hat ein Ausreiseverbot gegen Sie verhängt und ihre Bankkonten eingefroren. Sie sagen, dass Ihre Familie unter Druck gesetzt und eingeschüchtert wird. Haben Sie Angst, dass Ihnen oder Ihrer Familie etwas passieren könnte?

Guaidó:

In Venezuela kann es lebensgefährlich sein, Politik zu machen oder in der Opposition zu sein. Das ist Fernando Albán passiert, der vom Geheimdienst Sebin ermordet wurde. Er war ein Politiker in Caracas. Es kann einen auch die Freiheit kosten, wie im Fall von Leopoldo López, der seit über fünf Jahren im Gefängnis sitzt oder Juan Requesens, ein Politiker, der entführt wurde. Es kann das Exil bedeuten, wie zum Beispiel im Fall von Carlos Veccio, José Manuel Olivares oder Gabi Arellano. Es kann bedeuten, dass man Asyl suchen muss, wie Freddy Guevara. Natürlich gibt es ein Risiko, wenn man in Venezuela Politiker ist.

Die Gewerkschaften werden genauso wie ich juristisch verfolgt. Rubén Gonzalez, ein wichtiger Gewerkschaftler, sitzt im Gefängnis. Das ist schon komisch, denn wir haben eine angeblich linke Regierung, die Gewerkschaftsanführer einsperrt. Das ist ein großer Widerspruch dieses Regimes.

Ich habe keine Angst, meine Freiheit oder mein Leben zu verlieren. Wir haben unser Leben in den Dienste der Öffentlichkeit gestellt und wir kennen die Risiken, denen wir uns aussetzen. Unsere einzige Angst im Moment ist, dass das, was in Venezuela gerade passiert, normal wird. Dass Kinder im Krankenhaus an Mangelernährung oder Dehydrierung sterben. Dass man im Krankenhaus keine Antibiotika bekommt. Etwas so grundlegendes wie Antibiotika. Es passieren schlimme Dinge. Einem unserer Aktivisten zum Beispiel. Er hatte eine Kugel im Oberschenkel und hat sein Bein verloren, weil es im Krankenhaus keinen Alkohol gab. Darüber machen wir uns Sorgen. Dass unsere Kinder mit dem Traum aufwachsen, ihr Land zu verlassen, weil es dort, wo sie geboren wurden, keine Möglichkeiten für sie gibt. Deswegen hören wir nicht auf, auch wenn wir bedroht werden.

euronews:

Ich möchte mit Ihnen über das Thema Öl sprechen, was so gut wie die einzige harte Währung für Venezuela ist. Sie haben ein paar neue Direktoren für die Erdölunternehmen PDVSA und CITGO ernannt. Wie genau soll das funktioneren? Diese Unternehmen haben bereits Direktoren. Ihre Ankündigung hat gesetzliche und finanzielle Auswirkungen.

Guaidó:

Zuerst zu den gesetzlichen Auswirkungen. Zunächst haben wir ein Adhoc-Kommittee für PDVSA ernannt, den Besitzer der CITGO Holding. Wir haben dieses Direktoren-Kommittee ernannt, um über das Vermögen bestimmen zu können. Wenn man sich zum Übergangspräsidenten ernennt, muss man auch entsprechend handeln. Wir haben es mit venezolanischen und mit US-Gesetzen zu tun und wir sind dabei, die Kontrolle über die Unternehmensführung zu erlangen. CITGO ist eine Raffinerie in den Vereinigten Staaten, die Schweröl verarbeitet, ein Rohstoff, den Venezuela hat. Deswegen war dies für unser Land jahrelang ein strategisch wichtiges Geschäft. Und deswegen sind die Vereinigten Staaten unter anderem auch unser wichtigster Ölabnehmer. Um ein Endprodukt zu erhalten, muss das Schweröl an Raffinerien verkauft werden, die es verarbeiten können. Das passiert vor allem in den USA, China und Indien. In den kommenden Tagen werden wir die Kontrolle über CITGO übernehmen und weiter normal arbeiten. Denn wegen der von 3,5 auf eine Million Barrel pro Tag reduzierten Ölproduktion in Venezuela schicken wir nur 100.000 statt 700.000 Barrel pro Tag zur Verarbeitung an die Raffinerie. Es wird einen geräuschlosen Übergang geben. Dasselbe werden wir tun, wenn wir die Kontrolle über PDVSA erlangen. Das Unternehmen wurde zerstört. Es war der drittgrößte Ölproduzent der Welt. Heute ist es wegen des katastrophalen Managements komplett verschuldet und zusammengebrochen und wurde zerlegt.

euronews:

Sie verlangen Wahlen und Sie haben viel über die Bedeutung freier Wahlen hier in diesem Land gesprochen. Werden Sie kandidieren? Wollen Sie vom Übergangspräsidenten zum Präsidenten Venezuelas werden?

Guaidó:

Im Moment ist es meine Aufgabe, alle Bereiche zu koordinieren und einen sehr komplexen und bisher nicht dagewesenen Prozess anzuleiten. Wir stehen einer Diktatur gegenüber, Verfolgung, politischen Morden, einer dramatischen sozialen Krise. Die Frage, wer unser Kandidat sein wird, denn wir werden für alle Bereiche nur einen einzigen Kandidaten haben, klären wir, wenn die gesetzwidrige Machtergreifung beendet wurde und wir alle Sektoren zusammengebracht haben. Jetzt über eine Kandidatur zu sprechen, würde uns auseinandertreiben und das möchte derzeit niemand in Venezuela.

euronews:

Was steht Venezuela bevor?

Guaidó:

Glück, Hoffnung, dass sich unsere Industrie erholt, so dass wir Jobs schaffen und wieder das Land werden können, das wir immer waren - ein Land mit offenen Armen. Wir sind das Land mit der zweitgrößten italienischen Gemeinschaft. Hier leben Spanier, Kolumbianer. Wir waren immer ein Land, das viele Leute willkommen geheißen hat, weil es hier Möglichkeiten gab. Weil wir ein gutes Klima haben, Mineralreserven, Basisindustrien. Die Zukunft wird viele Möglichkeiten bieten, wenn wir den Rechtsstaat wiederhergestellt haben, so dass wir Investitionen aus aller Welt anziehen und ein freies Land werden.

euronews:

Herr Präsident, vielen Dank für dieses Gespräch.

Guaidó: Danke, gerne.

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