Arbeit ohne Ende: Bergamos Bestattungsunternehmen sind am Limit

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Copyright PIERO CRUCIATTI/AFP
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Von Julika HerzogLuca Santocchia
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Sie arbeiten seit fast einem Monat ohne Unterbrechung - und ohne Handschuhe oder Masken. Die Bestattungsunternehmer in der vom Coronavirus besonders betroffenen Region Bergamo sind am Limit.

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Sie arbeiten seit fast einem Monat ohne Unterbrechung - und ohne Handschuhe oder Masken. Keiner von ihnen wurde getestet, obwohl sie Dutzende von Familienmitgliedern und Freunden der Menschen getroffen haben, die an COVID-19 gestorben sind.

Die Eigentümer und Angestellten der Bestattungsunternehmen in der besondern betroffenen norditalienischen Provinz Bergamo sind erschöpft und drohen nun damit, ihre Arbeit einzustellen, wenn keine geeigneten Maßnahmen zu ihrem Schutz getroffen werden.

In der Provinz gibt es etwa 80 Bestattungsunternehmen. Eines der größten beschäftigt etwa vierzig Mitarbeiter. Bevor hier das Coronavirus ausbrach, hat es durchschnittlich 115 Beerdigungen pro Monat durchgeführt, aber alleine im März dieses Jahres waren es bereits mehr als 800.

Videoaufnahmen aus Bergamo haben die Welt erschüttert: Konvois von Armeelastwagen, die die Leichen der COVID-19-Opfern aus Bergamo abtransportieren, sind zu einem Symbol für das Drama geworden, das die Stadt erlebt. Inzwischen sind die Friedhöfe der Stadt voll, und auch vor den Krematorien stapeln sich die Särge.

Das Krematorium arbeitet zwar seit Wochen rund um die Uhr und trotzdem reicht es nicht aus. In Bergamo wird fast alle 30 Minuten eine Beerdigung abgehalten, die Warteliste für die Einäscherung ist derzeit drei Wochen lang. Für all die Toten ist seit Tagen kein Platz mehr. Deswegen transportiert nun das italienische Militär die Särge mit den Verstorben zu den Krematorien in andere Städte.

Massimo Paolone/AP
Leichen von Covid-19-Opfern werden in Bergamo auf Armeelastwagen aufgeladen.Massimo Paolone/AP

Das Gebiet von Bergamo ist eines der Gebiete mit den höchsten Fallzahlen in Italien, fast 6.500 erkannte Infizierte gibt es. Hier in der Gegend um die 120 000-Einwohner-Stadt bei Mailand liegt das Epizentrum der Krise des Coronavirus-Ausbruchs in Europa.

Antonio Ricciardi, von der LIA, einer Vereinigung von Bestattungsunternehmen in der Region Bergamo: "Es ist absolut unverantwortlich unter den gegenwärtigen Bedingungen weiter zu arbeiten. Wir betreten und verlassen Gesundheitseinrichtungen und Wohnungen von Menschen ohne jegliche Gesundheitskontrolle."

Viele kritisierten - allen voran Bürgermeister Giorgio Gori - dass die Behörden das Risiko von COVID-19 Anfangs unterschätzt haben.

Pietro Bonaldi, der Direktor der LIA, bestätigt dies: „Am Anfang war es noch erlaubt, den offenen Sarg zu transportieren. Der Sarg wurde zu den Häusern von Verwandten und in die Kirchen transportiert, damit Verwandte und Freunde von den Verstorbenen Abschied nehmen konnten. Doch dabei haben sich viele Menschen auf engstem Raum versammelt und so die weitere Verbreitung des Virus begünstigt.“

Neben Verwandten und Freunden haben daher möglicherweise auch Mitarbeiter des Bestattungsunternehmens zu dem exponentiellen Anstieg der Fallzahlen in der Provinz beigetragen.

LaPresse/ Claudio Furlan/ AP
Bergamo: Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens schieben einen Sarg. In der norditalienischen Stadt wird fast alle 30 Minuten eine Beerdigung abgehalten.LaPresse/ Claudio Furlan/ AP

Die Regelung für Beerdigungen wurden mittlerweile verschärft. Die Familien dürfen ihre Lieben im Krankenhaus nicht besuchen und sie beim Sterben nicht begleiten und auch konventionelle Trauerfeiern wie früher hat die Regierung verboten.

Den Leichnam aufbahren, zur Messe gehen, dann mit einem Trauerzug bis zum Friedhof ziehen- dies ist seit über drei Wochen nicht mehr möglich. Mitunter überwacht der Zivilschutz auf Friedhöfen, dass sich die zugelassenen engsten Angehörigen während der Beerdigung nicht zu nahe kommen oder gar umarmen.

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