Monatelanges Leiden: Patienten berichten von "chronischem COVID-19"

Genèvière wartet auf Tests im April und mit Sauerstoffmaske im Juni
Genèvière wartet auf Tests im April und mit Sauerstoffmaske im Juni Copyright Genevière Danesi
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Von Lauren Chadwick
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Kann #Covid19 zu einer chronischen Krankheit werden? euronews hat mit PatientInnen gesprochen, die sich oft missverstanden fühlen.

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Mehrere COVID-19-PatientInnen sagen, dass sie Wochen und Monate nach der ersten Ansteckung weiterhin unter den Symptomen des Virus leiden.

Die langanhaltenden Leiden unter COVID-19 gehören zum Rätsel des neuen Virus, das sich auf der ganzen Welt ausbreitet und mehr als 570.000 Menschen getötet hat.

Einige Überlebende suchen jetzt im Internet nach Hilfe bei anderen, die ähnliche Komplikationen aufgrund des Coronavirus haben. Sie fürchten, dass sie chronische Gesundheitsprobleme bekommen könnten.

"Wir fühlen uns völlig im Stich gelassen", sagt die 36-jährige Unternehmerin Genevieve Danesi aus Antibes in Südfrankreich, die erklärt, dass die Ärzte sie wiederholt nicht ernst genommen haben, als sie Hilfe für ihre Symptome suchte.

Erst einen Monat, nachdem die Symptome erstmals aufgetreten waren, kam sie für eine Computertomographie ins Krankenhaus. Die CT-Untersuchung zeigte, dass sie sehr wahrscheinlich COVID-19 hatte. Selbst einen Monat später hatte Genevière Danesi weiterhin Symptome, konnte nicht länger als fünf Minuten aufrecht stehen, sie litt unter Herzrasen und ihr wurde ständig schwindlig.

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Genèvieve Danesi mit SauerstoffzuvorPRIVAT

Vor der Pandemie war Genevière Danesi bei bester Gesundheit. Sie ging einmal im Jahr zum Arzt, war sehr aktiv, sie machte zweimal am Tag Sport, und sie raucht nicht.

Genevière Danesi berichtet, dass ihr immer wieder gesagt wurde, dass sie einfach nur zu Hause bleiben solle, weil sie jung sei und nicht sterben würde. Aber sie sagt, ihr Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert.

"Vom Anfang bis zum 70. Tag war es wie ein Jo-Jo mit Rückfällen und neuen Symptomen. Es war wie russisches Roulette jeden Morgen", seufzt Geneviève Danesi. Erst als ein Arzt ihr eine Sauerstoffbehandlung für zu Hause verordnet, Monate nachdem die ersten Symptome aufgetreten waren, beginnt sie sich besser zu fühlen.

Aber Genevière Danesi muss immer noch täglich Aspirin nehmen, um zu verhindern, dass ihre Ruheherzfrequenz auf 120 Schläge pro Minute ansteigt, sagt sie.

Eine in der vergangenen Woche in Italien veröffentlichte Studie zeigt auf, dass von 143 COVID-19-Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen wurden, mehr als 87% sagten, dass sie noch mindestens ein Symptom hatten, das nach negativen Tests anhielt, meist Müdigkeit und Kurzatmigkeit.

Die Studie plädiert für eine kontinuierliche Überwachung der Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, doch aufgrund der kleinen Studiengröße und des Fehlens einer Kontrollgruppe müssen weitere Untersuchungen abgewartet werden. Größere Studien zu PatientInnen mit anhaltenden Symptomen sind angelaufen.

'Chronisches COVID'

"Die Forschung zu verschiedenen Anzeichen von 'Chronischem COVID' oder 'Long-COVID' steht erst am Anfang", sagt Danny Altmann, Professor für Immunologie am Imperial College London.

"Die extrem vielfältigen Symptome können ganz unterschiedlich verlaufen", erklärt Altmann, "das bedeutet, dass selbst Menschen mit leichten Symptomen dauerhafte Gewebeschäden oder eine Immunreaktion haben könnten, die fast wie ein Syndrom abläuft."

"Was wir aber wissen, ist, dass es eine bestimmte Anzahl von Menschen gibt, die bei einigen mit schweren, bei anderen mit weniger schweren Formen an dem Virus erkranken und wochenlang Symptome haben", bestätigt Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran in einem Fernsehinterview.

Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock sagt gegenüber Sky News, er sei "besorgt darüber, dass es immer mehr Anzeichen dafür gibt, dass eine Minderheit von Menschen - aber eine bedeutende Minderheit - langfristige Auswirkungen hat und dass dies ziemlich behindernd sein kann".

Hancock fügt hinzu, dass die Regierung fast £10 Millionen (11,03 Millionen Euro) in die Erforschung langfristiger Auswirkungen investiert habe.

Der französische Gesundheitsminister Olivier Véran sagt, es gebe Forschungsarbeiten, die sich mit der Frage beschäftigten, ob eine dauerhafte "Entzündungsphase" des Virus diese Symptome erklären könne. Man suche nach Möglichkeiten, diesen Patienten zu helfen.

Aber im Moment gebe es nicht viele Antworten.

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Claudia UcedaPRIVAT

Claudia Uceda, eine 24-jährige Übersetzerin aus Paris, wurde nach ihrer Genesung vom Coronavirus mit mehreren Asthmaanfällen ins Krankenhaus eingeliefert.

Seit März hatte sie Atembeschwerden, wurde aber nicht ins Krankenhaus eingeliefert, obwohl ihre gesamte Familie sich mit dem Coronavirus infiziert hatte..

Ein Arzt untersuchte ihre Lungen erst nach der Ausgangssperre in Frankreich im Mai und stellte Läsionen fest, die von einer Lungenentzündung und verminderter Lungenkapazität ausgelöst werden.

"Es war schwer zu beweisen, dass ich wirklich krank war. Ich fühlte mich also nicht nur schlecht, sondern ich war auch irgendwie isoliert", sagt Claudia Uceda im Gespräch mit Euronews. In Frankreich gibt es inzwischen viele der Menschen, die sagen, dass sie immer noch Symptome des Coronavirus haben. Viele hatten sich auf dem Höhepunkt der Epidemie mit der Krankheit angesteckt und konnten sich wegen mangelnder Kapazitäten nicht testen lassen.

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Nathalie NuryPRIVAT

Nathalie Nury meint, sie habe am 24. März zum ersten Mal an Fieber, Brustschmerzen, Kurzatmigkeit und extremer Müdigkeit gelitten.

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Die 51-jährige Kunstlehrerin aus Nîmes sagt, ihr Sohn und seine Freundin seien zuvor aus Paris zurückgekommen und hätten ihren Geruchs- und Geschmackssinn verloren.

Nathalie Nury berichtet, ihre Symptome dauerten zehn Tage, aber sie wurde nicht getestet, da die Tests für Coronavirus-Patienten in Krankenhäusern und medizinisches Personal reserviert waren.

Den ganzen April über sagte sie, dass sie sich immer noch müde fühle, aber erst Anfang Mai hatte sie wieder Fieber und Brustschmerzen.

Seit Monaten leidet sie zyklisch an erneuten Symptomen, die von starken Brustschmerzen bis hin zu Schwindelgefühl reichen.

"Ich war völlig verloren. Meine Angehörgen haben es nicht verstanden", berichtet Nury. Sie hat mehrere Ärzte aufgesucht, von denen einige ihre Symptome nicht ernst genommen haben.

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Nathalie Nury sucht jetzt Hilfe in den sozialen Medien. In Frankreich gibt es mehrere Hashtags, die mit "nach dem 20. Tag" oder "nach dem 100. Tag" übersetzt werden können. So tun sich Patienten zusammen, die alle sagen, dass sie lange unter COVID-19 leiden,. Dieses Netzwerk "zeigte mir, dass ich kein Einzelfall war und dass andere Menschen ähnliche Symptome hatten".

"Ich glaube, dies ist einer der sehr harten Aspekte: Viele Menschen, die sich langfristig unwohl fühlen, haben nie einen PCR-Test gemacht und waren nie im Krankenhaus. Manche Ärzte sind daher vielleicht nur ängstlich", sagt Altmann vom Imperial College London.

"Selbst wenn die Menschen klare Symptome hatten, meinen manche Ärzte möglicherweise 'bei jeder schweren Infektion kann es eine Weile dauern, bis Sie sich erholt haben'".

"Es gibt jedoch viele Infektionen, die spezifische Krankheitsprofile hinterlassen, die chronisch sein können. Bei einem Teil der COVID-19-Patienten scheint dies wahrscheinlich", fügt er hinzu und erklärt, dass mehrere Studien gestartet wurden, um diese Patientenprofile zu untersuchen.

Journalist • Kirsten Ripper

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