"V.I.P. - Very Isolated Person" - Theater aus Temeswar online

"VIP - Very Isolated Person"
"VIP - Very Isolated Person" Copyright Deutsches Staatstheater Temeswar
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Von Rudolf Herbert
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Das deutsche Theater im westrumänischen Temeswar stellt die richtigen Fragen. Nächste online-Vorstellung am 16. Dezember 2020

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Wo befindet sich das Theater heute und was kann es, wenn das Publikum nicht mehr im Saal sondern vor dem Schirm sitzt? Weil die meisten Häuser, nicht nur die deutschen, sondern in ganz Europa aufgrund der Corona-Sicherheitsmaßnahmen vor Wochen erneut geschlossen wurden, ist ihre Tätigkeit beinahe zum Stillstand gekommen. Doch nur fast, denn Aufführungen des Schauspielhauses Zürich, das zu den besten des binnendeutschen Sprachraums zählt, werden live gestreamt, wobei Tickets angeboten werden und einige Vorstellungen sogar ausverkauft sind.

Die Schaubühne Berlin hat ebenfalls einen Online-Spielplan und bietet künstlerisch hochwertige neuere sowie ältere Aufführungen und gedachte mit einigen davon auch der Anfang Dezember verstorbenen Schauspielerin Jutta Lampe, die drei Jahrzehnte lang Mitglied des Ensembles gewesen ist. Die Schaubühne hingegen verkauft keine Tickets, bittet jedoch um Spenden. Das Deutsche Theater Berlin bietet ebenfalls Streaming an und passend zur Jahreszeit sogar ein Stück für die jüngsten Zuschauer, wobei der ermäßigte Preis drei Euro und das Familiencouch Ticket fünf Euro kostet.

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Bei der Probe im Deutschen Theater in Temeswardstt.ro

Auch im westrumänischen Temeswar, wo deutschsprachiges Theater seit mehr als 250 Jahren Tradition hat, als die Region noch zum weitläufigen Imperium der Habsburger gehörte, gibt es beides, Streaming von Aufführungen aus vergangenen Spielzeiten sowie Online-Vorstellungen, die live stattfinden. Auch dort stellte und stellt sich die Frage nach neuen Formen der künstlerischen Produktion sowie danach, wie der Kontakt zum Publikum aufrecht erhalten werden kann, wenn selbst nur wenige Plätze nicht mehr verkauft werden dürfen und der Saal geschlossen bleiben muss. Mit der Vorstellung "V.I.P. - Very Isolated Person", frei nach dem Drama "Die Möwe" des russischen Klassikers Anton P. Tschechow, ging das Deutsche Staatstheater Temeswar sogar einen Schritt weiter: Die mittels der App Zoom live übertragenen Aufführungen bieten die Möglichkeit der Interaktion mit den Zuschauern, die sich mit Zustimmung, Ablehnung oder mit kurzen Kommentaren äußern können, auf die die Schauspielerin Olga Török reagieren kann.

Der von der deutschen Künstlerin Paula Lynn Breuer bearbeitete Text, die auch Regie führte, geht ein Stück weit über "Die Möwe" hinaus, indem er die Frage danach stellt, wie das Leben in Zeiten von sozialer Distanzierung zu ertragen ist: Fehlt dem Publikum das Erlebnis lebendigen Theaters auf die Bühne? Was bedeutet es für SchauspielerInnen, KünstlerInnen, wenn das Publikum abhanden kommt? Im Wesentlichen stützt sich "V.I.P. - Very Isolated Person" auf den Text der Figur Nina aus Tschechows Drama. Sie ist eine junge Frau, die von einem Leben als Schauspielerin träumt, für die ein ebenso junger wie unglücklicher Autor, der sich das Leben nehmen wird, ein Stück schreibt, und die mit einem älteren Schriftsteller, den sie liebt, aus ihrem bisherigen Leben ausbricht. Nach dem Tod des gemeinsamen Kindes wird sie sich von ihm trennen und schließlich ihren Weg als Mensch und ein neues Verständnis ihres Berufs als Schauspielerin finden.

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"V.I.P, Very Isolated Person"dstt.ro

Nina, die leidvolle Erfahrungen enthüllt und zugleich mutig in die Zukunft blickt, ist für die mit brennender Intensität agierende Török der Spiegel, den sie befragt. Oder ist es Nina, die Fragen stellt, während ihre Darstellerin gemeinsam mit dem Publikum nach Antworten sucht? Für Török, die diese Rolle bereits vor einigen Jahren in einer bejubelten Temeswarer Inszenierung der "Möwe" des oft in Europa arbeitenden und an der Yale Universität in den USA lehrenden Yuri Kordonsky spielte, ist Nina hier zugleich mehr: Sie ist Beispiel, Identifikationsfigur. In der Lebenskrise Ninas scheint die derzeitige Krise auf, die grundsätzliche Fragen nach den Möglichkeiten des Theaters in Zeiten von Isolation, Corona und Online sowie nach der Beziehung zwischen Künstler und Publikum stellt. Die nächste Vorstellung von "V.I.P. - Very Isolated Person" findet an diesem Mittwoch, den 16. Dezember, statt.

Wer die Vorstellung - sie ist unentgeltlich - live auf Zoom sehen will, wird gebeten, eine E-Mail an online@dstt.ro zu senden. Danach erhalten Interessierte eine Rückantwort mit dem Zugangslink.

Die E-Mail-Adresse für den Zugang muss dabei dieselbe sein, mit der der Zugangslink beantragt worden ist. Zusätzliche Informationen auf www.dstt.ro

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