Italienische Schulen: Klopapier ist Elternsache!

Seit Jahren leiden die öffentlichen Schulen in Italien unter chronischem Geldmangel, und oft fehlt es an so wichtigen Dingen wie Toilettenpapier.
Seit Jahren leiden die öffentlichen Schulen in Italien unter chronischem Geldmangel, und oft fehlt es an so wichtigen Dingen wie Toilettenpapier. Copyright Euronews
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Von Giulia Carbonaro
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Ob Toilettenpapier oder Seife - italienische Schulen stellen ihren Schülern oft nicht einmal das zur Verfügung. Stattdessen müssen die Eltern ran. Warum ist das so?

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In vielen Schulen in Italien wissen die Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zur Toilette, dass sie eines nicht vergessen dürfen: ihr eigenes Toilettenpapier. Denn was das angeht, ist auf die Schulen kein Verlass. 

Auf TikTok scherzen italienische Gymnasiasten über den weit verbreiteten Mangel an Toilettenpapier und feiern das Auftauchen einer einzigen Rolle als "einmaliges Ereignis".

Andere Schüler berichten: Wenn sie zur Toilette gehen, müssen sie den Hausmeister um Toilettenpapier bitten - und erhalten statt einer Rolle nur wenige Blätter. 

In einem Video auf Social Media werden zwei Gymnasiasten gefragt, was denn da mit dem Schulsystem des Landes nicht in Ordnung sei. "Die Infrastruktur ist alt und zerfällt, auf den Toiletten gibt es oft keine Seife, kein Toilettenpapier", sagt ein Mädchen. "Das ist immer so", antwortet der Gymnasiast, der sie interviewt.

Ein anderer italienischer TikToker berichtet seinen Mitschülern von den Rechten der Schüler, die von den Schulen oft nicht respektiert werden, wie z. B. das Recht auf Seife und Toilettenpapier und auf eine funktionsfähige Heizung in den Klassenzimmern im Winter. In italienischen Schulen sind die Heizungen oft abgeschaltet oder kaputt, was im Winter immer wieder zu Schülerstreiks führt.

"Gibt es wirklich Leute mit Toilettenpapier und Seife in den Toiletten? In der Grundschule hatte ich nicht einmal das", so ein Nutzer. "In meiner Schule ist Seife eine Legende", antwortet ein anderer.

Im Jahr 2016 wurde dieses seit Jahrzehnten bestehende Problem dem Rest der Welt bewusst. Damals schrieben empörte britische Zeitungen, dass die Leitung einer italienischen Grundschule die Kinder aufgefordert habe, ihre eigene Toilettenrolle mitzubringen, da es an finanziellen Mitteln mangele.

In Italien war dieser Umstand keine Schlagzeile wert - das Problem ist hinlänglich bekannt. 

Im Jahr 2017 berichtete Cittadinanzattiva - eine gemeinnützige Organisation, die sich für die Bürgerrechte in Italien einsetzt -, dass 47 % der Schulen im ganzen Land kein Toilettenpapier und 64 % keine Seife zur Verfügung stellten.

Das Problem ist seitdem nicht verschwunden. Anfang dieses Jahres unterzeichneten 277 Eltern in der Stadt Ferrara eine Petition, in der sie die örtliche Schulverwaltung aufforderten, in den Grundschulen der Stadt Toilettenpapier bereitzustellen.

Warum fehlt es an Italiens Schulen am Nötigsten?

"Italien investiert nicht viel in die Bildung, tatsächlich gibt das Land viel weniger dafür aus als andere europäische Länder", sagte Adriana Bizzarri von der gemeinnätzigen Organisation Cittadinanzattiva gegenüber Euronews.

"In diesem Jahr betrugen die Ausgaben des Landes für den öffentlichen Bildungssektor 7.000 Euro pro Schüler im Kindergarten und in der Grundschule und bis zu 9.000 Euro pro Schüler in der Oberschule. In anderen europäischen Ländern liegen die durchschnittlichen Ausgaben bei 10.000 Euro pro Schüler", fügte sie hinzu.

Es wird nun erwartet, dass das Land einen Teil des riesigen COVID-Konjunkturprogramms der EU in Höhe von 191,5 Milliarden Euro für den Bildungssektor ausgibt.

"Aber wir werden die Ergebnisse erst 2026 sehen", sagte Bizzarri, "und ein Teil dieses Geldes wird für die Instandhaltung der alten Infrastruktur ausgegeben."

Toilettenpapier ist das, was an staatlichen italienischen Schulen fehlt - unter anderem (Beispielbild)
Toilettenpapier ist das, was an staatlichen italienischen Schulen fehlt - unter anderem (Beispielbild)Canva

Nicht alle Schulen sind gleich

Auch wenn der italienische Bildungssektor generell unterfinanziert ist, gibt es Schulen, die nicht so sehr mit Problemen zu kämpfen haben wie andere und die ihren Schülern problemlos das Nötigste bieten können.

Das liegt daran, dass das italienische Schulsystem die Autonomie der einzelnen Einrichtungen und ihrer Leitung fördert, wobei der Staat die Mittel nach der Anzahl der Schüler:innen, Lehrenden und Mitarbeitenden der einzelnen Schulen verteilt.

Diese Autonomie kann zwar gut sein, so Bizzarri, aber sie führt auch dazu, dass Schulen in Schwierigkeiten geraten und die Eltern um Hilfe bitten müssen.

Zu Beginn des Schuljahres, im September oder Oktober, können die Schulen die Eltern um einen freiwilligen Beitrag bitten, eine einmalige Zahlung, deren Höhe von Schule zu Schule variieren kann und auf staatlicher Ebene nicht geregelt ist.

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Dieses Geld soll den Schulen helfen, ihren Schülern bessere Dienstleistungen anzubieten. Obwohl es nicht verpflichtend ist, lastet oft ein hoher sozialer Druck auf die Eltern, mitzuhelfen.

"Es gibt keine offiziell festgelegten Beträge", sagte Bizzarri. "Es gibt Grundschulen, die 30 Euro verlangen. In der Oberstufe kann der freiwillige Beitrag zwischen 100 und 180 Euro liegen", so Bizzarri weiter.

"Diese Beiträge können beträchtlich sein, vor allem wenn man bedenkt, dass die Schule in Italien für Schüler bis 16 Jahre kostenlos ist.

Dieses System der "freiwilligen Beiträge" hat jedoch zur Folge, dass sich die Kluft zwischen wohlhabenderen und ärmeren Schulen vertieft, wobei die ersteren von den großzügigeren Beiträgen der Eltern mit höherem Einkommen profitieren.

Ein Grundschullehrer in Sardinien sagte Euronews, dass die Lehrer oft ihr eigenes Geld ausgeben, um Schulmaterial für ihre Schüler zu kaufen. Italienische Lehrer:innen gehören zu den am schlechtesten bezahlten in der EU.

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Ein Hoffnungsschimmer?

Adriana Bizzarri von Cittadinanzattiva sagt, dass sich die Situation nach der COVID-Pandemie nun zu verbessern scheint, da die Schulen im ganzen Land mehr Wert auf Hygiene legen - mehr putzen lassen und regelmäßig Toilettenpapier kaufen.

"Jahrelang hat unsere Organisation dafür gekämpft, dass Schulen mit Seife und Toilettenpapier ausgestattet werden", sagte sie. "Nach der Pandemie haben wir festgestellt, dass die Schulen aufmerksamer geworden sind und die Familien nicht mehr bitten, Toilettenpapier zu kaufen.

"Jetzt warten wir ab, wie lange das anhält", so Bizzarri

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