Drohnenhagel auf Ukraine hält an

Ukrainische Soldaten drapieren auf dem Friedhof des Karpaten-Dorfs Krasnyk den Sarg des Armeeoffiziers Wassyl Medwijtschuk mit der Nationalflagge, 29. Dezember 2023.
Ukrainische Soldaten drapieren auf dem Friedhof des Karpaten-Dorfs Krasnyk den Sarg des Armeeoffiziers Wassyl Medwijtschuk mit der Nationalflagge, 29. Dezember 2023. Copyright Evgeniy Maloletka/Copyright 2020 The AP. All rights reserved
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Von Christoph Debets mit EFE, dpa
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Russland setzte in der Nacht zum Samstag seine massiven Luftangriffe auf ukrainische Ziele fort. Während sich der Weltsicherheitsrat auf einer Dringlichkeitssitzung mit der Angriffswelle befasste, wird über deren Gründe spekuliert. Der Kreml sprach davon, alle gesetzten Ziele erreicht zu haben.

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Eine Nacht nach den schwersten Luftangriffen seit Kriegsbeginn hat Russland erneut Kampfdrohnen gegen ukrainische Ziele eingesetzt. In der Nacht zum Samstag wurde in der Südukraine bis weit in den Westen des Landes hinein Luftalarm ausgelöst.

Die ukrainische Luftabwehr meldete russische Kampfdrohnen, die mit mehrfachen Richtungswechseln über das Land flogen. Das russische Verteidigungsministerium teilte unterdessen am Samstagmorgen mit, das Militär habe über den grenznahen Gebieten Brjansk, Orjol und Kursk sowie über dem Gebiet Moskau 32 ukrainische Drohnen abgeschossen.

Nach Angaben der Ukraine war der Angriff am Freitag mit fast 160 Raketen und Drohnen der größte seit Kriegsbeginn im Februar 2022. Mehrere Städte in der gesamten Ukraine waren betroffen, mindestens 30 Menschen wurden getötet und 160 verletzt. Die Angriffswelle richtete außerdem erheblichen Sachschaden im ganzen Land an.

Sondersitzung des Weltsicherheitsrates

Mit dem Angriff befasste sich am Freitagabend (Ortszeit) der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York. Die Ukraine hatte die Dringlichkeitssitzung beantragt. Eine Gruppe von 30 Staaten hatte den Antrag unterstützt.

Bei der Sitzung traten noch einmal die Differenzen innerhalb der UN hervor, mit gegenseitigen Vorwürfen Russlands und den Vereinigten Staaten sowie der scheinbaren Neutralität Chinas.

„Anstelle des Friedens hat (der russische Präsident Wladimir) Putin beschlossen, diese Feiertage zu nutzen und das neue Jahr mit einer beispiellosen Anzahl von Drohnen- und Raketenangriffen gegen ein anderes UN-Mitgliedsland zu begrüßen“, erklärte US-Botschafter John Kelley. Die britische Botschafterin Barbara Woodward sagte, die Angriffe seien schockierend, aber nicht überraschend. „Wir würdigen den Mut und die Entschlossenheit des ukrainischen Volkes und seiner Streitkräfte. Das Vereinigte Königreich wird sie weiterhin unterstützen“, betonte Woodward.

Unterdessen beschuldigte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja die Ukraine, durch die Stationierung von Luftverteidigungssystemen in Wohngebieten zivile Todesopfer zu bewirken. Nebesja verteidigte die Position des Kremls, dass alle Angriffe der vergangenen Nacht gegen militärische Ziele gerichtet gewesen seien. „Würden die ukrainischen Luftverteidigungssysteme nicht eingesetzt, hätte es überhaupt keine Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben”, sagte er weiter

Darauf erwiderte die britische UN-Botschafterin: „Es gibt nur eine Ursache für die Tragödie, und das sind die Taten Russlands. Der Rest ist eine Flut von Lügen und Fehlinformationen.“

Ukraine fordert Militärhilfe

Zum Schutz vor russischen Angriffen bat die Ukraine um weitere Militärhilfe. „Wir werden auf jeden Fall auf die Schläge der Terroristen reagieren. Und wir werden dafür kämpfen, die Sicherheit unseres Landes, jeder Stadt und unseres gesamten Volkes zu gewährleisten“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Telegram.

Außenminister Dmitro Kuleba wiederum forderte „anhaltende, robuste und langfristige militärische und finanzielle Unterstützung“, um den russischen Bombenanschlägen entgegenzutreten. „Nur größere Feuerkraft kann den russischen Terror zum Schweigen bringen“, schrieb er in einer Erklärung. Verteidigungsminister Rustem Umjerow erklärte, es sei „offensichtlich“, dass der russische Staat mit solchen Raketenreserven in der Lage sei, weiterhin ähnliche Angriffe zu starten, und dass er diese auch nutzen werde. Umjerov versicherte, dass Kiew weiterhin mit verbündeten Ländern zusammenarbeiten werde, um eine ausreichende Menge an Luftverteidigungsausrüstung zu erhalten.

Mögliche Gründe für den Angriff

Sowohl in russischen als auch in ukrainischen Medien und sozialen Netzwerken gab es verschiedene Spekulationen über die Gründe für den massive Angriffs, eine Praxis, die Russland nach einer mehrmonatigen Pause wieder aufnahm. Einigen Informationen zufolge könnte es sich bei dem Bombenanschlag um eine „Rache“ für den ukrainischen Angriff auf das russische Kriegsschiff „Nowotscherkassk“. Das große russische Landungsschiff der Schwarzmeerflotte wurde nach ukrainischen Angaben zerstört.

Es wird auch spekuliert, dass die Bombardierung auf einen Versuch Moskaus zurückzuführen war, die F-16-Kampfflugzeuge zu „lokalisieren“, die der Westen an die Ukraine liefern will und die sich laut einigen Quellen bereits im Land befinden könnten. Der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe Oberst Juri Ignat schloss diese Möglichkeit aus: „Das kann man kaum als Suche nach den F-16 bezeichnen. Ich denke, Russland weiß sehr gut, ob wir sie haben oder nicht. Ich denke, der russische Geheimdienst funktioniert auch“, wurde Ignat von der Agentur UNIAN zitiert.

Westliche Militärexperten wiesen darauf hin, dass Russland seine Angriffe mit Marschflugkörpern über Monate hinweg eingeschränkt habe, offenbar um Vorräte für massive Angriffe im Winter anzulegen, in der Hoffnung, so den Mut der Ukrainer zu brechen.

Russische Version: „Alle gesetzten Ziele werden erreicht“

Das russische Verteidigungsministerium berichtete seinerseits, dass es in der letzten Woche fünfzig Raketen- und Drohnenangriffe in der Ukraine durchgeführt habe, einer davon sei massiv gewesen. „Zwischen dem 23. und 29. Dezember starteten die russischen Streitkräfte 50 Gruppenangriffe und einen massiven Angriff mit Präzisionswaffen und unbemannten Luftfahrzeugen gegen Einrichtungen des militärisch-industriellen Komplexes, die Infrastruktur von Militärflugplätzen, Arsenale sowie Lagerorte für Artilleriemunition“ hieß es im täglichen Kriegsbericht.

Weiters wird gemeldet dass auch „Standorte von Einheiten der ukrainischen Streitkräfte, nationalistischen Formationen und ausländischen Söldnern“ angegriffen wurden. „Alle festgelegten Ziele werden erreicht“ stellt das Verteidigungsministerium fest.

Nach einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des russischen Meinungsforschungsinstituts Russian Field ist für die Hälfte aller Russen (50 %) der wichtigste Wunsch für 2024 „Frieden“ und das „Ende des Militäreinsatzes“ in der Ukraine.

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