"Es ist wichtig, immer wieder Grenzen auszuloten": Wie Sonya Yoncheva ihre Rollen erobert

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Von Katharina Rabillon
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Eine neue Rolle, eine neue Herausforderung. Mit einer Figur verschmelzen, eine neue Partie lernen: Sopranistin Sonya Yoncheva testet immer wieder ihre Grenzen, sie mag den Probenprozess, probiert verschiedene Farben.

Wie bereiten sich Opernsängerinnen und -sänger auf ein Rollendebüt vor? die bulgarische Sopranistin Sonya Yoncheva lässt musica hinter die Kulisse schauen: 

Wir haben sie bei zwei Rollendebüts begleitet: Sie sang die Rolle der Maddalena in "Andrea Chénier" an der Mailänder Scala sowie die Geisha Cio-Cio-San an der Wiener Staatsoper in "Madama Butterfly".

Wir begleiteten die Sängerin auch in das berühmte Ricordi-Archiv in Mailand. Es wurde 1808 gegründet und stellt das historische Erbe des Verlags Ricordi dar, der 1994 von der deutschen Mediengruppe Bertelsmann übernommen wurde, die seither für seine Erhaltung und kulturelle Entwicklung sorgt.

Mit der Gründung des Ricordi-Verlags 1808 entstand auch ein Archiv, das eine der wichtigsten privaten Sammlungen im Musikbereich weltweit beinhaltet. Der Verlag wurde 1994 von der deutschen Mediengruppe Bertelsmann übernommen, die seither für seine Erhaltung und kulturelle Entwicklung sorgt. Das "Archivio Storico Ricordi" bewahrt unter anderem die Originalhandschriften von 23 der 28 Verdi-Opern sowie die Manuskripte sämtlicher Puccini-Opern auf (mit Ausnahme von La Rondine). Zum Archiv gehören auch zahlreiche Manuskripte von Bellini, Rossini und Donizetti sowie von zeitgenössischen Komponisten wie Nono, Donatoni, Sciarrino und Bussotti.

Aufgehen in der Rolle

Sie ist eine der größten Sopranistinnen unserer Zeit, die leidenschaftlich in ihren Rollen aufgeht: Sonya Yoncheva.

"Für mich als Künstlerin ist es immer wichtig, meine Grenzen auszuloten und nach neuen Herausforderungen zu suchen."
Sonya Yoncheva
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Die bulgarische Sopranistin ist viel unterwegseuronews

Die bulgarische Sopranistin gibt in Mailand und Wien zwei anspruchsvolle Rollendebüts. 

Wie nähert sich der Superstar einer neuen Rolle?

Sonya Yoncheva gewährt einen Blick hinter die Kulissen. "Ich lerne meine Partituren hauptsächlich allein", erzählt sie. "Ich mag diesen Prozess. Ich gehe in mein kleines Studio und spiele die Partitur durch. Es hilft mir sehr, sie auf dem Klavier zu spielen. Es ist ein sehr intimer Moment, weil ich verschiedene Farben ausprobiere."

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Die Sopranistin probt in ihrem kleinen Studio am Klaviereuronews

Sie fühlt sich in die Rolle ein: "Sie hat absolut nichts zu verlieren, weil sie sagt: Ich bringe jedem Unglück, der mich liebt. Das ist sehr bewegend." Eine weitere tragische Heldin, die von Sonya Yoncheva zum Leben erweckt wird: Maddalena in der Oper "Andrea Chénier".

Die bulgarische Star-Sopranistin bereitet sich auf ihr Rollendebüt am legendären Opernhaus "La Scala" vor.

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Die Star-Sopranistin in der Garderobeeuronews

Der Zauber der Oper

Zwei Wochen vor der Premiere steckt sie mitten in einer intensiven Probenphase. Heute ist die "Sitzprobe" - ein wichtiges Element der Arbeit.

_"Dabei können die Sänger erstmals hören, wie das Orchester spielt,_sie können miteinander verschmelzen", sagt Dirigent Marco Armiliato. "Das ist ja das, was die Oper ausmacht. Wenn ein Orchester spielt und die Sänger auftreten, dann entsteht dieser Zauber, und schon in der Sitzprobe kann man sich vorstellen, wie die Aufführung ablaufen wird."

Auch die Sopranistin bekräftigt: "Diese Probe ist sehr wichtig für uns alle, denn wenn man auf der Bühne steht und das Orchester mit dem Maestro nur von weg sieht, ist das nicht das Gleiche, als wenn wenn man gemeinsam ins Studio geht und die verschiedenen Farben zusammenbringt, und gemeinsam atmet", findet Sonya Yoncheva. "Wir sind in einer geschützten Umgebung, man kann sich erlauben, manchmal falsch zu liegen und nicht perfekt zu sein, das ist eine sehr wichtige Probe." 

Der nächste Schritt sind die Bühnenproben, bei denen die Sänger das Bühnenbild kennenlernen und ihre Auf- und Abgänge üben. Das Drama erzählt die Geschichte des revolutionären Dichters Andrea Chénier, der sich in Maddalena verliebt. Doch ihre Liebe ist zum Scheitern verurteilt und nimmt ein verheerendes Ende.

"Ich arbeite immer noch an der Figur, weil es für mich ein ganz neues Stück ist", erzählt die Yoncheva. "Ich bin von ihrer Art zu lieben wirklich beeindruckt, diese reine Liebe, die sie diesem Mann ganz und gar schenkt, sie liebt ihn von ganzem Herzen, am Ende der Oper werden wir erleben, dass sie sich entschieden hat, nicht ohne ihn zu leben. Sie stirbt also mit ihm, auch wenn sie es nicht müsste."

Die Scala - ein besonderer Ort für Sonya Yoncheva

1896 fand die Uraufführung von Umberto Giordanos Meisterwerk mit großem Erfolg statt - hier an der Scala, einem der berühmtesten Opernhäuser der Welt, wo alle großen Sänger ihre Spuren hinterlassen haben.

Auch für Sonya Yoncheva hat dieser Ort eine besondere Bedeutung: Hier hat sie den renommierten Gesangswettbewerb "Operalia" gewonnen, der sie 2010 zum Star machte.

Heute gehört sie zu den gefeiertsten Sopranistinnen unserer Zeit und singt ein breites Repertoire.

Der Abend der Premiere, die Ruhe vor dem Sturm...

"Ich kann es seit dem Morgen kaum erwarten. Ich möchte auf die Bühne gehen und singen, es zum Abschluss bringen und dann freie Zeit haben, denn es ist natürlich ein großer Druck, eine Figur für sich zu erobern und sie zum ersten Mal zu singen, besonders an Häusern wie der Scala", erzählt Sonya Yoncheva von ihren Gefühlen vor der Premiere. "Man kennt alle Versionen dieser Oper von so vielen anderen Sängern. Man muss also mit etwas Neuem, Hellem und Schönem auftreten."

Eine Paraderolle des Sopranrepertoires

Ein paar Wochen später tritt Sonya Yoncheva immer noch in Mailand auf, und sie bereitet sich auf ihr nächstes Projekt vor: Eine Paraderolle des Sopranrepertoires: Puccinis "Madama Butterfly".

Um in die Geschichte dieser anspruchsvollen Rolle einzutauchen und Inspiration zu finden, besucht sie das Ricordi-Archiv, in dem das reiche Kulturerbe lebendig gehalten wird. Es gilt als die wichtigste Sammlung der italienischen Operngeschichte. 200 Jahre Musik – von Rossini über Verdi bis Puccini. Der Verwaltungsdirektor des "Archivio Storico Ricordi" Pierluigi Ledda ist stolz:

"Wir haben eine der reichhaltigsten und umfassendsten Puccini-Sammlungen. Wir haben handgeschriebene Partituren, aber auch Kostümentwürfe und Bühnenbilder, oft von den Uraufführungen seiner Opern. Man kann also wirklich die Entstehung dieser Meisterwerke nachvollziehen."

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Archivarin Maria Pia Ferraris zeigt der Künstlerin Kostüm-Entwürfeeuronews

Archivarin Maria Pia Ferraris zeigt der Sopranistin eine Original-Partitur von Puccini sowie Kostüm-Entwürfe: "Das sind faszinierende Zeitdokumente, sie sprechen zu uns. Puccini schrieb alles, was auf der Bühne geschah, in die Partitur. Das hat er von Verdi gelernt, der das auch tat", plaudert sie aus dem Nähkästchen.

"Für mich ist es sehr interessant, auch die Anmerkungen des Komponisten zu sehen, dass er aufgeschrieben hat, wie man auf der Bühne sein soll. Das gibt mir starke Argumente gegenüber dem Regisseur: Oh, nein, nein, nein, nein, nein, Pucchini hat das gesagt", meint Sonya Yoncheva. 

Eine der berühmtesten Geschichten über unerwiderte Liebe in der Oper

Von Mailand nach Wien: Sonya Yoncheva  taucht ein in die Rolle der Geisha Cio-Cio-San in dieser verheerenden Tragödie. Es ist eine der berühmtesten Geschichten über unerwiderte Liebe in der Oper. 

"Für einen Künstler ist es immens wichtig, an seine Grenzen zu gehen und nach neuen Herausforderungen zu suchen. Neue Rollen geben mir neue Farben, das ist wunderbar!"
Sonya Yoncheva
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Sonya Yoncheva als Geisha Cio-Cio-San in "Madama Butterfly"euronews

"Es fällt mir sehr schwer, nicht zu weinen, wenn ich diese Oper lese und studiere. Ich habe sie oft zu Hause geprobt, es ist beeindruckend, wie viel Gefühl darin steckt", findet Sonya Yoncheva. "Sie ist emotional extrem zerbrechlich, aber gleichzeitig auch unglaublich stark. Was ich an ihr bewundere, ist, dass sie, wenn sie etwas sagt, es auch wirklich tut. Und wenn sie von etwas überzeugt ist, glaubt sie daran."

Weitere Quellen • Sabine Sans

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