Larijani: "Wir wollen uns bessern"

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Von Euronews
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Der Iran bleibt weiter in den Schlagzeilen.
In den vergangenen Wochen sind die internationalen Verhandlungen über das Atomprogramm erneut gescheitert, außerdem gibt es einen neuen Bericht der Vereinten Nationen über die Menschenrechtslage im Iran.

Bei uns ist Muhammad Javad Larijani, Generalsekretär des iranischen Menschenrechtsrats und Berater des geistlichen Führers Ali Khamenei.

euronews:
Der UN-Bericht erläutert zahlreiche Verstöße gegen die Menschenrechte, nicht gerechtfertigte Inhaftierungen, Folter und Hinrichtungen von Jugendlichen. Was sagen Sie dazu?

Larijani:
Wir behaupten nicht, das wir perfekt sind aber unsere Menschenrechtsverletzungen sind sicherlich nicht schlimmer, als die anderer Länder.

Wir werden von vielen EU-Mitgliedern beschuldigt,- das ist nur eine weitere Methode, Druck auf den Iran auszuüben. Sie haben eine neue Front eröffnet.

euronews:
Der Bericht beruft sich auf 169 Interviews und Untersuchen. Es geht um viele Fälle von Menschenrechtsverletzungen im Iran. Er beruht auf Nachforschungen der drei angesehensten Menschenrechtsorganisationen der Welt: Amnesty International, Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch. Sie können nicht behaupten, dass all diese Organisationen parteiisch sind. Es muss wenigstens ein bisschen Wahrheit dahinterstecken, oder auch ein bisschen mehr.

Larijani:
Die Glaubwürdigkeit dieses Berichts steht ernsthaft in Frage. Ein paar unserer Gesetze müssen geändert werden, da stimmen wir zu. Andere müssen wir aber gegen die Kritik aus der westlichen Welt verteidigen.
Es gibt zu viele Hinrichtungen im Iran, das ist schlecht.
Dieses Gesetz sollten wir ändern. Verbrechen, die in Verbindung mit dem Drogenhandel stehen, sind der Grund für rund 74 Prozent der Hinrichtungen im Iran.
Meiner Meinung nach sollte man Drogenvergehen nicht als schwere Delikte bezeichnen. Dafür brauchen wir ein neues Gesetz aber viele im Parlament sind damit nicht einverstanden.

euronews:
In der islamischen Republik ist Propaganda gegen das Regime eine Sünde. Das heißt, wenn ich meine Meinung äußere, wenn ich blogge, ist das Propaganda gegen das Regime. Bloße Meinungsäußerungen sind also der Grund weswegen so viele junge Menschen im Gefängnis landen und gefoltert werden.

Larijani:
In Wahrheit ist das nicht so. Der Iran ist allen anderen Ländern des Nahen Ostens voraus, was den Anschluss ans Internet und die Netzabdeckung betrifft.

euronews:
Aber im Internet wird viel gefiltert.

Larijani:
Das ist ein globales Problem. Es gibt Themen, die schädlich für das nationale Interesse und die Menschen sind: Kindesmissbrauch, Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen. Solche Dinge müssen verfolgt und zensiert werden.

euronews:
Seiten, die regierungskritisch sind, zum Beispiel??

Larijani:
Oh nein, die sollten nicht zensiert werden.

euronews:
Was ist mit der Folter in Gefängnissen?

Larijani:
Folter ist eine Krankheit, ein Verbrechen, aber vergleichen Sie uns da mal mit den Vereinigten Staaten.

euronews:
Sie können doch die Fehler des Irans nicht durch einen Vergleich mit Vergehen irgendwo anders rechtfertigen,- z.B. in Amerika.

Larijani:
Das absolute Gute existiert nicht. Dem Gesetz zufolge ist Folter ein schweres Verbrechen. Wenn man nach dem Islam und der Scharia geht, dann darf Folter mit dem Tod bestraft werden.

euronews:
Wie sieht das in der Praxis aus?

Larijani:
Da bin ich auf Ihrer Seite. Vor kurzem haben wir die rechtliche Aufsicht der Untersuchungshaft völlig verändert. Wir verteidigen nicht unsere Verstöße, wir wollen uns bessern. Wenn es um die Gefängnisverwaltung geht, dann sind die Probleme: Effizienz und Kompetenz. Strafvollzug ist keine einfache Sache. Wir sind bereit, über die Schwierigkeiten und Schwächen zu diskutieren, aber nicht, solange man mit dem Finger auf uns zeigt. Europa und die USA haben den falschen Weg gewählt, um auf den Iran zuzukommen.

euronews:
Sprechen wir über die bevorstehenden Wahlen. In anderen Demokratien sind es in der Regel Parteien oder Organisationen, die ihre Kandidaten überprüfen? Im Iran sind es die zwölf Männer des Wächterrats. Sechs davon wurden vom Obersten Führer Khamenei berufen, die anderen sechs von der Justiz. Wo bleiben da die Iraner?

Larijani:
Es ist nicht die Aufgabe des Wächterrats die Kandidaten zu überprüfen. Sie sehen nur, ob die Person für eine Kandidatur in Frage kommt. Jemand, der in einen Staatsstreich verwickelt war, der kann nicht kandidieren. Oder jemand, der den Islam nicht einhält.
Das wäre, wie jemand der sagt, dass er Präsident von Frankreich werden möchte, aber nicht hinter dem Säkularismus steht.

euronews:
Lassen Sie uns über das iranische Atomprogramm sprechen. Der Iran steht unter militärischer Bedrohung der internationalen Gemeinschaft, die Inflation explodiert und die Sanktionen sind schmerzhaft. All das für eine magere Ausbeute, für 20-prozentig angereichertes Uran und ein halbgares Atomprogramm?

Larijani:
Die Situation ist nicht so schlimm, wie Sie sie darstellen.
Unser Land bewegt sich und es überlebt. Die Frage der nuklearen Technologie ist nicht, ob wir wenige Kilo von 20-prozentigem Uran haben. Wir sind wie alle anderen in der internationalen Gemeinschaft. Die Rechte, die amerikaner haben, die andere Staaten haben, die haben wir Iraner auch. Die Israelis denken ständig, wir haben große Angst vor dem Iran. Das ist ihr Problem, sie sind paranoid.

euronews:
Ich möchte niemanden verurteilen für mich ist das Realpolitik. Dem Iran bleiben zwei Möglichkeiten: entweder zu hungern wie in Nordkorea, wo die Menschen Gras essen oder eine Militäraktion zu riskieren. Welchen Weg würden Sie wählen?

Larijani:
Wir sind viel besser und wohlhabender als viele Länder in Südeuropa. Ein militärischer Angriff auf den Iran ist nicht machbar. Man kann vielleicht den einen oder anderen Ort im Iran angreifen aber der Iran ist derjenige, der den Krieg beenden wird. Die dritte Option ist, sich hinzusetzen und die Rechte des Iran als Mitglied der internationalen Gemeinschaft anzuerkennen, innerhalb des Atomwaffensperrvertrags. Mehr wollen wir nicht.

euronews:
Weiter zur Außenpolitik, zu Syrien. Warum unterstützen Sie Baschar al Assad?

Larijani:
Die Unterstützung Baschar al Assads ist Teil unserer Regionalpolitik. Wir stellen uns damit gegen die Hegemonie Israels. Die USA und die EU wollen einen Wandel in Syrien durchsetzen. Sie wollen im Namen der Demokratie einen Diktator zu Fall bringen. Europa ist der Handlanger Israels. Der bessere Weg wäre, bewaffnete Terroristen aufzuhalten, nach Syrien zu gehen. Die Opposition muss sich zusammensetzen und es muss Wahlen geben. Baschar al Assad war damit einverstanden. Dann würde auch der Iran die Entscheidung der Syrer unterstützen.

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