Jagoda Marinić, zornige Stimme von 16 Millionen "neuen Deutschen"

Jagoda Marinić, zornige Stimme von 16 Millionen "neuen Deutschen"
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Von Kirsten Ripper
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16 Millionen “neue Deutsche” leben in Deutschland. Jagoda Marinić gibt ihnen eine Stimme in ihrem Buch Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?. Es ist der ihrer Ansicht nach jahrzehntelang unterdrückte Aufschrei: “Wir! Sind! Hier!”

Geboren 1977 in Waiblingen – ist Jagoda Marinić eine dieser Deutschen, der es Behörden, Politiker und andere Deutsche schwer gemacht haben, weil ihre Eltern aus Dalmatien (damals Jugoslawien, heute Kroatien) emigriert waren. Als sogenannte “Bildungsinländerin” durfte sie zwar in Heidelberg studieren, aber nicht Lehrerin werden. Jagoda Marinić wurde Schriftstellerin, Journalistin und Leiterin des “International Welcome Center” in Heidelberg. Sie hat auch in Berlin, Zagreb, Split und New York gelebt. In den USA fühlt sich Marinić eher verstanden als in dem Land, in dem sie aufgewachsen ist. Sie ist für das “Can-Do Germany”, das in der US-Presse bewundert wurde, und für ganz konkrete Schritte zur Integration wie das kommunale Wahlrecht für Einwanderer. Die Politiker, die die “neuen Deutschen” seit Jahrzehnten übersehen haben, bezeichnet Jagoda Marinić auch als “die Parallelgesellschaft der alten mächtigen Herren, die ihr eigenes Land nicht kennen”.

Jagoda Marinić hält Deutschland, aber auch uns ganz persönlich den Spiegel vor mit ihrem kritischen und zornigen Blick auf ein Land, das jahrzehntelang kein Einwanderungsland sein wollte. Eine neue internationale Studie untermauert die These von der wenig modernen nationalen Identität: Im Gegensatz zum internationalen Trend sieht sich die Mehrheit der Deutschen nicht als Weltbürger.

Die Autorin meint, sie müsse auch deshalb zornig sein, weil die Generation der Gastarbeiter nicht zornig genug war, weil sie sich nicht genug aufgelehnt haben dagegen, dass sie als “verlängerter Arm der Maschine” oder “wie Vieh” behandelt wurden, Wut ist für Jagoda Marinić vor allem konstruktiv und dient dazu, Ungerechtigkeit abzubauen: “Es geht darum, das Gefühl abzustreifen, dass man ständig irgendwie nicht ganz sein soll. Nicht ganz richtig hier. Es gibt kein zweites Leben, kein Land auf Reserve.”

Jagoda Marinić analysiert unsere Sprache – wie “Menschen mit Migrationshintergrund”, sie sagt lieber Migrations-Geschichte oder Migrations-Erfahrung, und sie fragt: Warum eigentlich Migration für jemanden, der in Deutschland geboren ist?

In vielen deutschen Städten sind die Kinder mit Migrationsgeschichte in ihren Klassen gar keine Minderheit mehr. Wenn der Lehrer dann klagt, wie schwer es sei, diese Kinder zu integrieren, stellt sich die Frage: In welches Deutschland sollen sie sich denn integrieren?

Zur aktuellen Flüchtlingskrise befragt, bezeichnet Jagoda Marinić diese “als Prüfung.” Sie sagt: “Ich weiß nicht, wo das hinführt. Ich weiß, dass es etwas gesellschaftlich sehr Schwieriges losgetreten hat – und Schuld daran sind nicht die Flüchtlinge.”

Hier geht es zum Twitter-Account von Jagoda Marinić

Rede von Jagoda Marinić 2015 in Washington

Rede von Jagoda Marinić 2013 in Nürnberg

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