Bergkarabach-Konflikt: Ein "Stellvertreter-Krieg"

Bergkarabach-Konflikt: Ein "Stellvertreter-Krieg"
Von Euronews
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Im Konflikt um Bergkarabach haben nicht nur Armenien und Aserbeidschan ihre Finger im Spiel. Russland und die Türkei vertreten dort auch ihre Interessen.

Unsere Reporterin Valerie Gauriat hat sich bei ihrer Reportage ein Bild auf beiden Seiten des Konflikts gemacht. Es geht aber nicht nur um einen Streit zwischen Armenien und Aserbaidschan, wie sie erklärt.

Sophie Claudet:
“Was ist so wichtig an Bergkarabach, dass es wert ist, darum zu kämpfen? Bodenschätze? Ein langer Kampf um Einfluss zwischen, sagen wir, dem christlichen Armenien und dem türkisch-muslimischen Aserbaidschan?”

Valerie Gauriat:
“Es gibt Bodenschätze in Bergkarabach wie Gold zum Beispiel, aber nicht in ausreichender Menge, die einen Konflikt rechtfertigt. Darum ging es nie. Es wird auch nicht als religiöser Konflikt angesehen. Die muslimischen Aserbaidschaner und die christlichen Armenier haben über Jahrhunderte in der Region in Koexistenz gelebt. Jeder sollte sich aber um dieses kleine Territorium sorgen, denn wenn der Konflikt offen ausbricht, könnten nicht nur die Region, sondern der ganze Kaukasus und potenziell auch Europa und Länder darüber hinaus destabilisiert werden.”

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— Valérie Gauriat (@valgauriat) 15 September 2016

Sophie Claudet:
“Russland hat historische Verbindungen mit Aserbaidschan, unterstützt aber Armenien. Während die Türkei auf Seiten Aserbaidschans steht. Ist das auch ein Stellvertreterkrieg?”

Valerie Gauriat:
“Nun, da kommt jetzt das größere Bild ins Spiel. Russland hat in der Tat Armenien unterstützt, es ist Armeniens wichtigster Waffenlieferant, es hat zwei Militärstützpunkte dort, einer grenzt an die Türkei. Es hat ein Verteidigungsbündnis mit Armenien, wodurch es Armenien im Konfliktfall unterstützen und schützen muss. Andererseits steht Russland auch Aserbaidschan nahe und ist ebenfalls dessen Hauptwaffenlieferant – was viel Geld für den russischen Staatshaushalt bedeutet. Es ist auch eine Form, den russischen Einfluss in der Region zu sichern. Aber die Türkei will ihren Einfluss im Kaukasus ebenfalls ausbauen. Also kann man sagen, ja, es ist ein Stellvertreterkrieg, nicht wirklich ein Krieg, aber ein Kampf um Macht.”

Sophie Claudet:
“Du sagst, dass Russland Waffen sowohl an Armenien als auch an Aserbaidschan liefert, was schon an sich interessant ist. Welche Rolle hat die Türkei, außer Unterstützung zu demonstrieren?”

Valerie Gauriat:
“Es bestehen da viele wirtschaftliche und andere Verbindungen. Die Türkei hat den Wunsch, die Energierouten zu kontrollieren. Und schließlich, vielleicht am wichtigsten, will Präsident Erdoğan zeigen, dass er alle muslimischen Turk-Minderheiten auf der Welt unterstützt – und das ist eine sehr wichtige Komponente in der Position Ankaras.”

Among the ruins of Caucasus' Hiroshima. Some pictures I took today in Aghdam, Nagorno-Karabakh. pic.twitter.com/8T1Ki81M4m

— Simone Zoppellaro (@S_Zoppellaro) 16 September 2016

Sophie Claudet:
“So ist das also derzeit ein eingefrorener Konflikt, ohne Aussicht auf Frieden, ohne Aussicht aber auch auf einen offenen Ausbruch eines langen Krieges?”

Valerie Gauriat:
“Das kann das Szenario sein – aber es ist nicht so sehr ein eingefrorener als vielmehr ein schwelender Konflikt. Es gab immer wieder gewaltsame Zwischenfälle in über zwanzig Jahren, und es wird sie weiter geben, solange der Konflikt nicht gelöst wird.”

Sophie Claudet:
“Abschreckend könnten die Folgen wirken, die der offene Ausbruch des Konflikts in der Region hätte – mit allen betroffenen Großmächten…”

Valerie Gauriat:
“In der Tat. Wenn die Türkei darin verwickelt wird, der Iran, der auch ein Nachbarland ist, Georgien, das benachbart ist – es könnte zu einer sehr, sehr ernsten und dramatischen Lage für die ganze Region werden, für Europa und darüber hinaus. Ein unbekannter Faktor, der in der weiteren Entwicklung der Lage eine Rolle spielen könnte, ist die Persönlichkeit der darin verwickelten Staatschefs – Aliyev in Aserbaidschan, Sargsyan in Armenien, Erdoğan in der Türkei und natürlich Putin.”

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