Opfer sexuellen Missbrauchs: Alleingelassen von der Justiz

Opfer sexuellen Missbrauchs: Alleingelassen von der Justiz
Von Euronews
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400 Opfer sexueller Gewalt in neun EU-Ländern befragt

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Das Leiden von Kindern, die sexuell missbraucht werden, wird durch das Versagen der Justiz noch verschlimmert. Das geht aus einem neuen Bericht hervor, den die Europäische Agentur für Grundrechte herausgegeben hat.

Dort steht, dass die Kinder alleingelassen werden und hilflos ihrer Situation gegenüber stehen, weil Polizisten und Justizangestellte nicht dafür ausgebildet sind, mit ihnen umzugehen.

Zum ersten Mal geht ein Bericht in dieser Art und Weise auf das Problem ein. Die Kinder und Jugendlichen würden oft nicht richtig angehört und verstünden das juristische Prozedere nicht.

Dr. Astrid Podsiadlowski, Autorin des Berichts, sagte gegenüber euronews, einige Kinder hätten der Polizei nicht alles gesagt, weil ihnen nicht mitgeteilt worden war, wie wichtig ihre Aussage in Bezug auf die Bestrafung der Täter sei. Zeugenaussagen sind oft das Wichtigste in dieser Art Prozess und oft ist das Opfer der einzige Zeuge.

Der Bericht, in dem 400 Kinder aus neun EU-Ländern interviewt wurden, sagt aus, die Kinder und Jugendlichen fühlten sich oft von der Justiz nicht genug beschützt.

Die Kinder sprachen von unfreundlicher Behandlung seitens des Justizapparats, sowohl von Anwälten, Richtern und Polizeibeamten.

Die Forscher interviewten zum Beispiel sexuell missbrauchte Kinder in Frankreich, die letztendlich keine Klage einreichten, weil eine Polizistin unfreundlich zu ihnen gewesen war und wiederholt das Wort “Vergewaltigung” benutzt hatte.

Opfer sexueller Gewalt – etwa in Bulgarien – erzählten, sie seien von männlichen Polizisten interviewt worden, obwohl sie ausdrücklich um eine Frau gebeten hätten, die sie befragen sollte. Sie hätten sich “unwohl und eingeengt” gefühlt.

Dr. Podsiadlowski, Chefin des Sektors Kinderrechte bei der Agentur, erklärte, eine kinderfreundliche Umgebung bei der Befragung sei von Vorteil, allerdings sei es noch wichtiger, dass die Kinder mit Respekt behandelt würden und man ihnen genügend Informationen zur Verfügung stelle. Sie forderte, eine Person solle dafür dasein, die das Kind speziell durch das juristische Prozedere führe.

“In den Fällen, in denen dem Kind eine solche Person zur Verfügung stand, machte dies einen großen Unterschied und das Kind war viel besser informiert”, sagte Dr. Podsiadlowski. Sie fügt hinzu: “Das ist nicht automatisch so. In einigen Ländern, wie etwa in Großbritannien und Deutschland, ist es so, aber nicht überall.”

Der Direktor der Agentur Michael O’Flaherty meinte: “Wir setzen Kinder, die ohnehin schon schlimme Dinge erlebt haben, unnötig weiteren Stresssituationen aus.” Außerdem erklärte er: “Die Politik muss sicherstellen, dass die Ängste der Kinder, die sich auf das juristische Prozedere beziehen, ernst genommen werden und möglichst gering gehalten werden.”

Zitate von deutschen Kindern

Mädchen (14): “Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte, und ich habe es überhaupt nicht verstanden, warum ich das immer 50 Mal wiederholen musste. Und immer zu einer anderen Person.”

Junge (10): “Auf jeden Fall war es nicht so ein schönes Gefühl zu wissen: Okay, wenn ich jetzt etwas falsch mache, bleibt es immer so. J. Das war eigentlich das einzige Gefühl: Und dann bleibt es immer so. Bei dem Richter hatte ich das Gefühl: Einmal Fehler machen, und dann – wusch, für immer.”

Mädchen (14): “ Ich war kurz vor dem Weinen, weil sie mich so tyrannisiert haben und so versucht haben, mich auf diese andere Seite zu rücken und mich von meiner Meinung abzubringen. Wie sie mir gegenüber trat, war wirklich herablassend.”

Mädchen (13): “Er ist danach zu uns gekommen, hat uns die Hand geschüttelt, hat gesagt, ihr seid bisher die taffsten Kinder, die ich je hier vor Gericht hatte.”

#Children say respect and understanding key to #childfriendly#justice, new FRA report out today https://t.co/rv8vjylWEgpic.twitter.com/LOwUdh9X6d

— EU FundamentalRights (@EURightsAgency) 22. Februar 2017

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