Brasilien: Präsident Temer lehnt Rücktritt ab

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Von Euronews
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Brasiliens Staatspräsident Michel Temer lehnt nach Enthüllungen um Schweigegeldabsprachen in einem Korruptionsskandal einen Rücktritt ab. „Ich werde nicht zurücktreten“, sagte er in einer kämpferischen Ansprache in Brasilia. „Ich habe das Schweigen von niemandem erkauft.“ Der konservative Politiker forderte eine rasche Untersuchung und kritisierte, dass er abgehört worden sei. Von allen Seiten kamen Forderungen nach einem Rücktritt. Die Börse brach dramatisch ein, Partner drohen mit Koalitionsbruch.

Das war passiert: Medienberichten zufolge gab es ein Treffen Temers mit Joesley und Wesley Batista – den Brüdern gehört der größte Fleischkonzern der Welt, JBS. Gegen JBS wird auch in dem Skandal ermittelt. Temer soll grünes Licht gegeben haben, den inhaftierten Ex- Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha mit einer Geldzahlung zum Schweigen zu bringen. Cunha gilt als einer der bestinformierten Politiker Brasiliens, wenn es um all die Verwicklungen des Lava-Jato-Korruptionsskandals geht, der das Land seit drei Jahren in Atem hält und die ganze politische Klasse in Misskredit gebracht hat. Anschließend soll der Abgeordnete Rodrigo Rocha Loures von Temers Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) dabei gefilmt worden sein, wie er einen Geldkoffer mit 500 000 Reais (146 000 Euro) entgegennahm – er soll von Temer mit dem Lösen der Sache beauftragt worden sein.
Das Geld soll von Batista stammen. Zudem soll Ex-Präsidentschaftskandidat Aécio Neves zwei Millionen Reais (580 000 Euro) von Batista gefordert haben, um beim Lösen der Probleme zu helfen. Er ist heute Senator und Chef des wichtigsten Koalitionspartners, der Sozialdemokraten.

Der Oberste Gerichtshof kündigte Ermittlungen gegen Temer an, erste Minister traten zurück, Koalitionspartner drohten mit dem Bruch, so dass Temers Präsidentschaft am seidenen Faden hängt. Das Gericht ließ Neves’ Immunität aufheben, es kam zu Razzien. Auch die Immunität des Geldüberbringers Loures wurde aufgehoben, beiden droht nun Gefängnis. Batista soll das Gespräch mit Temer aufgezeichnet haben und das Material dem Richter am Obersten Gerichtshof, Edson Fachin, übergeben haben – wohl, um von einer Kronzeugenregelung zu profitieren.

Die Bewegungen, die 2016 auf der Straße für die Absetzung der Präsidentin Dilma Rousseff gekämpft hatten, fordern nun Temers Aus. Rousseffs linke Arbeiterpartei (PT) forderte Neuwahlen. Der Leitindex Ibovespa mit den Werten von rund 70 Unternehmen fiel an der Börse in São Paulo um bis zu 15 Prozent, der Handel musste immer wieder ausgesetzt werden. Der US-Dollar wurde so stark wie seit Monaten nicht mehr im Vergleich zur Landeswährung Real notiert. Aktien des Energiekonzerns Petrobras fielen um bis zu 20 Prozent, die Papiere der Banco do Brasil um 25 Prozent.

In einem ungewöhnlichen Schritt teilte die Zentralbank mit, dass sie notfalls interveniere. Temer hatte vor einem Jahr Rousseff abgelöst, die wegen angeblicher Bilanztricks des Amtes enthoben worden war. Ausgerechnet Cunha hatte für Temer das Amtsenthebungsverfahren auf den Weg gebracht; er war dann aber über Schweizer Millionenkonten gestolpert und fühlt sich von Temer im Stich gelassen. Letzten Herbst wurde er verhaftet. Temer konnte sich bisher schadlos halten. Aber die Vorwürfe, dass er versucht hat, Informationen eines Mitwissers zu unterbinden, könnten den 76-Jährigen zu Fall bringen. Seine Beliebtheit war zuletzt auf neun Prozent gesunken. Nach Umfragen gilt bei Neuwahlen derzeit Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (2003-2010) von der PT als Favorit – aber auch gegen ihn laufen Korruptionsermittlungen.

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