Motiv Antisemitismus? Warum wurde Mireille Knoll (85) mit 11 Messerstichen getötet?

Gedenkstätte für Mireille Knoll in Frankreich
Gedenkstätte für Mireille Knoll in Frankreich Copyright Thibault Camus/Copyright 2018 The Associated Press. All rights reserved.
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Von Euronews mit AFP, AP
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In Paris hat der Prozess zum Mord an Mireille Knoll begonnen. Die beiden Angeklagten beschuldigen sich gegenseitig.

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In Paris hat der Prozess zum Mord an der Holocaust-Überlebenden Mireille Knoll begonnen. Die 85-Jährige war am 23. März 2018 in ihrer Wohnung in Paris mit 11 Messerstichen getötet worden. Nach der Ermordung war die Wohnung im 11. Arrondissement in Brand gesetzt worden. Nachbarn alarmierten die Feuerwehr.

Die beiden Angeklagten - ein 32-Jähriger und ein 25-Jähriger mit chaotischen Lebensläufen - beschuldigen sich gegenseitig, die alte Dame ermordet zu haben. Sie waren sich 2017 im Gefängnis von Fleuris-Merogis begegnet. Einer der Angeklagten - Yacine M. - war ein Nachbar von Mireille Knoll, der auch dafür verurteilt wurde, dass er die 12-jährige Tochter einer Pflegerin von Mireille Knoll sexuell missbraucht hat.

Yacine M. (32) gibt zu, ein Feuer gelegt zu haben, bestreitet aber den Einbruch und den Mord. Alex C. (25) sagt, er sei in das Haus eingebrochen und habe Yacine M. sein Feuerzeug gegeben. Aber auch er bestreitet die Ermordung.

War es ein Mord aus Antisemitismus?

Mireille Knoll litt an Parkinson. Sie war 1932 geboren und vor den Nazis aus Paris nach Portugal geflohen. Ihr vor 20 Jahren verstorbener Mann hatte das Vernichtungslager Auschwitz überlebt.

Der Anwalt der Familie von Mireille Knoll ist überzeugt, dass es sich um einen Mord mit antisemitischem Hintergrund handelt. Gilles-William Goldnadel vergleicht die Tat mit dem Terroristen Mohamed Merah - der in Südfrankreich 2012 sieben Menschen getötet hatte - und sagt:  "Es ist nicht Mohamed Merah, der eine jüdische Schule betritt, um kleine jüdische Kinder zu töten. Wir haben es hier mit einem niederträchtigen Antisemitismus zu tun, der in erster Linie auf Diebstahl und dann auch noch auf Antisemitismus beruht. Ich vergleiche es in gewisser Weise mit den Muzhiks, die in Russland Pogrome verübten, die gerne jüdisches Eigentum plünderten, sich aber gleichzeitig mit dem Gedanken trösteten, dass sie das Volk der Gottesmörder angriffen. Es handelt sich um einen Antisemitismus von Schurken, nicht um einen hochtrabenden intellektuellen Antisemitismus."

Charles Consigny, der Anwalt von Yacine M., bestreitet den antisemitischen Hintergrund. Er meint: "Das antisemitische Motiv existiert in diesem Fall nur, weil der Mitangeklagte von Yacine versucht hat, ein Motiv zu finden, um Yacine M. zu beschuldigen. Genauso wie er versucht hat, Yacine M. als Islamisten darzustellen, was ganz und gar nicht stimmt."

Kindheit mit Schlägen und sexueller Gewalt

Am ersten Prozesstag wurden die Angeklagten auch zu ihrer Kindheit befragt. Yacine M. berichtet von den Schlägen, die sein alkoholkranker Vater ihm verpasste, und dass er im Internat - als er 12 war - vergewaltigt wurde. Daraus sei in ihm eine Mischung aus Bitterkeit und Hass entstanden.

Auch Alex C. erzählt von Gewalt in der Familie, er wurde von seinem Stiefvater geschlagen und von den Stiefbrüdern sexuell belästigt. Der junge Mann ist in Pflegeheimen aufgewachsen. Dass er mit Yacine M. befreundet war, bestreitet er. Alex C. hat zahlreiche Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken hinter sich und in der Haft versucht, sich umzubringen. Auf sein Bein hat er das Wort "innocent" ("unschuldig") eintätowiert.

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