"Wir werden die Ukraine so lange wie nötig unterstützen: 5 Jahre, 10 Jahre, 15 Jahre"

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Von Oleksandra Vakulina
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Sanna Marin, Ministerpräsidentin von Finnland, der US-Parlamentsabgeordnete Gregory Meeks, Maia Sandu, Präsidentin der Republik Moldau, und Jean-Pierre Clamadieu, Vorstandsvorsitzender von Engie, erörtern die Auswirkungen des Krieges.

euronews: Wir beginnen die Diskussion „Krieg in Europa: Das zweite Jahr“. In der Eröffnungsrede in Davos sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, dass die Antwort Europas auf den Krieg das jüngste Beispiel dafür sei, wie unsere Union zusammenhält, wenn es darauf ankommt. Es ist fast ein Jahr her, dass Russland in die Ukraine einmarschierte. Der Krieg hat große Auswirkungen, nicht nur auf die Ukraine, sondern auch auf ganz Europa und die Welt. Welche politischen Maßnahmen müssen ergriffen und welche Schwachstellen in Europa behoben werden, während Russlands unbegründete Krieg weitergeht? Darüber werden wir diskutieren.

Es ist mir eine Ehre, Ihnen die Anwesenden vorzustellen: Sanna Marin, die Ministerpräsidentin von Finnland, Gregory Meeks, ranghöchstes Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses. Maia Sandu, Präsidentin der Republik Moldau, und Jean-Pierre Clamadieu, Vorstandsvorsitzender der Engie-Gruppe. Mein Name ist Sascha Vakulina von Euronews, ich werde dieses Gespräch moderieren.

Die erste Frage richtet sich an Sanna Marin. Inwieweit hat der Krieg zu Veränderungen in wirtschaftlichen, politischen und auch militärischen Beziehungen in Europa geführt? Inwiefern können wir erwarten, dass sich diese Beziehungen, da das zweite Jahr des Krieges beginnt, weiter entwickeln?

**Sanna Marin:**Ich stimme Ursula von der Leyen voll und ganz zu, dass der Krieg nicht nur die Ukraine betrifft, sondern ganz Europa, ja sogar die ganze Welt. Wir erleben diesen geopolitischen Wandel in der Welt, und es herrscht ein Krieg der Werte in der Welt. Die auf Regeln aufbauende Ordnung wird in Frage gestellt, das betrifft alle: nicht nur die Ukraine, sondern weltweit alle Menschen. Und der Krieg betrifft auch Europa auf sehr deutliche Weise. Wir befinden uns nicht nur im Krieg in der Ukraine, sondern auch in einem Energiekrieg in Europa. Russland setzt Energie als Waffe gegen Europa ein und versucht, unsere Unterstützung für die Ukraine zu schmälern. Putin versucht, uns Angst vor Russland zu machen, vor dem, was geschehen könnte. Er will, dass wir und unsere Bevölkerung darüber nachdenken, was der Preis eines Krieges ist. Wir sehen bereits, dass die Menschen in Europa wegen der hohen Energiepreise frustriert sind. Aber die Antwort ist nicht, unsere Unterstützung für die Ukraine zu verringern. Die Antwort muss genau das Gegenteil sein. Wir müssen der Ukraine mehr Unterstützung zukommen lassen, mehr Waffen, mehr humanitäre Hilfe, mehr finanzielle Hilfe, um sicherzustellen, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet wird und die Ukraine gewinnt. Das ist entscheidend. Unsere Antwort auf Putins Schraubenzieher, den er jetzt in Sachen Energie gegen Europa einsetzt, sollte sein, dass wir der Ukraine mehr Unterstützung geben.

euronews: Präsidentin Sandu, was sind neben den sozioökonomischen Verwerfungen die anderen wichtigen Punkte der Verwundbarkeit durch die Auswirkungen des Krieges in Europa und was wird getan, um diese Verwundbarkeit zu mindern? Denn Ihr Land ist in einer besonderen Lage, wenn es um diesen Krieg in Europa und den russischen Angriff gegen die Ukraine geht.

Maia Sandu: Natürlich war die Republik Moldau anfälliger, weil sie vor dem Krieg zu 100 % von Gaslieferungen abhängig war. Jetzt beziehen wir nur noch 40 % unseres Gases von Gazprom. Wir haben es geschafft, uns schnell breit aufzustellen und andere Energiequellen zu finden. Die Propaganda stellt ein großes Problem für mein Land dar. Aber das ist ein großes Problem für viele Länder. Wir müssen lernen, wie wir dieses Problem wirkungsvoller angehen: Es geht um Cybersicherheit.

Ich stimme damit überein, dass Russland darauf gesetzt hat, uns mit der Energiekrise zu erpressen, und dass es Europa gelungen ist, eine Lösung zu finden. Und das war nicht einfach. Wir haben einen Preis zu zahlen, und es tut uns leid, dass unser Volk einen hohen Preis zahlen muss. Aber wir glauben an die Demokratie. Wir schätzen die Demokratie. Wir wollen ein Teil der freien Welt sein. Und die einzige Lösung ist, zusammen zu bleiben. Es ist schwierig, aber wir müssen der Ukraine helfen, diesen Krieg zu gewinnen, denn sonst sind wir alle in Gefahr.

Wir befinden uns in einer Lage, in der ich recht zuversichtlich sage, dass es in den letzten Wintermonaten in Europa keine Unterbrechung der Energieversorgung geben wird, weder beim Gas noch beim Strom.
Jean-Pierre Clamadieu
Vorsitzender des Verwaltungsrates des Unternehmens Engie

euronews: Herr Clamadieu, welche Faktoren, die dem derzeitigen wirtschaftlichen Abschwung und der möglichen Rezession in Europa zugrunde liegen, werden durch den Krieg am meisten verschärft? Und inwieweit wird die wirtschaftliche Erholung Europas von den Ergebnissen des Krieges abhängen?

Jean-Pierre Clamadieu: Wir befinden uns in einer Lage, in der ich recht zuversichtlich sage, dass es in den letzten Wintermonaten in Europa keine Unterbrechung der Energieversorgung geben wird, weder beim Gas noch beim Strom. Die Preise beginnen zu sinken. Wir sind noch nicht wieder da, wo wir vor zwei Jahren waren, aber wir sind wieder auf einem etwas nachhaltigeren Niveau. Ich möchte die Auswirkungen dieses Konflikts nicht herunterspielen. Es liegt auf der Hand, dass er die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gegenüber der amerikanischen stark beeinträchtigt. Es wird wahrscheinlich noch ein paar Jahre dauern, bis die Auswirkungen der Flüssiggaslieferungen für die europäischen Verbraucher sichtbar werden. Dank der Abstimmung zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Industrie konnten wir dieses Jahr 2022 besser überstehen, als wir zu Beginn des Konflikts erwartet hatten.

**euronews:**In knapp einem Monat, am 24. Februar, ist ein Jahr Krieg. Jeder will wissen, es ist eine 1-Milliarde-Dollar-Frage: Wie lange wird er dauern und wie wird es weitergehen?

Sanna Marin: Die Schlüsselelemente sind, dass wir ganz offen und laut sagen müssen, dass wir die Ukraine so lange wie nötig unterstützen werden. Es gibt nicht das Szenario oder die Möglichkeit, dass die Unterstützung durch Europa oder die westliche Welt oder die Demokratien nachlässt. Wir werden die Ukraine so lange wie nötig unterstützen: fünf Jahre, zehn Jahre, fünfzehn Jahre... was immer nötig ist. Es ist die Sache der Ukrainer zu entscheiden, wann sie zu Verhandlungen bereit sind, wann sie bereit sind, ein Friedensabkommen zu schließen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu unterstützen. Eine weitere Möglichkeit, wie wir die Lage beeinflussen können, ist: Wir schicken bereits Waffen, und wir müssen mehr und modernere Waffen schicken. Wir müssen weiterhin finanzielle und humanitäre Hilfe leisten, Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen und härtere Sanktionen gegen Russland verhängen. Aber eine Sache, die meiner Meinung nach die Lage wirklich beeinflussen könnte, sind die gesperrten Vermögenswerte. Es gibt viele eingefrorene Gelder der russischen Zentralbank und von Oligarchen. Wir müssen Lösungen finden, wie dieses Geld verwendet werden könnte. Ich weiß, dass es rechtlich schwierig ist. Aber wir müssen Lösungen finden. Wie können diese Mittel zur Unterstützung der Ukraine, zum Wiederaufbau verwendet werden? Ich glaube, das könnte den Krieg stärker beeinflussen, als wir denken, denn hinter diesen Vermögenswerten und dem Geld stehen viele Interessen. Es löst nicht alles, aber das ist das einzige Mittel, das wir noch nicht eingesetzt haben. Wir müssen den rechtlichen Rahmen dafür finden, um diese Mittel zur Unterstützung der Ukraine einzusetzen.

euronews: Der Wiederaufbau wird nicht aufgeschoben. Es ist nicht so, dass der erst nach dem Krieg anfängt. Sie alle, die Sie das Land besucht haben, wissen, dass der Wiederaufbau bereits Schritt für Schritt begonnen hat. Die Orte, die befreit wurden, werden bereits wiederaufgebaut. Das ist bereits im Gange und das steht in diesem Jahr im Mittelpunkt. Gregory Meeks, wie schätzen Sie die möglichen Entwicklungen ein, die der Krieg in der Ukraine 2023 nehmen könnte, und welche möglichen Entwicklungen könnte auch die NATO nehmen?

**Gregory Meeks:**Ich denke, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen wird, wenn wir ihr die Munition und das, was sie zum Kämpfen braucht, geben. Denn die Entschlossenheit wird sich nicht ändern. Sie ist unerschütterlich. Wie die Ministerpräsidentin gerade angedeutet hat, ist unsere Einigkeit gegenüber Putin wirkungsvoll. Er sucht nach Wegen, sie zu erschüttern. Ich glaube, dass die russische Propaganda besiegt werden wird. Bei Reisen habe ich mit Leuten gesprochen, sogar mit einigen in den Vereinigten Staaten, die der Propaganda glaubten. Sie dachten, dass die Ukraine der Angreifer sei. Es ist offensichtlich, dass das nicht wahr ist. Ich sehe, dass wir enger zusammenrücken und auch andere Verbündete aus anderen Erdteilen einbeziehen werden. Wenn sich die Lage zuspitzt, sie sich die humanitäre Krise ansehen, wenn sie sehen, dass Menschen gezwungen, ausgenutzt, getötet werden und erfrieren... Wenn sie die menschlichen Gefahren sehen und dass dies humanitäre kriminelle Handlungen sind, die Putin begeht, wird uns das noch näher zusammenbringen. Der Kongress in den Vereinigten Staaten hat sich verändert, zum Beispiel im Repräsentantenhaus, das jetzt gespalten ist. Die überwältigende Mehrheit des amerikanischen Volkes, Demokraten und Republikaner, stehen dahinter, sich hinter die Ukraine zu stellen. Das wird sich nur noch verstärken, was mich zu der Überzeugung bringt, dass dies langfristig zum Erfolg führen wird, wenn wir durch den Winter und in den Sommer kommen.

euronews: Eine Folge des Krieges in der Ukraine ist ein größeres Verständnis für Bündnisse und Zusammenarbeit. Die NATO ist eines davon. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wer ihn veröffentlicht hat, aber als Finnland und Schweden den NATO-Beitritt ankündigten, gab es einen Tweet, in dem es hieß, dass Putin die Finnlandisierung der Ukraine anstrebte, aber stattdessen die Ukraineisierung Finnlands und Schwedens erreichte. Sie sind jetzt auf dem Weg dorthin. Wie läuft das ab? Der NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands erfolgt als Antwort auf den Krieg in der Ukraine. Wie geht es voran? Wie steht es um die Zusammenarbeit und auch um die Solidarität? Sie machen das ja nicht allein, sondern Hand in Hand mit Schweden. Denn das entspricht einer anderen Wertschätzung von Bündnissen.

Und die Finnen fragten sich: Was ist die Grenze, die Russland nicht überschreiten würde? Das ist die NATO-Grenze.
Sanna Marin
Ministerpräsidentin Finnlands

**Sanna Marin:**Die Stimmung in Finnland und die Einstellung der Menschen haben sich verändert, als Russland die Ukraine angriff. Wenn man die Finnen vorher gefragt hätte, ob sie denken, dass Finnland der NATO beitreten sollte, hätte die Mehrheit Nein gesagt. Es ist wichtig, dass wir die Möglichkeit haben, uns für den Beitritt zu bewerben. Diese teilnehmende Diskussion hatten wir vorher nicht. Wenn man die Mehrheit der finnischen Bevölkerung oder des Parlaments gefragt hätte, hätten sie gesagt: „Nein, wir sehen nicht ein, dass wir jetzt einen Antrag auf NATO-Mitgliedschaft stellen sollten.“ Als Russland die Ukraine angriff, änderte sich alles. Die Welt hat sich verändert. Unser Nachbar war nicht mehr derselbe Nachbar. Es war ein aggressiver Nachbar, der diese Grenze überschritt. Und die Finnen fragten sich: Was ist die Grenze, die Russland nicht überschreiten würde? Das ist die NATO-Grenze. Deshalb wollten die Finnen, dass wir der NATO beitreten. 188 von 200 Parlamentariern stimmten für die NATO-Mitgliedschaft. Es sind keine 100 %, aber wir sind im Parlament nahe dran. Wir haben diese Einigkeit, den Zusammenhalt und Konsens über den NATO-Beitritt. Ich bin auch froh, dass wir diese Entscheidung zur gleichen Zeit wie unser schwedischer Nachbar getroffen haben, weil es dort dieselbe geopolitische Sichtweise und das Sicherheitsumfeld gibt.

Es ist aus Sicht der NATO sehr wichtig, dass sich Finnland und Schweden gemeinsam um den NATO-Beitritt bewerben. Es gibt zwei Länder, die noch nicht zugestimmt haben: Ungarn und die Türkei. Ich spreche jedes Mal, wenn wir uns im Europäischen Rat treffen, mit Viktor Orban. Er hat gesagt, dass sein Land zustimmt, sobald das Parlament seine Amtszeit in diesem Frühjahr beginnt. Für die Türkei gibt es diesen Zeitplan noch nicht. Natürlich hoffen wir, dass das eher früher als später geschieht. Wir erfüllen alle Voraussetzungen, die für einen NATO-Beitritt erforderlich sind. Finnland gibt bereits mehr als 2 % seines BIPs für die Verteidigung aus - schon seit geraumer Zeit. Wir erkennen, dass die ukrainische Bevölkerung den Kampf für ihr Land sehr unterstützt. Sie kämpft für ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit und ihr Land. Und wenn man die Finnen fragt, wie bereit sie seien, Finnland zu verteidigen, dann stehen wir an erster Stelle. Die Ukraine ist die Nummer zwei. Wir haben schon einmal Krieg mit Russland geführt und wissen, wie das ist. Wir wollen nicht, dass es jemals wieder einen Krieg auf finnischem Boden gibt. Deshalb haben wir uns bei der NATO beworben. Das ist die Grenze, die Russland nicht überschreiten würde. Und das ist der Grund, warum wir uns bei der NATO bewerben.

**euronews:**Präsidentin Sandu, die Republik Moldau bewirbt sich um die Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Das ist ein weiteres Bündnis, das man zu schätzen weiß. Wie wichtig ist das? Wie hat sich auch die Meinung dazu verändert? Denn in Moldau gab es Meinungsumfragen, in denen der Schritt nicht unterstützt wurde. Und um an Gregory Meeks‘ Antwort anzuknüpfen: Das Propagandathema spielt in Moldau seit Jahren eine Rolle.

Maia Sandu: Ich glaube, dass Moldau nur innerhalb der EU eine Chance hat, als Demokratie zu überleben, wenn man betrachtet, was in unserer Region in den nächsten, 10, 15 Jahren geschehen wird. Natürlich hoffen wir alle auf einen raschen Sieg der Ukraine. Den wird es geben. Aber wir können uns nicht vorstellen, dass Russland so bald ein demokratisches Land wird. Das bedeutet, dass die Herausforderungen für die Region bestehen bleiben. Die Republik Moldau hat überlebt und es geschafft, die Herausforderungen zu bewältigen, die sie mir aufgetragen hat, zum Großteil dank der Unterstützung der EU und der Entwicklungspartner. Dafür sind wir dankbar. Eine beständige Republik Moldau ist wichtig für uns, die Ukraine und die EU. Für die EU ist eine friedliche und stabile Ukraine wichtig. Eine friedliche und beständige Republik Moldau ist wichtig, deshalb ist die EU-Erweiterung so wichtig. Die Ukraine hat bewiesen, dass sie den höchsten Preis für die Demokratie und die Werte der EU zahlt. Die Moldauer haben ihr Bestes gegeben. Die Propaganda ist immer noch einflussreich, und wir bekämpfen sie. Aber trotz Propaganda, Armut und vielen Schwierigkeiten haben wir im Laufe der Jahre mehr als 70 % der Bevölkerung hinter uns versammelt. Wir haben eine überdauernde Unterstützung für eine Eingliederung in die EU. Die großzügige Geste des moldauischen Volkes, 600 000 bis 700 000 ukrainischen Flüchtlingen zu helfen, zeigt, dass wir die Werte der EU, Frieden und Freiheit schätzen. Die EU-Erweiterung wird die EU stärken, denn die EU braucht eine friedliche und beständige Ukraine, Moldau und die übrigen Länder, die den EU-Beitritt anpeilen.

Aber wir führen jetzt eine ernsthafte Diskussion darüber, ob wir uns in einer neuen Welt, in der Krieg eine echte Gefahr ist, selbst verteidigen können.
Maia Sandu
Präsidentin der Republik Moldau

euronews: Präsidentin Sandu, glauben Sie, dass NATO-Bestrebungen etwas sind, das Moldau künftig verfolgen könnte?

Maia Sandu: Wir spüren, wie verwundbar wir sind. Die Ukraine verteidigt uns im wahrsten Sinne des Wortes und wir unternehmen Schritte, um unsere Verteidigung zu verbessern. Aber wir sind in Bezug auf das, was wir tun können, ganz nüchtern. Wir sind ein demokratisches Land und müssen die Diskussion führen. Die Unterstützung der Bevölkerung sollte vorhanden sein. Aber wir führen jetzt eine ernsthafte Diskussion darüber, ob wir uns in einer neuen Welt, in der Krieg eine echte Gefahr ist, selbst verteidigen können.

euronews: Jean-Pierre Clamadieu, wie haben sich die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine in der weltweiten Energielandschaft bemerkbar gemacht? Und welche Erwartungen haben Sie, wenn es darum geht, die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beschleunigen - in Bezug auf Russland und allgemein?

Jean-Pierre Clamadieu: Die Herausforderung für Europa besteht in der Stärkung unseres Energienetzes. Das steht in völligem Einklang mit der Notwendigkeit, die Energiewende zu beschleunigen. Wir haben in Europa keine fossilen Rohstoffe - ein bisschen Kohle, aber darauf wollen nicht bauen. Die Herausforderung besteht also darin, die Entwicklung der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Die EU hat einen Fahrplan: Fit for 55. Wir müssen sicherstellen, dass die gegenwärtige Lage diesen Fahrplan nicht verlangsamt. Das Gegenteil ist der Fall. Wir erkennen eine Reihe von Entscheidungen, die die Voraussetzungen dafür schaffen sollten, dass wir die Entwicklung von erneuerbaren Energien, die Entwicklung von Speichertechnologien und die Entwicklung von Wasserstoff beschleunigen können. Das Ziel, die Energiewende zu beschleunigen, wird uns helfen, strategische Unabhängigkeit zu erreichen. Das brauchen wir unbedingt.

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