Europas 'Hauptstadt der Drogentoten' sucht neue Wege zur Senkung der Todesrate

DATEI - ein Mann zählt die Dosen von Crack-Kokain.
DATEI - ein Mann zählt die Dosen von Crack-Kokain. Copyright Damian Dovarganes/2006 AP
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Von Andrew Naughtie, Euronews mit AP
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Schottland, das die mit Abstand höchste Todesrate durch Drogenmissbrauch in Europa aufweist, sucht nach neuen Wegen, um die Zahl der Todesfälle zu senken.

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In Großbritannien wird demnächst der erste offiziell genehmigte Raum für den sicheren Konsum illegaler Drogen eröffnet.

Die Einrichtung wird sich in Glasgow befinden, der größten Stadt Schottlands - einem Land, das bei weitem die höchste Zahl der Drogentoten in Europa aufweist.

Die schottische Regierung hat die Einrichtung des Konsumraums befürwortet, obwohl das britische Recht den bloßen Besitz vieler Drogen schon unter Strafe stellt.

Die Einrichtung, die nächstes Jahr zunächst mit der Einstellung von Personal beginnen swill, wurde erstmals 2016 vorgeschlagen, nachdem in Glasgow unter Menschen, die an öffentlichen Orten Drogen injizierten, ein HIV-Ausbruch aufgetreten war.

Die Befürworter argumemtieren, dass mehr als einhundert ähnliche Einrichtungen auf der ganzen Welt, darunter auch in Deutschland und den Niederlanden, gezeigt haben, dass sie Leben retten und die Gesamtkosten für die Gesundheitsdienste senken.

Das 2,3 Millionen Pfund (2,53 Millionen Euro) teure Zentrum wird von geschultem Gesundheitspersonal betreut und bietet eine hygienische Umgebung, in der Menschen Drogen konsumieren können, die sie anderswo erworben haben.

Die Behörden betonen, dass das Zentrum natürlich nicht zum Drogenkonsum ermutigen wird, sondern sich auf die Schadensbegrenzung und die Vermeidung von Überdosierungen konzentrieren wird.

Den Nutzer:innen wird es nicht gestattet sein, Drogen mit anderen in der Einrichtung zu teilen, und Gesundheits- und Sozialarbeiter werden vor Ort sein, um Rat und Unterstützung zur Genesung und zum Wohlergehen anzubieten.

Kirsten Horsburgh, Geschäftsführerin der Wohltätigkeitsorganisation Scottish Drugs Forum, sagte Euronews in einer Erklärung, dass die Einrichtung durch internationale Erkenntnisse gestützt wird.

"Sichere Einrichtungen für den Drogenkonsum sollten in Gegenden eingerichtet werden, in denen Menschen Drogen im Freien oder an unsicheren Orten injizieren - auf Parkplätzen, Mülldeponien, in Gassen und so weiter. Der Dienst in Glasgow wurde erstmals 2016 vorgeschlagen, um eine Gruppe von Menschen im Stadtzentrum zu versorgen, unter denen ein HIV-Ausbruch aufgetreten war. Dieser Bedarf besteht immer noch, wie in anderen Städten des Vereinigten Königreichs auch.

"Seit dem Vorschlag haben wir einige Veränderungen in der medialen und öffentlichen Debatte und in den Einstellungen erlebt. Ausschlaggebend dafür war die Krise bei den Drogentoten, die als Notstand im Bereich der öffentlichen Gesundheit erkannt wurde, und die anschließende Entwicklung eines stärker auf die öffentliche Gesundheit ausgerichteten Ansatzes anstelle eines rein moralistischen und legalistischen Ansatzes, der über Jahrzehnte hinweg versagt hat."

Chronische Krise

Während die Gesamtzahl der Todesfälle durch Drogenmissbrauch in Europa im Jahr 2022 zurückging, ist die Zahl der jährlichen Drogentoten in Schottland in den letzten zehn Jahren besonders stark angestiegen.

Im europäischen Vergleich ist das Land ein eklatanter Ausreißer.

Mit 248 Drogentoten pro Million Einwohner liegt Schottland weit über den europäischen Ländern mit den nächsthöheren Raten: dem Vereinigten Königreich insgesamt (88 pro Million), Finnland (79 pro Million), Irland (73 pro Million) und Schweden (64 pro Million), so die Zahlen der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht.

Die Gründe für die Krise sind vielfältig, aber die seit langem bestehenden und weit verbreiteten Probleme des Drogenmissbrauchs hängen mit sozialer Marginalisierung und der Armut im Lande zusammen.

Viele der in Schottland zu verzeichnenden Drogentodesfälle stehen im Zusammenhang mit Langzeitkonsum und der Abhängigkeit von injizierten Substanzen, im Gegensatz zu Unfällen unter Gelegenheitskonsumenten.

Ein ernstes Problem stellt auch der Missbrauch von Benzodiazepinen dar, die nach Angaben der schottischen Regierung für 73 Prozent der drogenbedingten Todesfälle im Jahr 2020 verantwortlich waren.

Diese umgangssprachlich als "Benzos" bezeichneten Medikamente sind Beruhigungsmittel, die Schläfrigkeit und hypnotische Zustände hervorrufen.

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"Die Beweggründe für den Benzodiazepin-Konsum unter Drogenkonsumenten sind vielfältig und umfassen nachweislich eine Reihe psychologischer, sozialer, wirtschaftlicher und angebotsbezogener Faktoren", heißt es in einem Regierungsbericht.

Weitere "Motivationen sind häufig das Selbstmanagement psychiatrischer Störungen und negativer Erfahrungen, ihre angenehme Wirkung und die Erschwinglichkeit bzw. der einfache Zugang".

Während einige andere Länder in Europa dazu übergegangen sind, ihre Drogengesetze zu liberalisieren und das Problem aus dem Zuständigkeitsbereich der Strafverfolgungsbehörden in den Bereich der öffentlichen Gesundheit zu verlagern, haben die Regierungen des Vereinigten Königreichs bisher einen eher strafenden Ansatz gewählt.

Schottland hat zwar in vielen Bereichen den Vorteil einer dezentralisierten Regierung, doch kann Edinburgh nicht einseitig Änderungen in der Drogenpolitik vornehmen. Sie wird von London bestimmt.

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