Das Risiko einer Hungersnot im Gazastreifen sei groß, weil Ärztinnen und Patienten nur eine Mahlzeit pro Tag erhielten, so WHO-Generaldirektor Ghebreyesus. Derweil forder Israels Ministerpräsident Netanjahu ein Ende der UNRWA-Mission.
Seit Beginn des Kriegs gegen die Hamas sind im Gazastreifen mehr als 100.000 Bewohnerinnen und Bewohner des Küstengebietes getötet oder verletzt worden oder würden vermisst und seien vermutlich nicht mehr am Leben. Das sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus auf einer Pressekonferenz.
WHO: Keine Lieferung von Treibstoff und Nahrungsmitteln möglich
Das Risiko einer Hungersnot sei groß, weil viele medizinische Mitarbeiter und Patienten nur eine Mahlzeit pro Tag erhielten, warnte Ghebreyesus, der erklärte, dass die WHO während einer UN-Mission am Montag medizinische Hilfsgüter an den Nasser Medical Complex (in Chan Yunis, Anm. d. Red.) geliefert habe. Hingegen seien andere Missionen zur Lieferung von Treibstoff und Nahrungsmitteln abgelehnt worden.
"Am Dienstag haben wir einen weiteren Versuch unternommen, Essen zu dem Krankenhaus zu bringen", doch das Essen sei von Menschenmengen aus dem Lastwagen gezerrt worden, "die ebenfalls verzweifelt auf der Suche nach Essen sind. Wir sprechen über verzweifelte Menschen, die Lebensmittel von Lastwagen holen. Was würden Sie in dieser Situation tun, wenn Ihre Familie hungert, wenn Sie hungern?"
UNRWA: Angriffe auf Einrichtungen des Hilfswerks
Derweil zeigt sich das Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge erschüttert über israelische Angriffe auf ihre Unterkünfte. Der UNRWA-Direktor in Gaza, Thomas White, sagte, dass in den vergangenen Tagen die UNRWA ihre Operationen aus der Stadt Chan Yunis, aus dem westlichen Teil der Stadt, habe verlegen müssen. "Wir haben eine Gesundheitsklinik und große Notunterkünfte verloren – Einrichtungen, die die Menschen in Chan Yunis unterstützt haben."
Das UN-Hilfswerk berichtet, die israelische Armee habe seit dem 7. Oktober mindestens 260 Mal ihr Gelände in Gaza angegriffen, dadurch seien mindestens 360 Palästinenser getötet worden. Die Menschen im Gazastreifen könnten nirgendwo hingehen, seien nirgendwo sicher, weder zu Hause, noch im Krankenhaus, noch in UN-Unterkünften, hieß es seitens des UNRWA.
Gaza: Massenflucht durch Krieg
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat unterdessen ein Ende des Mandats des UN-Hilfswerks verlangt. Dieses sei "völlig von der Hamas unterwandert", so der Regierungschef, der eine neutrale Hilfsorganisation im Gazastreifen fordert.
In Kampf gegen die Hamas verschärft Israel zunehmend die Bombardierung von Chan Yunis im Süden des Gazastreifens. Mehr als 43.000 Geflüchtete sind mittlerweile gezwungen, weiter nach Süden in Richtung Rafah zu ziehen.Nach UN-Schätzungen wurden bislang rund 85 Prozent der Bevölkerung Gazas durch den Krieg vertrieben.