Gentechnik-Regeln in der EU: Was die geplanten Lockerungen bedeuten würden

Ein Greenpeace-Aktivist trägt eine Mäusemaske vor einem Transparent gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel vor dem Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel. 2005
Ein Greenpeace-Aktivist trägt eine Mäusemaske vor einem Transparent gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel vor dem Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel. 2005 Copyright YVES LOGGHE/AP2005
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Von Ilaria Federico
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Die sogenannten neuartigen genomischen Verfahren (kurz NGT) sorgen für viele Kontroversen. Das EU-Parlament stimmte für eine Zulassung. Landwirte und Umweltschützer sehen Gefahren, Wissenschaftler Chancen.

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Das Europaparlament will weniger strenge Regeln für Lebensmittel, die aus gentechnisch veränderten Pflanzen bestehen. Eine Mehrheit aus Konservativen, Liberalen und Rechtsaußen-Parteien stimmte am 7. Februar für die Lockerungen. Befürworter erhoffen sich Pflanzensorten, die widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Krankheiten sind und sich besser an die Erderhitzung anpassen. Gegner befürchten, die neuen Sorten könnten auf Felder von Landwirten gelangen, die selbst keine genetisch veränderten Pflanzen anbauen wollen.

Der Molekulargenetiker Mohammed Bendahmane von der École Normale Supérieure de Lyon in Frankreich wendet die Verfahren aktiv bei Rosen an. Er erklärt: "Diese neuen Technologien ermöglichen es uns, Gene innerhalb des Genoms mit chirurgischer Präzision, wie mit einer Schere, auf sehr präzise Weise zu verändern, ohne andere Teile des Genoms zu beeinträchtigen." Man könne eine Funktion einführen oder die gewünschte Funktion verbessern.

Lebensmittel sollen gekennzeichnet werden

Die Zeitersparnis sei beträchtlich, sagt Bendahmane. "Und sie ist sogar noch bedeutender, weil sie präziser ist und wir nur auf den Teil zielen, den wir verbessern wollen." Die Forschung an Rosen werfe nicht nur ein Licht auf ihre Reaktionen auf die Temperatur, was dem Zier- und Kosmetikrosenanbau zugute komme, sondern sie liefere auch wertvolle Erkenntnisse für andere Pflanzen, insbesondere für Obstbäume, die schwieriger zu untersuchen sind. Bei vielen Obstbäumen komme es zu einer früheren Blüte, was die Bestäubung stört und zu Ernteverlusten führe.

Nach dem Willen des Europaparlaments sollen alle Produkte aus gentechnisch veränderten Pflanzen die Angabe "neue genomische Verfahren" auf dem Etikett tragen – egal ob sie mit bisherigen oder neuen Gentechnikmethoden gezüchtet wurden. Das seien aber verschiedene Dinge, sagt Georges Freyssinet, Präsident des französischen Verbands für Pflanzenbiotechnologie: "Die neuen Technologien unterscheiden sich grundlegend von den früher verwendeten Methoden, denn bei der Transgenese wird ein neues Gen eingeführt, während wir jetzt einfach ein bestehendes Gen verändern".

Warnung vor "noch kapitalistischerer" Landwirtschaft

Durch den Klimawandels gebe es eine Umverteilung von Krankheiten, meint Freyssinet. Insekten wanderten von Süden nach Norden und die erhöhte Luftfeuchtigkeit führe zu einem Anstieg von Pilzinfektionen. Seine Schlussfolgerung: "Angesichts dieser Veränderungen in der Natur müssen wir rascher reagieren. Diese Technologien, die die Forschung und Entwicklung beschleunigen, sollten uns in die Lage versetzen, Pflanzen zu entwickeln, die sich an künftige Veränderungen anpassen können."

Einige Landwirte betrachten diese NGT-veränderten Pflanzen jedoch als potenziell schädlich für die Landwirtschaft. Einer von ihnen ist Christian Foilleret, Landwirt und Aktivist der Vereinigung Faucheurs Volontaires. Die NGT sind für ihn und die Vereinigung ein Missstand: "Es ist ein großes Problem, wenn das Vorhaben durchgeht. Es stellt einen Präzedenzfall für die Patentierung von Lebewesen mit vielen potenziellen Missbräuchen dar. Wir bewegen uns auf eine Landwirtschaft zu, die noch produktiver und kapitalistischer ist."

Genmanipulation statt Pflanzenforschung?

Gefragt nach Lösungen für die Landwirtschaft in einer immer heißer werdenden Welt verweist Foilleret auf alternative Ansätze. "In meinem Betrieb konzentriere ich mich auf die Beherrschung bestehender Techniken und ihre Anpassung an bestimmte Pflanzen. Wir können nicht jede beliebige Pflanze irgendwo anbauen. Die Pflanzen müssen an ihre Umgebung angepasst sein", erklärt der Landwirt. Studien hätten gezeigt, dass Tomaten auch ohne Wasser gedeihen. Man vernachlässige die Pflanzenforschung zugunsten der Genmanipulation.

In Europa sind die Ernten in den vergangenen 50 Jahren um 30 Prozent zurückgegangen. Das veranlasst einige dazu, eine Änderung der Art und Weise, wie die Landwirtschaft betrieben wird, zu fordern. Obwohl die NGT-Methode auch anderswo in der Welt angewandt wird, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit vor möglichen Sicherheitsbedenken hinsichtlich ihrer Anwendung gewarnt.

Bevor die Lockerungen endgültig beschlossen werden können, müssen sie noch mit den EU-Staaten ausgehandelt werden. Die haben sich allerdings noch nicht auf eine gemeinsame Position geeinigt. Nach Abschluss der Verhandlungen müsste das Vorhaben nochmals eine Mehrheit im Parlament finden. Dabei kommt es entscheidend auf die Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl an.

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