Wie der niederländische Afsluitdijk Tier- und Pflanzenwelt verändert hat

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Der 32 Kilometer lange Deich trennt das Ijsselmeer von der Nordsee. Zu den Leidtragenden gehören Fische und Seegräser. Aber es sind Maßnahmen ergriffen worden, um der Natur auf die Sprünge zu helfen.

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Der zwischen 1927 und 1933 gebaute Afsluitdijk (Abschlussdeich) gehört zu den bekanntesten Bauwerken der Niederlande. Er wurde in Folge eines verheerenden Hochwassers im Jahr 1916 gebaut, um die Bevölkerung vor dem Meer zu schützen. Das Bauwerk trennt das Ijsselmeer von der Nordsee, ist 32 Kilometer lang und verbindet Friesland mit Noord-Holland. Aus der Zuidersee, die eingedeicht wurde, wurde ein Süßwassersee.

Der Deich ist auch eine Sehenswürdigkeit für Feriengäste, er verzeichnet jährlich rund 300 000 Besuche. Viele überqueren das Meer auf dem Fahrrad und mittels PKW, in dem sie den Afsluitdijk befahren. Allerdings ist der Deich wegen Bauarbeiten derzeit und noch bis Anfang April 2022 weder zu Fuß noch per Fahrrad zu nutzen.

Der Bau des Afsluitdijk hatte schwerwiegende Folgen für die Unterwassernatur des Wattenmeeres
Wouter van der Heij
Meeresökologe bei De Waddenvereniging

„Der Bau des Afsluitdijk hatte schwerwiegende Folgen für die Unterwassernatur des Wattenmeeres", sagt Wouter van der Heij, Meeresökologe bei De Waddenvereniging, einem niederländischen Verein, der sich für den Erhalt des Wattenmeeres einsetzt. Der Eingriff in die Umwelt habe zwangsläufig das Fischwanderverhalten verändert. Hunderte Fischarten seien davon betroffen, so van der Heij. Es wurden Schleusen gebaut, um die Fischwanderung trotz Deich zu ermöglichen, allerdings stellte sich heraus, dass dort die Strömung dafür sorgte, dass nur die kräftigsten Fische überlebten.

„Millionen von Fischen warten im Wattenmeer vor diesen Schleusen. Sie können das Süßwasser auf der anderen Seite riechen und wollen dorthin schwimmen, aber die Strömung ist zu stark und der Übergang zwischen Salz- und Süßwasser zu plötzlich", sagen die Fachleute von De Waddenvereniging. Bei vielen Fischarten hat durch die Wanderungshinderung der Bestand zum Teil deutlich abgenommen.

Laura Govers
SeegraspflanzungLaura Govers

Auch die Unterwasserpflanzenwelt ist von den Auswirkungen betroffen, das gilt vor allem für Seegräser. Meeresbiologin Laura Govers von der Universität Groningen befasst sich seit 2007 mit dieser Pflanzenart. Das Seegras sei für die Artenvielfalt von großer Wichtigkeit, so die Wissenschaftlerin. „Wie viele Mangrovenwälder und Korallenriffe bildet es ein Ökosystem", sagt Govers. Auch für das Aufwachsen junger Fische ist das Seegras überlebenswichtig und es filtert Schadstoffe aus dem Wasser.

Seegras: Neuanpflanzung per Hand

Daneben wirkt Seegras wie ein Wellenpuffer. Damit die guten Eigenschaften dieser Pflanze im Tier- und Küstenschutz nicht verlorengehen, wird die Seegrasverbreitung künstlich beibehalten, indem es händisch nachgepflanzt wird. Dabei muss darauf geachtet werden, dass es nicht sofort von der Strömung weggespült wird. „In den vergangenen drei Jahren haben wir mit Seegras-Samen aus Deutschland gearbeitet", so Govers. „Wir sammeln die Samen im Herbst, lagern sie im Winter in künstlichem Meerwasser, das wir selbst herstellen, und mischen sie dann im Frühjahr in unseren Labors mit niederländischem Meeresboden. Diese Mischung füllen wir in Spritzpistolen und pflanzen die Samen auf den Meeresboden im Wattenmeer", erläutert sie.

2018 ging man laut Schätzung von rund 10 000 Seegras-Pflanzen aus, dank der systematischen Neubepflanzung auf einer Fläche von 170 Hektar erhöhte sich die Pflanzenanzahl auf gut 100 000. Aber um ein gesamtes Ökosystem aufzubauen, werde man wohl zehn Jahre benötigen, sagt Govers.

Künstlicher Fluss für die Fischwanderung

Für die Fische wurde ebenfalls eine künstliche Lösung in die Wege geleitet: Ein vier Kilometer langer Fluss. Auf diese Weise können kleine und schwächere Fische, die gegen die starke Strömung nicht ankommen, vom Salz- ins Süßwasser gelangen und umgekehrt. Angelegt wurde der Fluss in Kornwerderzand, in dessen Verlauf werden Salz- und Süßwasser vermischt, sodass den Fischen der Übergang erleichtert wird.

„Ein solcher Übergang von Salz- zu Süßwasser ist von Natur aus ein sehr nährstoffreiches Gebiet", sagt Wouter van der Heij von De Waddenvereniging. Der Umweltverein verantwortet das Projekt in Zusammenarbeit mit weiteren Naturschutzorganisationen (It Fryske Gea, Het Blauwe Hart und einer Vereinigung von Sportfischern).

„Nicht nur die Fischbestände können sich auf diese Weise erholen, sondern auch Tieren, die Fisch fressen, wie Robben und Seevögel, kommt das zugute. Mit höheren Fischbeständen verbessern wir auch die Lage der Berufs- und Freizeitfischer. Mit diesem Projekt öffnen die Niederlande das Eingangstor für die Fischwanderung in Europa", heißt es seitens des Vereins De Waddenvereniging.

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