Wenn man im Ausland in Gefahr gerät

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Von Euronews
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“Wir waren am Ende der Welt. Manche sagen, der Vulkan Erta Alé ist das Tor zur Hölle. Wir waren dicht daneben. Unser Nachtlager wurde von Rebellen angegriffen, in den frühen Morgenstunden, um drei Uhr. Wir wurden aus den Schlafsäcken gezerrt. Fünf von uns sind an Ort und Stelle gestorben. Zwei wurden schwer verletzt.”.

Bruno Van den Bossche ist ein professioneller Reiseleiter aus Belgien. Er kam mit dem Leben davon, mit einer Kugel in der Schulter. Es geschah im vergangenen Januar in der instabilen äthiopischen Region Afar nahe der Grenze mit Eritrea. Die rund zwanzig Touristen kamen aus Deutschland, Österreich, Ungarn, Italien und Großbritannien.

“Wir waren in einem sehr entlegenen Gebiet. Die Rettung wurde von der deutschen Botschaft in Addis Abeba koordiniert, aus einem einfachen Grund: Die meisten Opfer waren Deutsche, vier von ihnen wurden von den Rebellen als Geiseln genommen, und zwei weitere Reisende. Und außerdem war es der Begleiter der deutschen Gruppe, der fortging, um Alarm zu schlagen.”

Dies ist zwar ein Extremfall, aber er zeigt, wie wichtig im Ausland konsularischer Beistand sein kann, und wie wichtig die europäische Solidarität ist. Auf diese haben europäische Unionsbürger sogar einen Rechtsanspruch, erklärt Giorgio Porzio vom Europäischen Auswärtigen Dienst in Brüssel:

“Wenn Sie sich in einem Land aufhalten, in dem ihr Staat keine diplomatische Vertretung hat, oder wenn sie dort ihre Botschaft oder ihr Konsulat nicht erreichen können, aus welchem Grunde auch immer, dann können Sie sich an die Vertretung eines anderen EU-Mitgliedsstaates wenden, die Ihnen helfen wird wie einem Bürger des eigenen Landes. Dies ergibt sich aus der gemeinsamen Unionsbürgerschaft. Diese Rechte sind vertraglich festgelegt”.

Unter den EU-Staaten verfügt Frankreich über das größte Netz diplomatischer Vertretungen. Sein wichtigstes Organ ist das Krisenzentrum im Außenministerium am Quai d’Orsay in Paris.

Euronews-Reporterin Anne Devineaux sagt: “Wir sind hier im Krisenzentrum, wo die Hilfe für Bürger im Ausland koordiniert wird, für Franzosen und in manchen Fällen für andere Europäer. Es funktioniert rund um die Uhr, jeden Tag.”

Derartige Einrichtungen gibt es in allen europäischen Hauptstädten. Hier werden zum Beispiel die bekannten Reisewarnungen herausgegeben. Und es werden Hilfsaktionen organisiert, für Einzelpersonen in Not ebenso wie für ganze Krisengebiete. Der Leiter des Zentrums, Serge Mostura, erklärt:

“Das Krisenzentrum hat vier große Aufgaben. Da ist zunächst die Beobachtung von Vorgängen weltweit. Es gibt heutzutage so viele Informationen, dass man die nützlichen heraussuchen muss. Eine weitere Aufgabe ist die Warnung vor bestimmten aktuellen Gefahren. Hinzu kommen Planungsaufgaben, um auf Sicherheitsmaßnahmen für unsere Bürger vorbereitet zu sein, und schließlich die Durchführung solcher Maßnahmen, zum Beispiel einer Evakuierung.”

Tsunami in Japan, Aufstände in der arabischen Welt, terroristische Aktivitäten in der Sahel-Zone: Alle Krisen der jüngsten Zeit haben gezeigt, wie wichtig der konsularische Beistand sein kann. Die Europäische Kommission arbeitet an einer Richtlinie, um die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten zu vereinfachen.

Rund 6000 Unionsbürger hielten sich in Libyen auf, als sich die Krise dort zuspitzte. Aber nur acht Mitgliedsstaaten waren dort noch diplomatisch vertreten. Dazu sagt Giorgio Porzio vom Europäischen Auswärtigen Dienst:

“Als die Mitgliedsstaaten beschlossen, ihre Bürger herauszuholen, schickten sie Flugzeuge und Schiffe. Es war ihre und unsere Aufgabe, diese Aktion zu koordinieren, um die verfügbaren Mittel bestmöglich einzusetzen, – damit also nicht ein Schiff nur halbvoll ablegt, während noch Menschen am Ufer warten. Das gilt natürlich ebenso für den Einsatz von Flugzeugen.”

Der Senegal ist eine ehemalige französische Kolonie in Westafrika. Es ist ein ziemlich ruhiges Land, aber es gibt Spannungen in der Region, und es gibt hier viele europäische Touristen. Aber nur zehn der 27 EU-Staaten haben diplomatische Vertretungen, allen voran die alte Kolonialmacht.

Anne Devinaux berichtet aus Dakar: “In der Ferienzeit reisen viele Europäer in sonnige Gefilde außerhalb der EU. Hier im Senegal begegnet man vor allem Franzosen. Im Notfall würde Frankreich allen europäischen Unionsbürgern beistehen, und vor allem denen, deren Land hier keine konsularische Vertretung bietet.”

Das französische Konsulat in Dakar ist das wichtigste im Lande. Normalerweise hat es nur administrative Aufgaben. Aber im Fall eines politischen Konflikts oder einer Naturkatastrophe würde es eine zentrale Rolle spielen, denn Frankreich wäre dann der sogenannte “federführende Staat” der EU, sagt Generalkonsul Alain Jouret:

“Im Krisenfall müssen wir die Bemühungen aller EU-Staaten koordinieren. Wir sind zuständig für Krisenpläne und Evakuierungen, falls die Behörden des Landes die Sicherheit nicht mehr gewährleisten können.”

Konsularischen Beistand und europäische Solidarität gibt es auch für Einzelpersonen in Not: bei Verlust des Reisepasses, ernster Erkrankung oder schwerem Unfall, bei Überfällen oder Inhaftierung. In diesen Fällen ist jeder EU-Staat verpflichtet, einem Unionsbürger beizustehen, der sich nicht an eine Vertretung seines Heimatlands wenden kann. Der Generalkonsul nennt einen Fall:

“Ein Gefängnisleiter wandte sich an uns und sagte, er habe einen Häftling, der wahrscheinlich Franzose sei. Es war aber ein Tscheche. Im Gefängnis brauchte er gewisse Dinge wie Kleidung, Nahrungsmittel, Medikamente. Das haben wir ihm besorgt, und wir haben auch die zuständige tschechische Botschaft informiert, das ist die Botschaft in der marrokanischen Hauptstadt Rabat.”

Schätzungsweise 90 Millionen Reisen unternehmen die EU-Bürger insgesamt pro Jahr außerhalb der europäischen Union. Doch nur in drei Staaten haben alle 27 EU-Länder diplomatische Vertretungen: in den USA, in Russland und in China.

Paschalis Papachristopoulos ist Vorsitzender eines Verbands, der die Interessen von Unionsbürgern außerhalb der EU vertritt. Er sagt, Europäer müssten über ihren Anspruch auf konsularischen Beistand noch besser informiert werden:

“Wir sind zum Beispiel dafür, dass diese Rechte in derselben Weise publik gemacht werden wie die Fluggastrechte: mit Plakaten an den Wänden aller Flughäfen in der EU. Erste Schritte in dieser Richtung hat es schon gegeben. So gibt es in meinem griechischen Reisepass einen Hinweis auf die entsprechende Webseite der Europäischen Kommission. Allerdings wird das nur von wenigen gelesen.”

Informieren Sie sich vor dem Start: Das ist immer ein guter Rat für Reisende. Und: Lassen Sie Ihr Handgepäck nicht unbeaufsichtigt.

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