Ukraine nach dem Krieg: NGOs drängen auf umweltfreundlichen Wiederaufbau

Solarzellen werden auf einem Hausdach angebracht
Solarzellen werden auf einem Hausdach angebracht Copyright Oleksandr Popenko / Greenpeace
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Von Euronews mit Anna Conkling
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Die Infrastruktur in der Ukraine leidet teils stark unter den russischen Angriffen. NGOs setzen sich für einen umweltfreundlichen Wiederaufbau des Landes ein.

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Ein ukrainisches Krankenhaus, das durch einen russischen Raketenangriff beschädigt wurde, wurde in ein Modell für grüne Energie für die Zukunft der Infrastruktur des Landes umgewandelt, auch wenn der Krieg gegen die Ukraine weitergeht.

Die Zerstörung des kleinen Krankenhauses in Horenka, einem Dorf am Rande von Kiew, erfolgte im ersten Monat der russischen Invasion. Der Beschuss durch eine Rakete schlug auf dem Gelände des Krankenhauses ein und sorgte für zerbrochene Fensterscheiben, Schäden an der Außenfassade und einen Ausfall der Stromversorgung.

Die Folgen machten das Krankenhaus, das einst 10.000 bis 12.000 Patienten aus vier verschiedenen Dörfern versorgte, zu einem Beispiel für die Brutalität von Wladimir Putins Krieg. Die Reparaturen für den Wiederaufbau der Heizung belaufen sich auf rund 56.000 Euro.

"Ich war mit einem anderen Arzt im Krankenhaus. Wir haben versucht, die Menschen zu behandeln und zu impfen", sagte die Ärztin Olena Opanasenko, die im Krankenhaus arbeitet, gegenüber Euronews. "Am 25. Februar 2022 sei die Stromversorgung des Krankenhauses unterbrochen und erst im Mai wiederhergestellt worden, erklärte die Ärztin.

Das Krankenhaus in Horenka ist eines von schätzungsweise 330, die laut einem Bericht der Kyiv School of Economics bis Ende Dezember 2022 landesweit zerstört wurden. Die Schäden an der Infrastruktur erreichten eine Höhe von mindestens 129 Mrd. Euro.

Längst gibt es Debatten, wie die Ukraine nach dem Krieg wieder aufgebaut werden kann.Die Stimmen mehren sich, dass dabei die Ziele des Pariser Klimaabkommens (die CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent zu reduzieren) aus der Zeit vor dem Krieg nicht zwingend berücksichtigt werden müssten.

"Krankenhäuser sind eine der wichtigsten Infrastrukturen"

Doch einige lokale und umweltpolitische NGOs, wie etwa Greenpeace Mittel- und Osteuropa (CEE), Eco Action, Eco Club und Victory of Ukraine, wollten beweisen, dass das Krankenhaus nicht nur schnell wieder aufgebaut werden kann, um den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden, sondern auch so, dass es gegen künftige Angriffe resistent bleibt und ein sauberes Energienetz geschaffen wird, das die Verbrauchskosten senkt.

"Es ist sehr schwierig für die Menschen, diese medizinische Hilfe anderswo in der Region zu erhalten, da viele Krankenhäuser in dem Gebiet beschädigt wurden. Krankenhäuser sind eine der wichtigsten Infrastrukturen, die bereits jetzt wieder aufgebaut werden müssen, während die Menschen zurückkehren, wie im Fall von Horenka", sagte Greenpeace CEE Campaigner Denys Tsutsaiev gegenüber Euronews.

"Ein schneller Wiederaufbau könnte bedeuten, dass man nicht die beste Technologie einsetzt, dass man möglicherweise zu wenig auf die Bedürfnisse der Menschen in der Region eingeht. Das ist nicht gerade förderlich für die zukünftige Widerstandsfähigkeit der Ukrainer", so Tsutsaiev.

Die Arbeit vor Ort begann im letzten Herbst, als die Heizperiode in der Ukraine immer näher rückte und Russland das Land mit ständigen Raketenangriffen überzog.

"Es gab sehr oft Stromausfälle. Wir beschlossen, ein Solarsystem mit Batteriespeicher zu installieren, damit das Krankenhaus die ganze Zeit über ohne Unterbrechung arbeiten kann", erklärte Tsutsaiev.

Bei jedem weiteren Angriff traten Probleme auf, es kam zu Verzögerungen durch Stromausfälle, die das Projekt zum Stillstand brachten. Teilweise musste zwei Monate lang gewartet werden, bis die Ausrüstung für das Solarsystem zum Krankenhaus transportiert werden konnte.

Schließlich wurde jedoch eine Infrastruktur für saubere Energie in dem Gebäude installiert, z.B. eine Heizungspumpe, die Wärme aus dem Boden oder der Luft in der Umgebung des Gebäudes konserviert und sie auf eine Temperatur erhöht, die das Krankenhaus im Inneren warm hält. Außerdem ein hybrides Solarenergiesystem, das mit Hilfe von Sonnenkollektoren tagsüber Energie erzeugt, die dann genutzt werden kann, wenn kein Sonnenlicht vorhanden ist.

Dies führte zu einer 80-prozentigen Senkung der Heizkosten und zu weniger CO2-Emissionen, die laut Tsutsaiev einer der Hauptverursacher des Klimawandels sind.

"Vor dem Krieg interessierte ich mich für die Rettung der Umwelt", sagte Sergiy Regeda, ein Freiwilliger bei Victory of Ukraine. "Ich habe mir verschiedene Dokumentarfilme angesehen und mehr darüber gelernt, über Recycling, über saubere Energie. Und jetzt habe ich direkten Zugang dazu." Jetzt könne man aus erster Hand sehen, wie das funktionierte „und wie wir das in unserer Gemeinde umsetzen können", fügte er hinzu.

Andere Gemeinden

Der Bedarf des Horenka-Krankenhauses wird jeden Tag beobachtet, wobei etwa 50 bis 60 Patienten Ärzte aufsuchen, sich impfen lassen, Untersuchungen und gynäkologische Untersuchungen durchführen lassen. In einem separaten Raum ist auch eine Station eingerichtet, auf der Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen Überlebenden hilft, sich von ihren Verletzungen und ihren Traumata zu erholen.

Mit seinem sauberen Energienetz ist das Krankenhaus auch für künftige Angriffe gerüstet. Das Solarenergiesystem "deckt den Bedarf des Krankenhauses tagsüber zu 100 Prozent ab, und wenn es nachts zu einem Stromausfall kommt, gibt es eine Batterie, die den Strom bis in die Nacht hinein aufrechterhalten kann, so dass die kritische Infrastruktur des Krankenhauses, die Kühlschränke und die Notbeleuchtung, weiter funktionieren", so Tsutsaiev.

Die Nutzung sauberer Energie hat Vorteile, aber auch Nachteile, wie z.B. mögliche Geräteausfälle und die Schwierigkeit, bei Bedarf Ersatz zu beschaffen. Denn auf dem Markt komme es oft zu Engpässen, so dass Geräte teils aus dem Ausland importiert werden müssten, so Tsutaiev.

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Greenpeace hat dem Krankenhauspersonal jedoch erklärt, wie man mit möglichen Störungen umgeht, einschließlich der Überwachung des Solarkraftwerks, der Behebung von Problemen, wenn sie auftreten, der Überwachung des Energieverbrauchs sowie die Möglichkeit, den Verbrauch zu senken, wenn dieser zu hoch sein sollte.

Die NGO hofft nun, dass sich die Erfolge in anderen Gebieten der Ukraine wiederholen lassen. "Wir werben aktiv für das Beispiel des Krankenhauses in anderen Gemeinden, damit sie solche Ideen in ihren Wiederaufbauplan aufnehmen und das Projekt adaptieren können. Wir versuchen, sie [die Mitarbeiter] besser mit den Systemen vertraut zu machen. Und natürlich wissen wir, dass dies eine Art Vorbildcharakter für andere hat.

Ein Aspekt, über den sich Greenpeace und Victory for Ukraine einig sind, ist, dass ein schneller Wiederaufbau der Ukraine keine nachhaltige Option ist, weder für die Umwelt noch für zukünftige Generationen, die in einer freien Ukraine leben werden.

"Wenn wir über den Wiederaufbau von Industrien, Unternehmen und sozialer Infrastruktur sprechen, ist das Wichtigste, dass der Wiederaufbau nach neuen, modernen, wirtschaftlichen, energieeffizienten und ökologischen Weltstandards erfolgen muss", sagte Regeda.

"Ich bin sicher, dass unsere Pläne erfolgreich sein werden. Es ist auch sehr wichtig, die zerstörten Unterkünfte der Menschen wiederherzustellen, denn Millionen von Ukrainern haben ihre Häuser und Wohnungen verloren. Ich bin sicher, dass nach unserem Sieg alle Menschen in ihre Häuser zurückkehren werden und diejenigen, die sie verloren haben, neue, noch bessere bekommen werden", fügte er hinzu.

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