Portugal: Das Rezept funktioniert nicht

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Von Euronews
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Das Euro-Krisenland Portugal muss weiter sparen. Zu Beginn des kommenden Jahres werden die Steuern drastisch erhöht und Sozialleistungen gekürzt. Nach zwei Jahren der Rezession aber haben sich Ärger und Ängste angestaut. Die Menschen sind des Sparens müde und fordern den Rücktritt der Regierung. Fast 16 Prozent sind ohne Arbeit. Opposition, Unternehmer und Gewerkschaften monieren, das neue Programm werde sich negativ auf die Wirtschaft auswirken. Auch ist für Mitte November ein Generalstreik geplant. Vor Tagen erst gewährte der Internationale Währungsfonds Portugal eine weitere Kredithilfe. Alles in allem bekommt das Land von der sogenannten Troika im Rahmen eines Drei-Jahres-Programms 78 Milliarden Euro.

Am Tag, an dem das portugiesische Parlament über das Budget für 2013 abstimmt, sprechen wir mit Pedro Santos Guerreiro in Lissabon, Chefredakteur des Jornal de Negócios und politischer Analyst. Man kann den Budgetentwurf in wenigen Worten zusammenfassen: Weitere Sparmaßnahmen. Welche Auswirkungen wird dieses Budget auf das Leben der Menschen in Portugal haben?

Pedro Santos Guerreiro:
Vor allem bedeutet es mehr Sparmaßnahmen, zusätzlich zu jenen der letzten Jahre bereits. Die größte Auswirkung des Budgets auf das Leben der Portugiesen wird eine Minderung ihrer Einkommen sein. Und das kommt vor allem von den massiven Steuererhöhungen, das hat der Finanzminister selbst gesagt. Vor allem die Einkommensteuer wird erhöht, und daneben werden finanzielle Zuwendungen gestrichen und weitere Steuern erhöht. Die Steuerlast, die für das kommende Jahr geplant ist, ist wirklich infernalisch, vor allem für Menschen, die arbeiten, und jene, die Vermögen haben. Außerdem soll es deutliche Einschnitte bei den Pensionen geben und wir erwarten einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Neben den Lohnkürzungen und einem Rückgang der Kaufkraft befürchten wir auch, dass die Rezession noch schwerer wird als bislang vermutet. Portugal kann also in einen Teufelskreis geraten, in eine Rezessionsspirale.

Euronews:
Finanzminister Vitor Gaspar wird nicht müde zu betonen, dass es keine Alternativen gibt. Stimmen Sie dem zu? Gibt es wirklich keinen anderen Weg?

Pedro Santos Guerreiro:
Die einzige Alternative wäre, im Ausgabenbereich noch mehr zu sparen. Tatsächlich hätte die portugiesische Regierung im letzten Jahr diesbezüglich mehr tun können, dann hätten die Steuererhöhungen nicht so massiv ausfallen müssen. Aber im Oktober 2012 gibt es keine Alternativen, denn was die Troika verlangt, um das Budgetdefizit zu verringern, ist einfach brutal und es gibt für uns keinen Fluchtweg. Die Troika gibt die Bedingungen für die portugiesische Budgetpolitik vor.

Euronews:
Wenn man in Europa und vor allem in Brüssel über jene Länder spricht, die unter der Krise am meisten leiden, dann fallen immer die Namen Griechenland und Spanien. Warum werden die Probleme in Portugal nicht in gleicher Weise wahrgenommen?

Pedro Santos Guerreiro:
Das liegt daran, dass Portugal ein guter Schüler ist, und das ist das Paradoxe. Die portugiesische Regierung hat alle, wirklich alle von der Troika verlangten Maßnahmen ohne Proteste umgesetzt. Im ersten Jahr hat die portugiesische Gesellschaft das hingenommen, sie hat die Maßnahmen akzeptiert, sie hat vielleicht ab und zu protestiert aber sie hat sie akzeptiert. Das Paradoxe ist, dass das Rezept trotzdem nicht funktioniert. Die Situation ist nicht außer Kontrolle geraten, aber die gesetzten Ziele wurden nicht erreicht. Von außen sieht es so aus, als würde Portugal seinen Verpflichtungen nachkommen – und das stimmt, Portugal hat die Sparmaßnahmen umgesetzt und tut alles, was die Troika verlangt, um 2013 auf die Finanzmärkte zurückkehren zu können. Trotzdem ist es für mich offensichtlich, dass die Troika die Notwendigkeit erkennen muss, ihre Politik gegenüber Portugal zu ändern.

Euronews:
Glauben Sie, dass Portugal ohne ein weiteres Rettungspaket aus der Krise kommen kann?

Pedro Santos Guerreiro:
Es ist möglich, aber dann müssen die Fristen verlängert werden. Das derzeitige Programm der Troika macht es sehr schwierig für Portugal, die Ziele für die Senkung des Budgetdefizits im nächsten Jahr zu erreichen, vor allem deshalb, weil die Rezession dann wahrscheinlich noch schlimmer ist. Wenn es keine Änderungen in diesen Vorgaben gibt, könnten wir in eine Situation geraten, in der es uns völlig unmöglich wird, die Ziele zu erreichen. Das wäre gleich doppelt fatal, denn Portugal bemüht sich sehr um Gemeinsamkeit und Konsolidierung und das kann weder von den Portugiesen, noch von den Europäern übersehen werden.

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