Palästinensischer Friedensprozess: "Die Spaltung ist nun vorüber" (Azzam Al Ahmad)

Palästinensischer Friedensprozess: "Die Spaltung ist nun vorüber" (Azzam Al Ahmad)
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Mohammed Shaikhibrahim, Euronews:
“Nach Jahren der Spaltung Palästinas und der Kontrolle des Gaza-Streifens durch die Hamas bringt das Friedensabkommen nun Hoffnung. In einem exklusiven Interview mit dem Fatah-Unterhändler Azzam Al-Ahmad, sprechen wir über die Details des Abkommens und über die Herausforderungen, vor denen eine neue Regierung stehen wird.

Azzam Al Ahmad, wie erklären Sie sich die Fortschritte im Friedensprozess, in dem es doch seit Jahren keine wirklichen Ergebnisse gegeben hat?”

Azzam al-Ahmad:
“Die ganze Region wurde durch die Ereignisse der ägyptischen Revolution vom 30.Juni beeinflusst. Ich habe schon früher gesagt, dass das, was dort passiert ist, einem Erdbeben gleichkommt, das viel angestoßen hat. Das Nachdenken darüber wird noch lange weitergehen.

Erstens sind Anzeichnen des Wandels in Palästina zu spüren. Die Situation in Gaza wird sich auch verändern. Sowohl in Denken und Haltung der Hamas, als auch in der Haltung der Menschen in Gaza bezüglich der Situation. Zweitens haben die Bündnisse, die sich im Nahen Osten gebildet haben einen Einfluss auf die Situation in Palästina, so zum Beispiel was in den Golfstaaten passiert ist, die Art und Weise, wie sie die ägyptische Revolution vom 30.Juni unterstützt haben.”

Mohammed Shaikhibrahim, Euronews:
“Glauben Sie, dass der Fall der Muslimbrüder in Ägypten geholfen hat, vielleicht sogar die Annäherung mit der Hamas vereinfacht hat? Diese wird ja zur Muslimbruderschaft gerechnet.”

Azzam al-Ahmad:
“Sicherlich hat das eine wichtige Rolle gespielt. Wenn die Muslimbruderschaft und die Hamas, die ein Teil davon ist, die Spaltung hätten beenden wollen und vollenden, was sie am 04.Mai 2011 in Ägypten unterzeichnet haben, wäre das möglich gewesen. Aber die Muslimbruderschaft hat Ägypten ein Jahr lang regiert und der Friedensprozess ist nicht einen einzigen Schritt voran gekommen.”

Mohammed Shaikhibrahim, Euronews:
“Sind die beunruhigt, dass die Hamas das Friedensabkommen möglicherweise brechen könnte?”

Azzam al-Ahmad:
“Nein, wir sind nicht beunruhigt, aber wir sind vorsichtig. Ich denke nicht, dass sie einen Rückzieher machen. Die Spaltung ist nun vorüber. Es gibt kein Zurück mehr. Falls sie über eine erneute Spaltung nachdenken, erfordert das Mittel, über die sie zur Zeit nicht verfügen.”

Mohammed Shaikhibrahim, Euronews:
“Einige Menschen haben gesagt, dieses Friedensabkommen wäre eine Täuschung und dass die Hamas den Gazastreifen nach wie vor kontrolliert. Was antworten Sie denen?”

Azzam al-Ahmad:
“Das, was ich sage, ist sehr deutlich. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Spaltung sowohl rechtlich als auch politisch beendet ist. Es gibt einen Belagerungszustand. Aber wie wir mit dem Waffenproblem in Gaza umgehen, ist eine sehr komplexe und heikle Angelegenheit. Das ist nicht einfach. Einige Leute fragen, ob von der Hamas in Gaza nicht ähnliches zu erwarten sei wie von der Hisbollah im Libanon. Ich kann Ihnen sagen, dass wir uns dieser Probleme voll bewusst sind.”

Mohammed Shaikhibrahim, Euronews:
“Was sind die hauptsächlichen Herausforderungen der palästinensischen Regierung im nationalen Einigungsprozess?”

Azzam al-Ahmad:
“Zunächst die Vereinheitlichung aller Institutionen, denen der Sicherheit und den zivilen. Was den Militärdienst in den Sicherheitsagenturen angeht, kann ich sagen, dass die Militärausbildung rechtlich nicht geregelt ist. Präsident Mahmud Abbas muss als oberster Anführer der Sicherheitsagenturen ein Hochsicherheitskomitee gründen, um diese gemeinsam mit Ägypten und unter Aufsicht der arabischen Liga zu vereinen.
Weiterhin ist im Laufe des Friedensprozesses über die israelische Besatzung nachzudenken. Das ist ein wichtiger Punkt, den die neue Regierung angehen muss.”

Mohammed Shaikhibrahim, Euronews:
“Welche Art von Druck übt Israel aus, damit die Einigung mit der Hamas nicht zustande kommt? Hat Israel ein Interessen am Scheitern? Und wenn welches?”

Azzam al-Ahmad:
“Israel hat versucht uns in finanziell unter Druck zu setzten. Wir haben ihnen aber über die Vereinigten Staaten und die Europäische Union mitteilen lassen, dass wenn sie unser Geld einbehalten, dann werden wir unsererseits sofort die Vereinten Nationen und alle Institutionen mobilisieren, samt der Genfer Konventionen, der Welternährungsorganisation und dem Internationalen Gerichtshof.

Außerdem werden wir vielleicht andere Schritte einleiten. Ein einseitige Staatserklärung mit Unterstützung der Internationalen Gemeinschaft, gemäß der Entscheidung von 29.November 2012, um Palästina als Mitglied der Vereinten Nationen anerkennen zu lassen. Und zusätzlich könnte ein intensiver Gegendruck aus der Bevölkerung aufgebaut werden, um schließlich alle Möglichkeiten einer Wiederaufnahme der Verhandlungen zu blockieren.”

Mohammed Shaikhibrahim, Euronews:
“Inwieweit beeinflusst das Verschwinden von drei israelischen Siedlern den Einigungsprozess mit der Hamas und inwieweit wirkt sich dies auf die neue Regierung aus?”

Azzam al-Ahmad:
“In der ersten Stellungnahme Israels wurde sofort Präsident Mahmud Abbas beschuldigt. Man hat ihm die Verantwortung zugeschrieben. Israel hat aber keinerlei Informationen. Weder wissen sie, wo sich die Siedler befinden, noch ob sie wirklich entführt worden sind. Oder hatten sie einen Unfall? Sind sie verschwunden? Oder ist das ein Spiel?

Es gibt viele ungeklärte Fragen. Die Region, in der es passiert sein soll heißt Etzion – zwischen Hebron und Bethlehem – eine Gegend mit sehr großen Siedlungen. Die palästinensischen Kräfte sind dort gar nicht vertreten. Es gibt keine arabischen Dörfer in der Umgebung. Es gibt Siedlungen und israelische Camps.

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Wie auch immer. Das zeigt, dass Israel unfähig ist für Sicherheit zu sorgen. Die Hamas bestreitet irgendetwas mit dem Vorfall zu tun zu haben. Die Hamas hat bis jetzt davon keine Kenntnis genommen und Israel hat bis jetzt noch nicht überprüft, ob sie entführt worden sind. Israel betreibt eine traditionell-faschistische Besatzungspolitik, die sich in Repression und Verfolgung aller Palästinenser ausdrückt.”

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