Bulgariens Präsident Plewneliew: "Ich will ein Freund Russlands sein"

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euronews: Bulgarien steht mehr und mehr im Mittelpunkt der europäischen Flüchtlingskrise. Vor über zwölf Jahren trat das Land der NATO bei, dann der

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Bulgarien steht mehr und mehr im Mittelpunkt der europäischen Flüchtlingskrise. Vor über zwölf Jahren trat das Land der NATO bei, dann der EU – trotz seiner langjährigen Verbindung zu Russland. Bulgarien hat Russland sogar für seine Rolle in der Ukraine kritisiert. Kürzlich wurde Staatspräsident Rossen Plewneliew in Kiew mit dem Preis für die “Person des Jahres” ausgezeichnet. Und jetzt ist “The Global Conversation” zu Gast in Sofia.
Herr Präsident, dieser Preis wurde Ihnen “für Ihren Beitrag zur Verteidigung der ukrainischen Integrität und Souveränität” verliehen. Doch Russland hat die Krim in ihrem Besitz, und das erschwert eine Annäherung der Ukraine an die EU…

Plewneliew: “Ich will ein Freund Russlands sein”

Rossen Plewneliew:
Natürlich bereitet mir Russlands Verhalten Sorge – nicht nur in Bezug auf die Ukraine-Krise, sondern allgemein. Von Russland erfahren wir, dass es die Ambition hat, eine Weltmacht zu sein. Russland hat Interessenbereiche, die respektiert werden müssen. Doch ich glaube, dass diese Politik falsch ist und ins 19. Jahrhundert gehört. Länder sollten nicht aufgrund ihrer Armeen und Atomwaffen stark sein. Im 21. Jahrhundert sollten Länder aufgrund des Erfolgs der Menschen stark sein.

euronews:
Frühere Preisträger waren unter anderem Papst Johannes Paul II., polnische, georgische und litauische Präsidenten, ein ehemaliger NATO-Chef und US-Senator John McCain. Wie fühlen Sie sich, Teil dieser Gruppe zu sein?

Plewneliew:
Ich will mit jedem befreundet sein. Und ich will ein Freund Russlands sein. Ich mag Tschaikowski und seine Musik, und ich mag Dostojewski und seine Werke. Ich liebe die russische Kultur, wir lieben das russische Volk. Doch wir können als überzeugte Demokraten nicht akzeptieren, wenn der Kreml das internationale Recht und die internationale Ordnung verletzt. Wir können keine Kalten Kriege akzeptieren.

EU-Sanktionen für Russland und Energiesicherheit

euronews:
Russland war für Bulgarien ein sehr wichtiger Markt, hat aber ein Embargo als Reaktion auf die EU-Sanktionen verhängt. Wie groß ist deshalb Ihr Verlust?

Plewneliew:
Wir haben spürbare Verluste: Blicken Sie auf die bulgarische Landwirtschaft und den Fremdenverkehr. Doch Bulgarien steht zu den Sanktionen. Wenn wir mutige politische Entscheidungen treffen müssen, um eine künftige Instabilität zu verhindern, dann ist Geld kein Thema.

euronews:
Wie ist Ihre Meinung zur Energiesicherheit?

Plewneliew:
Wir hängen stark von russischen Gaslieferungen ab und arbeiten an Alternativen. Die Pipelines zwischen Bulgarien und Rumänien werden fertiggestellt, und wir haben mit unseren griechischen Freunden eine Einigung über Pipelines getroffen. Einer der wichtigsten Integrationsantriebe ist die europäische Energieunion.

Lebenslauf Rossen Plewneliew

  • Rossen Plewneliew wurde am 14. Mai 1964 in Goze Deltschew geboren
  • Er studierte Informatik an der Technischen Universität Sofia
  • Plewneliew gründete 1990 ein Bauunternehmen und setzte unter anderem Projekte in Deutschland umsetzte
  • 2009 wurde er Minister für Regionalentwicklung
  • Im Herbst 2011 wurde Plewneliew zu Bulgariens Staatspräsident gewählt und wurde im Januar 2012 ins Amt eingeführt

euronews:
Dieser ukrainische Preis wurde Ihnen auch für die “Achtung europäischer Werte” verliehen. Würde Bulgarien aus Gründen der Solidarität, Menschlichkeit und Disziplin sowie gemäß einer EU-Quotenregelung Migranten aufnehmen?

Flüchtlingskrise: Eine Quote zur Verteilung von Migranten?

**Plewneliew:**Ja, wir sind mit einer Quote zur Verteilung von Migranten einverstanden und werden sie aufnehmen. Und wir tragen zu einer gesamteuropäischen Lösung bei. euronews:
Human Rights Watch von Zurückweisungen, Misshandlungen an den Grenzen und Asylanten, die geschlagen und beraubt werden…

Plewneliew:
Wenn es Hinweise darauf gibt – sei es von Human Rights Watch oder dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen – dann werden die bulgarischen Behörden jeden Fall ernst nehmen.

Plewneliew: “Schengen ist der Traum von 500 Millionen Europäern, grenzenlos zu reisen”

**euronews:**Stehen Sie voll hinter der Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei, mit dem der Beitrittsprozess und eine Visafreiheit beschleunigt werden? Plewneliew:
Man kann keine Sicherheit garantieren, wenn man sich hinter hohen Mauern in einer Festung verschanzt und sich nicht dafür interessiert, was um einen herum passiert. Das ist der falsche Weg.

euronews:
Doch Sie errichten Stacheldrahtzäune an der Grenze zur Türkei…

Plewneliew:
Bulgarien errichtet gebietsweise provisorische Zäune, die vorübergehenden Zwecken dienen.

euronews:
Ist es sinnvoll, dem Schengenraum beizutreten, während solche Provisorien in Kraft sind?

Plewneliew:
Ich bin strikt gegen das Errichten von Mauern zwischen EU-Staaten. Schengen ist der Traum von 500 Millionen Europäern, grenzenlos zu reisen.

euronews:
Die Migranten werden vielleicht auch von Bulgariens inneren Problemen abgeschreckt. Ihr Land ist das ärmste in der EU. Die Europäische Kommission macht immer wieder auf Rückschritte bei Ihren Maßnahmen gegen Korruption sowie die nur langsamen Fortschritte beim Kampf gegen das organisierte Verbrechen aufmerksam…

Plewneliew: “Bulgarien entwickelt und modernisiert sich”

**Plewneliew:**Bulgarien hat bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zum Beispiel: Vor 15 Jahren lag das in Bulgarien bei 27 Prozent des Durchschnitts, jetzt sind es 47 Prozent. euronews:
Doch die Menschen wandern aus…

Plewneliew:
Ich kann unser Volk nicht aufhalten, es ist frei. Und die Menschen helfen Ihrem Vaterland, die Ausgewanderten behalten einen Kontakt zu Bulgarien. Wenn sich das Land entwickelt und modernisiert – und das tut Bulgarien – dann werden Sie zurückkommen.

euronews:
Arbeitnehmer aus Bulgarien und andere Osteuropäer werden in Ländern wie Deutschland oder Großbritannien anders als die Einheimischen behandelt…

Plewneliew:
Spaltungen treten in verschiedenen Formen auf. Die Europäische Union steht kurz davor, von der Flüchtlingskrise in West und Ost gespalten zu werden. Die westlichen Länder sagen: ‘Wir sind gestandene Demokratien und nicht einverstanden, dass einige Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Osten keine Flüchtlinge aufnehmen wollen.’ Andererseits könnte es auch eine Nord-Süd-Spaltung geben, wenn man die Schulden- und Wirtschaftskrise betrachtet. Doch egal, von welchen Spaltungen wir sprechen: Die größte Krise, die uns alle zerstören könnte, wäre eine moralische Krise und eine Krise fehlender Solidarität innerhalb der Europäischen Union: Die Krise des Vergessens, wer wir sind, und die Krise, nicht aus der Geschichte gelernt zu haben.

Bulgarien: Ein stolzes Mitglied der Europäischen Union

**euronews:**Raten Sie der Ukraine angesichts dieser Krisen eine Mitgliedsschaft anzustreben? Plewneliew:
Ich bin mir sicher, dass das früher oder später passieren wird. Die europäische Integration ist unser Prozess, um zu modernisieren, Recht und Ordnung herzustellen, Korruption zu bekämpfen und Organisationen einzurichten, die den Menschen und nicht Oligarchen dienen. Das wünsche ich mir für die Ukraine.

euronews:
Könnte sich Bulgarien wieder Russland zuwenden, sollte es seine Stärke zurückgewinnen und die EU schwächeln?

Plewneliew:
Ich habe 25 Jahre im Kommunismus gelebt. Und ich weiß, wie es ist, nicht Mitglied der Europäischen Union zu sein. Ich weiß, wie es ist, allein zu sein und wie es ist, ein Untergebener einer Weltmacht wie der Sowjetunion zu sein. Ich möchte nicht, dass das noch einmal passiert. Ich möchte, dass Bulgarien ein stolzes Mitglied der Europäischen Union ist. Nur so können wir unseren Wohlstand und unsere Sicherheit garantieren.

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