Federica Mogherini: 'Europa kämpft gegen Sklaverei in Libyen'

Federica Mogherini: 'Europa kämpft gegen Sklaverei in Libyen'
Von Euronews
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Die EU-Außenbeautragte sprach mit euronews über Immigration, Sicherheit in Europa und die Rolle der EU.

Die EU-Außenbeautragte sprach im euronews-Interview unter anderem über die Rolle der EU bei Immigration, Sicherheit in Europa und modernem Sklavenhandel in Libyen.

Gardenia Trezzini:

Federica Mogherini, Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen auf der Mittelmeer-Konferenz. Deren Überschrift lautet in diesem Jahr “Eine positive Agenda”. Die Hauptthemen sind Immigration und Sicherheit. Kann man angesichts einer so dramatischen und tief greifenden Krise positiv bleiben?

Federica Mogherini:

Ja, dass kann man. Dieses große Migrationsphänomen hat Europa und der ganzen Welt, gezeigt, dass wir einen tief greifenden Wandel erleben. Es ist nicht notwendig, über die Blockierung des Migrantenflusses zu sprechen. Es ist unmöglich diese Bewegungen aufzuhalten, ob in Afrika, in Europa oder anderswo auf der Welt.

Es ist ein komplexes Phänomen. Die Art und Weise, wie wir damit umgehen, verändert sich. Wir konzentrieren uns nicht mehr nur auf die Grenzkontrollen, als ob es nur ein Problem der Sicherheitskräfte und der Polizei wäre.
Wir befassen uns mit dem Problem in seiner ganzen Komplexität, indem wir eine Partnerschaft zwischen der Europäischen Union, der Afrikanischen Union, den anderen Herkunftsländern der Migranten und den Transitländern entwickeln.

Was bedeutet das? Nun, es bedeutet vor allem, Leben im Mittelmeerraum zu retten. Beispielsweise in Libyen, in der Wüste Frauen und Kinder zu retten, die aus Verzweiflung handeln und lieber ihr Leben riskieren, als in ihren Ländern zu bleiben.

Zweitens bedeutet dies, die libyschen Behörden in einem sehr komplexen politischen Kontext dabei zu unterstützen, die Grenzen zu sichern, Flüchtlingsgefängnisse zu schließen und dafür zu sorgen, dass die internationale Organisation für Migration und die Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen in Libyen arbeiten können, um den Migranten zu helfen.

Drittens geht es darum, die Kontrolle über das südliche Libyen wieder herzustellen. Solange die Situation in der Sahelzone, in Niger, Mali und dem Tschad nicht stabil ist, wird die Situation in Libyen unerträglich bleiben.

Wir sind hauptsächlich in Niger aktiv, indem wir der jungen Generation wirtschaftliche Alternativen zum Menschenhandel anbieten.

Wir haben jetzt ein neues Arbeitsinstrument. Auf dem Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union haben wir eine Taskforce gegründet, die die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen koordiniert.

Die EU wird ihre Maßnahmen verstärken. Die Vereinten Nationen werden humanitäre Hilfe und freiwillige Rückführung organisieren und haben sich darüber hinaus verpflichtet, Migranten zu identifizieren und ihnen zu helfen, die unmenschlichen Haftanstalten zu verlassen, in denen sie sich befinden.

Today on my blog: Europe and #Africa, finally at work together https://t.co/bO5ugykoHqpic.twitter.com/qNeaf1iZz3

— Federica Mogherini (@FedericaMog) 3. Dezember 2017

Gardenia Trezzini:

Ist es realistisch zu glauben, dass Sie nach Libyen gehen und diese Gefängnisse räumen können, die in einem Gebiet verstreut sind, in dem das Chaos herrscht? Ist es machbar und in welchem Zeitraum?

Federica Mogherini:

Wir machen es schon. Die Internationale Organisation für Migration hat gerade den Abflug von zwei Charterflügen aus Libyen in zwei der Heimatländer der Migranten angekündigt. Und das zusätzlich zu den vielen Flügen, die in den vergangenen Monaten dank der Hilfe der Europäischen Union bereits durchgeführt wurden. Bis jetzt haben wir 14.000 Migranten geholfen, nach Hause zurückzukehren, um der unerträglichen Situation der Sklaverei zu entkommen.

Gardenia Trezzini:

Es gab eine Menge Heuchelei. Mussten wir auf die Fernsehbilder warten, um über den Sklavenhandel zu sprechen? Es ist wie im Fall Ayhlan, der kleine syrische Junge, dessen Leiche an einem Strand in der Türkei fotografiert wurde. Ein Bild, das die öffentliche Meinung zutiefst erschütterte und eine starke Reaktion hervorrief. Warum handelten Sie nicht früher?

Federica Mogherini:

Als ich das erste Mal von diesen Zentren und der Sklaverei erfuhr, die die Migranten auf ihrer Reise zwischen der Wüste, Libyen und dem Meer erleben, war das vor vier oder fünf Jahren auf Lampedusa und ich fürchte, es existierte schon lange davor.

Manchmal hilft ein Fernsehbericht den Menschen, die Augen zu öffnen. Und wenn es dazu beitragen kann, die politischen Entscheidungsträger zum Handeln zu zwingen und Leben zu retten, ist das eine gute Sache.
Ich kann nur sagen, dass die Europäische Union vor genau einem Jahr ein Abkommen zur Unterstützung der Arbeit der Internationalen Organisation für Migration in Libyen unterzeichnet hat.

Wir haben alle Hilfsorganisationen gebeten, nach Libyen zurückzukehren und nach diesen Lagern zu suchen und wir haben die libyschen Behörden gebeten, ihnen Zugang zu gewähren. Wir Europäer haben allein die Rettung dieser 14.000 Menschen finanziert.

#EU#EgyptFedericaMog</a> meets with Foreign Minister Sameh Shoukry in the margins of <a href="https://twitter.com/hashtag/Med17?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Med17</a> to discuss bilateral relations <a href="https://twitter.com/hashtag/Libya?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Libya</a>, <a href="https://twitter.com/hashtag/Syria?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Syria</a>, <a href="https://twitter.com/hashtag/MiddleEast?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#MiddleEast</a> <a href="https://t.co/PXpWhhaTip">pic.twitter.com/PXpWhhaTip</a></p>— Sabrina Bellosi (sabellosi) 1. Dezember 2017

Gardenia Trezzini:

In Libyen und in den Ländern der Sahelzone sind ihre Partner nicht immer sehr zuverlässig. Manchmal hat man das Gefühl, dass die EU als Geldautomat angesehen wird, als ein Investor, der nicht unbedingt ein greifbares Ergebnis erwartet.

Federica Mogherini:

Ich bin zufrieden, dass unsere afrikanischen Partner ihren Wunsch bekundet haben, zu den enormen Bemühungen Menschenleben zu retten, beizutragen. Sie sind auch Afrikaner. Ich denke, dass es auf beiden Seiten einen wirklichen politischen und kulturellen Perspektivwechsel gegeben hat. Es ist kein Kampf des Nordens gegen den Süden oder umgekehrt.

Die wichtigste Entscheidung, die in Abidjan getroffen wurde, war nicht nur die Schaffung einer Taskforce, die es uns ermöglicht zusammenzuarbeiten, sondern vielmehr ein Investitionsplan mit der finanziellen Unterstützung der Europäischen Union in Höhe von 44 Milliarden Euro für Projekte zur Schaffung von Arbeitsplätzen in einigen der empfindlichsten Regionen Afrikas. Das ist die einzig richtige Antwort auf Sicherheits- und Migrationsprobleme in Afrika.

Gardenia Trezzini:

Die EU und sie persönlich stehen hinter einer der größten diplomatischen Erfolgsgeschichten der jüngsten Zeit, dem Atomabkommen mit dem Iran. Nun scheint das Abkommen infrage zu stehen. Wie weit sind Sie bereit zu gehen, um es im Umgang mit der US-Regierung zu verteidigen?

Federica Mogherini:

Die Vereinbarung, die wir mit Teheran getroffen haben, funktioniert. Es handelt sich um ein mehr als 100 Seiten umfassendes Dokument, zu dem der Iran sehr spezifische Verpflichtungen eingegangen ist und die ständig von der Internationalen Atomenergie Organisation überprüft werden.

Bis jetzt hat die Agentur neun positive Kontrollen durchgeführt. Sie kündigen kein nukleares Abkommen, das funktioniert. Es ist eine Frage der Priorität für die Sicherheit Europas und seiner Region.

Präsident Trump hat eine US-Strategie für den Iran angekündigt, die den Deal infrage stellt. Wir wir haben unsere amerikanischen Freunde daran erinnert, dass das Abkommen nicht dem einen oder anderen Staat gehört, sondern dass es eine Resolution des UN-Sicherheitsrates ist und das wir erwarten, dass alle Parteien dies vollständig respektieren.

Gardenia Trezzini:

Wie schaffen sie es, mit der derzeitigen US-Regierung zu verhandeln, die manchmal Diplomatie über Twitter betreibt, instabil erscheint und viele Überraschungen bereithält?

Federica Mogherini:

Wir sprechen sehr oft mit unseren amerikanischen Freunden, auf allen Ebenen und mit einer Stimme. Manchmal denke ich an den Witz von Henry Kissinger: “Wen rufe ich an, wenn ich Europa anrufen will”? Jetzt haben die USA die europäische Nummer, aber wir sind jetzt an der Reihe, nach Washingtons Nummer zu fragen.” Aber wir reden oft miteinander und in vielen Fragen arbeiten wir sehr gut zusammen.

Gardenia Trezzini:

Diskutieren sie über Nordkorea? Wie ist ihre Position ? Die europäische Diplomatie scheint sehr schüchtern und zurückhaltend.

Federica Mogherini:

Das Gegenteil ist der Fall. Wir waren die Ersten, die alle von der UNO beschlossenen Sanktionen umgesetzt haben und wir waren auch die Ersten, die auf eigene Initiative wirtschaftlichen Druck auf Pjöngjang ausgeübt haben.

Wir koordinieren jeden unsere Schritte mit Washington, Seoul, Tokio, aber auch mit Peking und Moskau. Nur die Einheit der internationalen Gemeinschaft und des UN-Sicherheitsrats bietet eine Verhandlungsgrundlage mit Nordkorea.

Diese gemeinsame Anstrengung muss die Bemühungen, die in der gegenwärtigen Situation vordringlich bei China liegen, einschließen.Es gilt die Öffnung eines diplomatischen Kanals zu schaffen, der heute noch nicht existiert. Der wirtschaftliche und diplomatische Druck der Europäer auf Nordkorea zielt auf eine friedliche Lösung ab.

.FedericaMog</a> à la réunion <a href="https://twitter.com/hashtag/Libye?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#Libye</a> pour accélérer action conjointe UE-UA-UN pour sauver ds vies & lutter contre réseaux criminels <a href="https://twitter.com/hashtag/AUEUsummit?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#AUEUsummit</a> <a href="https://t.co/xrTYW6bNC2">pic.twitter.com/xrTYW6bNC2</a></p>— Catherine Ray (CatherineEUspox) 29. November 2017

Gardenia Trezzini:

Wir haben über den Dialog mit Washington gesprochen, aber im Moment scheint der Dialog mit Moskau sehr schwierig zu sein.

Federica Mogherini:

In der Tat ist es sehr kompliziert und das wird weiterhin der Fall sein, solange es keine Lösung für den Konflikt im Osten der Ukraine gibt und solange dieser Zustand anhält. Wir werden weiterhin die Annexion der Krim nicht anerkennen.

Die mit dem Konflikt in der Ukraine und der Annexion der Krim verbundene Wunde bleibt offen und unsere Priorität ist immer, die in Minsk getroffenen Entscheidungen zur Lösung dieser Krise anzuwenden.

Abgesehen davon sprechen wir oft konstruktiv mit Moskau über viele der Prioritäten, die wir teilen. Zum Beispiel die syrische Krise. Moskau hat eine Position in der syrischen Krise, die sich von der Position der Europäischen Union unterscheidet, aber ich denke, wir haben das gleiche Ziel, den Konflikt nach so vielen Jahren zu beenden und wir können eine gemeinsame Richtungen finden, um dorthin zu gelangen.

Mit Moskau reden wir über Nordkorea und die Umsetzung des Atomabkommens mit dem Iran und in diesen Punkten haben wir immer gut zusammengearbeitet. Wir arbeiten gemeinsam an der Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt und reden weiter über Themen wie beispielsweise, Terrorismus und Immigration.

Gardenia Trezzini:

Haben Sie als Chefin der europäischen Diplomatie einen eindeutigen Beweis für die Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten bestimmter Mitgliedstaaten wie Frankreich und Spanien?

Federica Mogherini:

Die Europäische Union hat ein System der Kontrolle, aber auch der Reaktion und aktiven Förderung “echter Information” eingeführt. Es wird viel über gefälschte Nachrichten und Kommunikationskampagnen gesprochen, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf nicht-reale Fakten und Themen lenken.

Wir wollen nicht mit altmodischer Propaganda antworten, sondern mit den richtigen Informationen und den richtigen Informationen darüber, was die Europäische Union ist und was nicht. Die Europäische Union agiert nicht gegen andere Staaten und ich denke, diese Botschaft ist in Moskau angekommen.

Gardenia Trezzini:

Es gibt also keine Beweise?

Federica Mogherini:

Wir erwarten von allen Ländern auf der Welt, ob Freunde oder weniger Freunde, ob nah oder fern, die demokratischen Werte europäischer Staaten, einschließlich deren Wahlprozesse, zu respektieren.

#Lybia Stop selling and detention of #refugees and migrants, sign petition to Lybians and European leaders here:#lybiaslavery#migrationhttps://t.co/xntW2JQGYepic.twitter.com/2IEnofjcGg

— Anne Claeys (@AnneClae) 30. November 2017

Gardenia Trezzini:

Abschließend möchte ich über den Balkan sprechen. Es ist eine strategisch wichtige Region hinsichtlich des Migrationsthemas. Dort liegt das Tor Europas.

Wir wissen, dass Bosnien eine große Anzahl von ausländischen Kämpfern zur Verfügung stellt, die sich dem IS anschließen. Dies sind unsere östlichen Grenzen. Sie haben gesagt, dass es Ihr Ziel ist, vor dem Ende ihrer Amtszeit schnelle Ergebnisse zu erzielen, welche?

Federica Mogherini:

Wir sprechen oft über die europäische Perspektive des Balkans und vergessen, dass der Balkan das Herz Europas ist. Ob für die Sicherheit, für den Zustrom von Migranten, für Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung oder für die Infrastruktur, die Europäische Union hat jedes Interesse daran, den Balkan zu unterstützen.

Ich habe etwas gesagt, was einige Mitgliedstaaten nicht mögen. Ich denke, die Zukunft der Europäischen Union sind nicht 27 Staaten, sondern mehr.

Gardenia Trezzini:

Trotz der öffentlichen Meinung? Viele sehen eine Erweiterung skeptisch?

Federica Mogherini:

Aber wir brauchen den Balkan als Teil unserer europäischen Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Wir brauchen auch die Begeisterung, die uns die Jugend zeigt. Voraussetzung ist natürlich, dass eine ganze Reihe von Reformen durchgeführt wird, dass sich die Gesellschaft und die Institutionen tief greifend verändern.

Führungskräfte und Bürger dieser Region sind zu solchen Veränderungen bereit. Wenn wir so eine Begeisterung sehen, Teil des europäischen Projekts zu sein, dass immer noch eine solche Anziehungskraft ausübt, können wir die Tür nicht verschließen. Wir können auf dem Balkan mit unseren Partnern in der Zukunft wirkliche Fortschritte machen. Das meine ich sehr ernst und ich glaube fest daran.

Gardenia Trezzini:

Danke, dass sie sich unseren Fragen gestellt haben.

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