Avramopoulos: "Niemand in Europa hat jemals über Quoten gesprochen"

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Von Euronews
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Die Flüchtlingspolitik, sie spaltet Europa wie kaum ein anderes Thema.

Der Riss geht dabei quer durch den Kontinent, entlang der alten politischen West-Ost-Grenze.

Polen und Ungarn weigern sich, den EU-Beschluss über die Umsiedlung von Flüchtlingen umzusetzen.

Sie könnten nun Unterstützung aus Österreich bekommen, wo die neue Rechtskoalition ein härtere Gangart beim Thema Flüchtlinge will.

Allerdings hat der neue Kanzler Sebastian Kurz auch angekündigt, Österreich auf einem pro-europäischen Kurs lassen zu wollen.

Stoff genug für ein Gespräch mit dem EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos.

Efi Koutsokosta, Euronews: “Österreich hat eine neue Regierung, zu der auch eine rechtsgerichtete Partei gehört. Sind Sie beunruhigt?”

Dimitris Avramopoulos, EU-Flüchtlingskommissar: “Zunächst einmal möchte ich sagen, dass Österreich eine große Nation ist, eine sehr demokratische Nation. Und eine pro-europäische Nation. Ich glaube nicht, dass die neue Koalition diese Ausrichtung Österreichs ändert. Wenn wir solche Bündnisse haben, gibt es früher oder später immer ein Tauziehen, wer sich gegen den anderen durchsetzt. Aber die Grundwerte der österreichischen Demokratie sind sehr solide.”

Euronews: “Es scheint, dass der neue Kanzler Ratspräsident Tusk nahe steht, wenn es um Immigration und Quoten geht. Das geht Sie direkt an als Flüchtlingskommissar. Was bedeutet das, wenn Österreich in der zweiten Jahreshälfte 2018 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt?”

Avramopoulos: “Niemand in Europa hat jemals über Quoten gesprochen. Dieses Wort existiert in unserem Vokabular nicht, das ist eine Erfindung der Zeitungen. Was vor zweieinhalb Jahren in Luxemburg beschlossen wurde, war, gemeinsam voranzugehen. Und dann haben wir dieses Umsiedlungsschema beschlossen. Aber schon kurz danach haben wir die Unwilligkeit dreier Mitgliedstaaten erkannt, die zudem andere Lösungen vorschlugen. Aber die wurden nicht akzeptiert. Ich will an dieser Stelle ganz klar sagen: Solidarität kann es niemals à la carte geben.”

Euronews: “Heute haben die Mitgliedstaaten sechs Monate Zeit zu entscheiden, was sie mit der Dubliner Vorschrift machen und was mit den verbindlichen Quoten. Wie kann zwischen Ost und West ein Kompromiss gefunden werden?”

Avramopoulos: Die neue Dublin-Vorschrift muss fair und ausgeglichener sein. Damit die Last nicht allein auf den Schultern der Frontstaaten liegt wie etwa Spanien, Italien, Griechenland oder selbst Bulgarien. Alle sagen Lastenverteilung. Ich füge hinzu: Verantwortungsverteilung.”

Euronews: “Wird es in der neuen Regelung Sanktionen für Länder geben, die nicht mitmachen?”

Avramopoulos: “Von dem Moment des Beschlusses aller Mitgliedstaaten an, wird die Umsetzung verbindlich für alle sein.”

Euronews: “Ich will noch einmal auf Sanktionen zu sprechen kommen. Es gab Vorschläge, nach denen sich ein Land, das gegen die Quotenregelung ist, sozusagen freikaufen kann, sagen wir 250.000 Euro Strafgeld. Was sagen Sie dazu?”

Avramopoulos: “Das war eine Idee, die vor zwei Jahren vorgelegt wurde, aber die ist vom Tisch. Seien wir seriös. Es geht nicht um Strafgelder, es geht um die Existenz Europas, das nach einem historischen Gründungsakt vor 60 Jahren geschaffen wurde. Europa wird existieren, solange es Zustimmung gibt. Und in dieser Situation müssen wir unsere Parteimeinungen beiseite legen oder, in einigen Fällen, selbst unsere nationalen Meinungen. Wir müssen als Familie denken und arbeiten, auf europäische Weise.”

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