Was sind "Corona-Bonds" und wie sollen sie den EU-Ländern in der Krise helfen?

Sind Eurobonds die geeignete Antwort auf die Wirtschaftskrise?
Sind Eurobonds die geeignete Antwort auf die Wirtschaftskrise? Copyright Mauro Sbicego/Unsplash
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Von Euronews
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Italien macht Druck: In einer Anzeige in der FAZ fordern italienische Politiker Deutschland auf, Eurobonds (auch Corona-Bonds) in Betracht zu ziehen. Doch die Bundesregierung ist bisher entschieden gegen die gemeinsamen Schulden.

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Könnte die Coronavirus-Pandemie die Europäische Union dazu zwingen, eines ihrer größten Tabus zu brechen und eine neue Form der EU-weiten, auf Gegenseitigkeit beruhenden Verschuldung zu schaffen?

Unter dem Namen "Corona Bonds" haben die europäischen Staats- und Regierungschefs in der vergangenen Woche zum ersten Mal darüber diskutiert, ob sie den Kampf gegen COVID-19 und den anschließenden Wiederaufbau der Volkswirtschaften gemeinschaftlich finanzieren können. Deutschland stellt sich strikt gegen diese Idee, aber viele andere Länder - darunter Italien, Spanien und Frankreich - fordern sie vehement.

Was sind "Corona-Bonds"?

Eurobonds oder auch -anleihen sind gemeinsame Schulden, die an die Mitgliedsstaaten der EU ausgegeben werden. Das Geld soll von der Europäischen Investitionsbank kommen.

Es würde sich um auf Gegenseitigkeit beruhende Schulden handeln, die von allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gemeinsam übernommen würden.

Pro-Anleihen-Länder gegen die "Genügsamen Vier"

Neun EU-Länder haben gefordert, dass solche Anleihen EU-weit ausgegeben werden: Spanien, Italien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Irland, Portugal, Griechenland und Slowenien.

"Wir müssen an einem gemeinsamen Schuldtitel arbeiten, der von einer europäischen Institution ausgegeben wird, um auf dem Markt Geld zu beschaffen", schrieben die neun Länder in einem Brief an den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel vor dem Video-Call-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am vergangenen Donnerstag.

Diese neun Länder neigen dazu, die Mutualisierung der europäischen Staatsschulden zu fordern, während andere - reichere Länder im Norden Europas - solche Maßnahmen in der Regel ablehnen.

Das sind Deutschland, die Niederlande, Österreich und Finnland, auch bekannt als die "Frugal Four", die fiskalkonservativen EU-Staaten.

Deutschland hat jahrzehntelang eine "Schwarze Null"-Schuldenbremspolitik betrieben. Allerdings hat die Regierung mit Blick auf die drohende Rezession angekündigt, von der Sparpolitik Abschied zu nehmen.

"Corona-Anleihen" unterstützt die Bundesrepublik trotzdem nicht.

Wie wahrscheinlich sind die Bonds?

Angela Merkel erteilte der Gemeinschaftsaktion eine klare Absage. Schuldenteilung bleibt ein Tabu unter den "Genügsamen Vier" und die Ausgabe gemeinsamer Anleihen war bereits in der Vergangenheit eine spaltende Idee unter den EU-Mitgliedern.

Während der Staatsschuldenkrise 2010-2012 unterstützten Frankreich und Italien die Idee, gemeinsame "Euroanleihen" herauszugeben, während Deutschland sich stark dagegen wehrte und auf die individuelle Verantwortung der EU-Mitgliedsstaaten verwies, ihre Finanzen in Ordnung zu halten.

Die Deutsche Bundesbank fasste ihre damalige Auffassung mit den Worten zusammen: "Man vertraut seine Kreditkarte nicht jemandem an, der keine Möglichkeit hat, seine Ausgaben zu kontrollieren".

Allerdings versucht Italien, Druck aufzubauen: In einer seitengroßen Werbeanzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bitten italienische Politiker die deutsche Regierung um eine Lösung mit Eurobonds.

Da die Hindernisse für Staatsverschuldungen innerhalb der EU im Rahmen der Coronavirus-Pandemie aufgehoben wurden, haben Deutschland und Frankreich wichtige Haushaltspläne zum Schutz ihrer Volkswirtschaften herausgegeben, aber andere Länder wie Spanien und Italien haben, obwohl sie am stärksten vom Virus betroffen sind, keine so umfassenden Maßnahmen umgesetzt.

Eine weitere Option: der Rettungsfonds für die Eurozone

Stattdessen könnte die EU beschließen, den Rettungsfonds für die Eurozone zu nutzen, der den Namen European Stability Mechanism (ESM) trägt. Dabei handelt es sich um eine ständige Einrichtung mit Sitz in Luxemburg, die während der Finanzkrise von 2008 geschaffen wurde und den Ländern der Eurozone finanzielle Unterstützung in Form von Darlehen oder als neues Kapital für Banken in Schwierigkeiten gewährt.

Alle EU-Länder, denen Kredite aus dem ESM zugeteilt werden, haben Anspruch auf ein spezielles, unbegrenztes Programm zum Kauf von Anleihen der Europäischen Zentralbank, das während der Krise von 2012 geschaffen, aber noch nie in Anspruch genommen wurde.

Die Europäische Zentralbank unter Leitung von Christine Lagarde plant, bis Ende 2020 mehr als 1 Billion Euro in den Kauf von privaten und öffentlichen Schuldverschreibungen zu investieren, um die Eurozone in guter finanzieller Lage zu halten.

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Lagarde hat die EU dringend aufgefordert, die Option "Corona-Bonds" zu prüfen.

Sollten EU-Staaten Coronavirus-Verluste vom privaten Sektor abfedern?

Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat die europäischen Staaten aufgefordert, die durch die Coronavirus-Krise verursachten Marktverluste "aufzufangen".

"Die Einnahmeverluste des Privatsektors und die zur Reduzierung des Defizits eingegangenen Schulden müssen endlich ganz oder teilweise in den Rechenschaftsberichten der Regierungen aufgefangen werden", sagte Draghi am Mittwoch.

Draghi verglich die Auswirkungen des Virus mit denen des Ersten Weltkriegs und sagte, dass der Privatsektor diesen wirtschaftlichen Schock "nicht verursacht" habe und "nicht absorbieren" könne.

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