Cali, die kolumbianische Hochburg des Protests

Bogota, Medellin, Cali. In allen kolumbianischen Millionenstädten gehen tausende, vor allem junge Menschen seit zwei Wochen auf die Straße. Mehrere Medienberichte sprechen inzwischen von über 40 Toten. Hunderte Menschen wurden nach Angaben von internationalen Menschenrechtsorganisationen verschleppt und gelten als verschwunden. Die Polizei geht mit aller Härte gegen den Protest vor.
Die Kundgebungen, Straßenbarrikaden und Demonstrationsmärsche richteten sich anfangs gegen eine umstrittene Steuerreform: sie sollte vor allem ohnehin schon wirtschaftlich schlecht gestellte Kolumbianerinnen und Kolumbianer stärker zur Kasse bitten. Präsident Ivan Duque hat das Projekt inzwischen gestoppt.
Proteste richten sich gegen soziale und wirtschaftliche Ungleichheit
Doch die Proteste gehen weiter. Längst geht es um mehr. Viele Kolumbiannerinnen und Kolumbianer ächzen unter einer wirtschaftlichen Talfahrt. Jeder Fünfte ist in der Pandemie arbeitslos. Nahrungsmittel gehen aus, die Verteilung von Corona-Impfstoffen ist im ganzen Land gefährdet. Hinzu kommen schwerwiegende Vorwürfe gegen die Regierung: die politische und wirtschaftliche Elite bereichere sich, während viele Kolumbianerinnen und Kolumbianer auf Hungerlöhne und prekäre Arbeit im informellen Sektor angewiesen sind. Vielen fehlt eine persönliche Perspektive.
Die 2-Millionen-Einwohner-Stadt Cali ist zum Zentrum des Protests geworden. Euronews hat mit Demonstrierenden gesprochen. Aus Angst vor möglichen Repressionen wollten die befragten Personen anonym bleiben:
In Cali wurde am Sonntag der Versorgungsnotstand ausgerufen. In Schießereien auf offener Straße sind paramilitärische Gruppen, organisierte Banden, Polizisten und indigene Bewohnerinnen und Bewohner verwickelt. Es sind vor allem junge Demonstranten, die die Protest-Hochburg Cali vielerorts belagern. Wenn nötig, so sagen sie, noch lange.
Regierung zeigt sich für Dialog mit Demonstrierenden bereit
Ivan Duque kündigte am Dienstag an, die Möglichkeit eines Angebotes kostenloser Studiengänge auszuloten. Eine Ankündigung, die als ein Entgegenkommen interpretiert werden könnte. Auf der regionalen Ebene sollen zunächst Gespräche geführt werden, um nach Lösungen für ein Ende der Proteste zu suchen, so der kolumbianische Staatschef.