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Fehlende Aufträge, lange Lieferzeiten: Wie kommt die NATO schnell an Munition?

Mitglieder der Hubschrauberbesatzung der 18. separaten Heeresfliegerbrigade entladen vor einem Einsatz in der Ostukraine am 9. Februar 2023 einen Lkw mit Munition.
Mitglieder der Hubschrauberbesatzung der 18. separaten Heeresfliegerbrigade entladen vor einem Einsatz in der Ostukraine am 9. Februar 2023 einen Lkw mit Munition. Copyright IHOR TKACHOV/AFP
Copyright IHOR TKACHOV/AFP
Von Alexandra Leistner
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Der Ukraine-Krieg hat große Löcher in den Beständen der Militärs offengelegt: Wie kann die NATO schneller an die dringend benötigte Munition kommen?

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Verschießt die ukrainische Armee im Kampf gegen Russland sehr viel mehr an Munition, als die westlichen Rüstungsfirmen herstellen können? Die NATO fordert von Mitgliedsstaaten jetzt zeitnah neue Lieferverträge abzuschließen und von Rüstungskonzernen, ihre Herstellungskapazitäten auszubauen.

Aber ist das so einfach? Was kann die NATO tun, um auf den gestiegenen Bedarf an Munition zu antworten?

Wie wird die Produktion von Waffen und Munition derzeit gesteuert?

Sowohl die Waffensysteme als auch die dazugehörige Munition werden von Rüstungsunternehmen hergestellt. Die Aufträge kommen von den Regierungen. NATO-Länder verpflichten sich zudem, dem Militärbündnis eine bestimmte Menge an Waffen und Munition bereitzustellen. Allerdings sind diese Kontingente nur politisch nicht aber rechtlich bindend, erklärt Jamie Shea, ehemaliger Assistent des NATO-Generalsekretärs für Sonderprojekte gegenüber Euronews. 

Auch schon vor dem Krieg in der Ukraine mussten NATO-Mitglieder ausreichend Munition für einen Monat vorrätig haben. Erst die russische Invasion in die Ukraine offenbarte, dass viele Länder die NATO-Kontingente tatsächlich garnicht bedienen können. 

Und weil die Länder in Friedenszeiten mehr in die Entwicklung neuer Technologie investierten als in die Produktion von Waffensystemen, die die Länder bereits besitzen, wird es nun eine Weile dauern, bis die notwendige Munition vorliegt, glaubt Shea.

Beispiel deutsche Rüstungsindustrie: Aufträge kommen nur langsam rein

Zwar übersteigt der Verbrauch an Munition die derzeitige Produktionsrate und setzt die Verteidigungspolitik unter Druck, und ja - manche Rüstungsunternehmen sind überbucht - doch die Industrie wäre teilweise schon in der Lage, die geforderten Kapazitäten zu leisten, sagt Dr. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) gegenüber Euronews. "Die Industrie ist in Vorleistung gegangen", so Atzpodien.

So hat das Rüstungsunternehmen Rheinmetall im Dezember vergangenen Jahres den Bau neuer Fertigungsanlagen für Munition in Deutschland bekannt gegeben. Die dazugehörigen Anträge für die Herstellung von "Gepard"-Munition wurden laut Bekanntgabe des deutschen Verteidigungsminister Pistorius vom Dienstag nun auch unterschrieben.

Doch meist fehlen genau diese offiziellen Bestellungen, beschreibt der BDSV-Chef die Lage aus Sicht der Rüstungsindustrie. "Was wir brauchen sind Aufträge, die eine bessere Planbarkeit über lange Zeiträume ermöglichen und Chancen für eine höhere Wirtschaftlichkeit von Investitionen schaffen".

Wo sind die NATO-Munitionsbestände?

Nach dem Kalten Krieg gingen die weltweiten Vetreidigungsbudgets zurück und immer mehr Länder verkleinerten ihr Militär. 

Um flexibler auf die Nachfrage von Waffen und Munition reagieren zu können, und weil es günstiger und sicherer war, wurden Bestände inländlig aufbewahrt. 

Das ändere sich nun langsam, erklärt Shea und verwies auf die permanente Verlegung etwa von US-Truppen nach Polen, NATO-Truppen im Schwarzen Meer und die erneute Inbetriebnahme der britischen Militärstützpunkts in Sennelager. Es mache "wenig Sinn, Panzer nach Osteuropa zu verlegen, ohne die Munition mitzuschicken".

Kann die EU die Produktion von Munition koordinieren?

Ähnlich wie beim gemeinsamen Ankauf von Covid-19-Impfstoffen hat die EU-Kommissionspräsidentin gemeinsam mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borell nun vorgeschlagen, den Kauf von Munition für EU-Länder zu steuern. 

Die Ukrainer werden mehr brauchen, um eine russische Offensive abzuwehren, aber sie brauchen einen gesunden Nachschub, wenn sie selbst in die Offensive gehen wollen.
Jamie Shea
NATO-Funktionär

An sich mache das Sinn, sagt Shea, "je größer der Vertrag desto geringer der Preis". Allerdings würde dieses Verfahren wegen der Validierungsstufen auf EU-Ebene lange dauern. Und eine weitere Hürde seien die verschiedenen Waffensysteme mit denen die europäischen Länder arbeiten: 176 unterschiedliche Systeme, die meist mit unterschiedlicher Munition bedient werden.

"Solange wir 176 verschiedene Waffensysteme haben, im Vergleich zu nur etwa 35 in den USA, werden wir nicht in der Lage sein, eine Art von Mega-Standardisierung auf eine bestimmte Art von Granaten oder auf ein Kaliber zu haben", so Jamie Shea.

Wie kommt die NATO schnell an die benötigte Munition?

Eine Lösung, in der NATO-Länder ausreichend Munition für ihre eigenen Vorräte und den Bedarf der ukrainischen Streitkräfte produzieren, wird es "nicht über Nacht" geben, so der NATO-Funktionär. 

Denn so schnell kann zum einen die Industrie nicht reagieren, die Personal einstellen muss und Fertigungsanlagen ausbauen muss. Zum anderen betreffen die weltweiten unterbrochenen Versorgungsketten auch Komponenten wie etwa Elektronik oder Sprengstoff, die für die Produktion von Munition gebraucht werden. 

Die Zwischenlösung.

Der Schlüssel bei der Frage nach der schnellen Beschaffung von Munition liegt in einer Zwischenlösung, glaubt Jamie Shea: Die NATO habe bereits angefangen, in Länder außerhalb Europas zu gehen, die westliche Militärausrüstung nutzen, um ihnen Munition abzukaufen oder zurückzukaufen.

Auch könnte es sein, dass die Industrie dem ein oder anderen Kunden Verträge kündigt oder aufschiebt, um sich auf die Produktion von Munition zu konzentrieren.

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Um nach westlicher Munition für die Ukraine zu bitten, war Stoltenberg zuletzt nach Südkorea und Japan gereist und hatte in dem Zusammenhang auch von "Krieg der Logistik oder ein Rennen gegen die Zeit" gesprochen - weil Russland es der NATO gleichtut.

Der Bedarf der NATO-Länder ist groß und kann für den Krieg eine wichtige Rolle spielen: "Die Ukrainer werden mehr brauchen, um eine russische Offensive abzuwehren, aber sie brauchen einen gesunden Nachschub, wenn sie selbst in die Offensive gehen wollen."

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