Buch als einziges Überbleibsel: Die Suche nach dem in Auschwitz ermordeten Bruder

Die Schulbibel von Béla Engelmann, der 1944 dreizehnjährig in Auschwitz ermordet wurde. Es ist sein einziges physisches Memento.
Die Schulbibel von Béla Engelmann, der 1944 dreizehnjährig in Auschwitz ermordet wurde. Es ist sein einziges physisches Memento. Copyright Euronews
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Von Luke Hanrahan
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Sein handschriftlich gekritzelter Name in einem Schulbuch. Das ist das einzige Zeugnis von der Existenz ihres jüngeren Bruders, das die 99-jährige Lily Ebert mit Hilfe ihres Urenkels aufgetan hat.

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Eine Kleinstadt in Ungarn, ein Wohnzimmer. Ein Buch wird von einer in eine andere Hand gereicht: 80 Jahre ist es her, dass ein Familienmitglied dieses Buch das letzte Mal in den Händen hielt.

Es ist ein Schulbuch, das einem ermordeten 13-jährigen Jungen gehörte - zurückgegeben an seine Verwandten, und die einzige greifbare Verbindung zur Existenz von Béla Engelmann.

Seine Verwandten, die es entgegen nehmen, sind Nina Forman, Bélas Großnichte, und Dov Forman, Urenkel von Bélas Schwester Lily:

"Schau, er hat seinen Namen auch auf Hebräisch geschrieben", bemerkt Nina. "Ja, Engelmann - oder?, fragt Dov. "Ja, Benzion Engelmann..."

Die Spur, die nach Ungarn führte

Béla, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde, schrieb und stempelte seinen Namen in dieses Schulbuch - bemerkenswerterweise überlebte es und wurde schließlich von einem ungarischen Antiquar entdeckt.

"Das ist das einzige, was beweist, dass er gelebt hat, wir haben keine Geburtsurkunde, kein Foto, nur das hier", bestätigt Nina.

Zurück in London erklärt Dov:

"Jemand hat uns im Fernsehen gesehen, wollte mehr erfahren, hat unser Buch gelesen und dann festgestellt, dass sein Vater, der ein Sammler von antiken Büchern war, tatsächlich Bücher von Lilys Familie und Lilys Gemeinde gehabt haben könnte."

Belas ältere Schwester Lily, die den Holocaust überlebt hat, begann vor drei Jahren mit Hilfe ihres Urenkels Dov, ihre Vergangenheit zu erforschen.

So begegnete sie auch der Familie des amerikanischen Soldaten, der sie 1945 befreite. Ein vielgeteilter Post auf Twitter führte schließlich dazu, dass Lily sich mit den Kindern des Soldaten traf.

Seit diesem Treffen und der anschließenden Berichterstattung wurde von interessierten Forschern erstaunlicherweise auch Filmmaterial mit Lily aus dem Jahr 1945 entdeckt.

Das, wie so viele andere Zufälle, erstaunen Urenkel Dov bis heute:  "Wenn du mir das gesagt hättest, bevor es passiert ist, oder dass es passieren könnte, hätte ich wahrscheinlich gelacht und dir nicht geglaubt..."

Ungarn: Eine Reise in die Vergangenheit

Lilys Urenkel Dov reiste nach Ungarn - auf der Suche nach der Vergangenheit seiner Familie. Ohne die weltweite Öffentlichkeit wäre das Buch wahrscheinlich nie gefunden worden. In Lilys Heimatstadt Bonyhad in Ungarn - eine einst lebendige Gemeinde, die von den Nazis zerstört wurde - lebt nur noch eine einzige jüdische Person.

"Man kann es nicht glauben, die Tatsache, dass wir uns heute hier treffen, um dieses Buch entgegenzunehmen, ist verrückt...", sagt er in Ungarn.

Der Antiquar Zsolt Brauer sitzt neben seiner Frau Erika - und sagt: "Es ist ein Wunder, dass dieses Buch überlebt hat, und wir freuen uns, es Lily zu schenken".

Belas Familie sucht weiter nach Fotos und Informationen

Zurück in London nimmt Lily, mittlerweile 99 Jahre alt, das Buch in die Hand. Sie erholt sich dort von einer Hüftoperation im Krankenhaus. Er sagt:

"Es war etwas ganz Besonderes, ihr diese greifbare Verbindung zur Existenz ihres Bruders geben zu können".

Dov - der Familienfotos von Lilys älterem Bruder und ihren jüngeren Schwestern hat - würde nun gerne doch noch ein Foto von Bela finden, um die Sammlung zu vervollständigen.

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