Die Woche in Europa: Moskaus Militärschläge und diplomatische Niederlage

Ein Feuerwehrmann hilft seinem Kollegen aus einem Krater nach einem russischen Angriff in Kiew, 10. Oktober 2022,
Ein Feuerwehrmann hilft seinem Kollegen aus einem Krater nach einem russischen Angriff in Kiew, 10. Oktober 2022, Copyright Roman Hrytsyna/Copyright 2022 The AP. All rights reserved
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Von Stefan Grobe
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Während die ukrainische Gegenoffensive unvermindert anhält, antwortete Russland mit massiven Raketenangriffen auf zahlreiche Städte des Landes. Bei der UNO kassierte Moskau eine herbe Niederlage.

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Während die ukrainische Gegenoffensive unvermindert anhält, antwortete Russland diese Woche mit massiven Raketenangriffen auf zahlreiche Städte des Landes.

Die Bombardierungen gehörten zu den größten seit Beginn des Krieges im Februar. Getroffen wurden vor allem Energieeinrichtungen und zivile Gebiete. Große Städte wie Kiew und Lviv erlitten ernsthafte Stromausfälle und Trinkwasserprobleme.

Brüssel äußerte Entsetzen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: "Ich bin zutiefst erschüttert durch diesen bösartigen Angriff auf Kiew und andere ukrainische Städte. Russland hat der Welt einmal mehr gezeigt, wofür es steht: Terror und Brutalität..“

Unterdessen erlitt Russland bei den Vereinten Nationen eine vernichtende Niederlage. Eine Resolution, die Moskaus Annexion von ukrainischen Gebiete verurteilte, erhielt mehr Zustimmung als erwartet, nämlich 143 Ja-Stimmen.

Nur fünf Länder stimmten mit nein – Russland und vier andere Demokatie-feidliche Diktaturen: Belarus, Nicaragua, Nordkorea und Syrien.

Nun zur militärischen Situation: Selbst nur mit Waffen aus der Sowjetära hielten die Ukrainer mehr als nur ihre Stellung. Doch die russischen Angriffe diese Woche ließen Rufe lauter werden, die Ukraine besser auszurüsten.

Entsprechende Kommentare auf einem NATO-Treffen in Brüssel signalisierten eine wachsende westliche Bereitschaft, die Ukraine zu unterstützen. Zugleich wurden die russischen Angriffe auf zivile Ziele als Kriegsverbrechen verurteilt.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg: "Wir stehen hinter der Ukraine solange wie nötig. Vor allem werden wir unsere Lieferungen von Luftabwehrsystemen verstärken."

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin: "Die USA stehen fest zu ihren Bündnisverpflichtungen. Und wenn nötig werden wir jeden Zentimeter NATO-Bodens verteidigen."

Zur Lage in der Ukraine ein Interview mit Rafael Loss, Analyst beim European Council on Foreign Relations.

Euronews: Das NATO-Treffen hat mehr verbindliche Zusagen der Mitgliedsstaaten für die Lieferung von Luftabwehrsystemen, Artillerie und anderen Waffen gebracht. Ist das ein Wendepunkt im Krieg?

Loss: Das Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel wandelt die westliche Unterstützung für die Ukraine in einen langen und konsolidierten Prozess. Wir haben bereits im Juli auf dem NATO-Gipfel erste Diskussionen darüber gehört, dass die Staats- und Regierungschefs beabsichtigten, Prozesse, die oft ad hoc waren, widerstandsfähiger und voraussehbarer zu machen. Zu dieser Leistung, auf die sich die Ukraine verlassen muss, gehören sicherlich Verteidigungssysteme, Munition und Treibstoff. Aber wenn wir uns bald dem WInter nähern, umfasst das auch etwa wintertaugliche Ausrüstung für die ukrainischen Soldaten.

Euronews: Stoltenberg hat gesagt, die NATO werde nächste Woche mit ihrer jährlichen Übung zur nuklearen Bereitschaft fortfahren. Ist das eine Warnung an Moskau?

Loss: Nicht wirklich. Was die Nato nach innen und außen zu signalisieren versucht, ist die Verlässlichkeit ihrer defensiv angelegten nuklearen Abschreckungspolitik. Die nukleare Abschreckung ist sicher. So sicher, dass die NATO-Länder und ihre Bevölkerungen auf die nukleare Abschreckungsfähigkeit der Allianz vertrauen können. Es ist nicht so sehr ein Signal im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine, wie es Russland zuletzt signalisiert hat.

Euronews: Wir haben diese Woche auch eine Art Säbelrasseln aus Belarus gehört, um sich Russlands Streitkräften anzuschließen – wie ernst ist das?

Loss: Der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko vollführt hier eine Gratwanderung. Er will möglichst flexibel bleiben und Wladimir Putin nicht zu nahe kommen, weil er weiß, dass es politisch kostspielig sein wird. Gleichzeitig hängt sein Regime, insbesondere seit jenem demokratischen Aufstand vor zwei Jahren, so sehr von der Unterstützung Moskaus ab, dass er Putin auch nicht entkommen kann. Bisher hat er sich dagegen gewehrt, seine Truppen in die Ukraine zu bringen, aber Weißrussland wurde sicherlich von russischen Streitkräften als Aufmarschgebiet genutzt, um Städte und Militärstellungen in der Ukraine anzugreifen.

Euronews: Ein potenziell strenger Winter in der Ukraine steht vor der Tür – welche Folgen wird das auf dem Schlachtfeld haben und für welche Seite kann es vorteilhafter sein?

Loss: Während der Wintermonate kommt es in der Regel zu einer Beruhigung der Kampfhandlungen, was keiner der beiden Seiten unbedingt zugute kommt. Beide werden sich in ihren Positionen festsetzen. Deshalb versucht die Ukraine, so viel wie möglich vom besetzten Gebiet zurückzuerobern, bevor der Winter einsetzt. Bis dahin wird es meiner Meinung nach eine gewisse Dynamik auf dem Schlachtfeld geben, und deshalb ruft die Ukraine so dringend nach verstärkter westlicher Unterstützung. Was die sich ändernde Strategie der NATO anzeigt, ist, dass die NATO-Führer erkannt haben, dass wir mit einem langen Krieg konfrontiert sind, der eine lange und beharrliche Reaktion des Westens und die verstärkte Unterstützung der Ukraine erfordert, darunter die Lieferung von Artillerie und Luftverteidigungssystemen.

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