EZB: Meuterei gegen ultralockere Geldpolitik

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Von Sigrid Ulrich mit Reuters, dpa
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Anleihekäufe und ein höherer Strafzins für Banken: Mit den Beschlüssen in seiner letzten Sitzung als EZB-Chef stieß Mario Draghi auf deutlichen Widerstand

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Bei seinem jüngsten Vorstoß, die geldpolitischen Zügel zu lockern, ist EZB-Präsident Mario Draghi auf den bisher heftigsten Widerstand seiner Amtszeit getroffen - laut Insidern schon auf der geldpolitischen Sitzung und auch nach der Verkündung der jüngsten Maßnahmen: Der EZB-Rat beschloss unter anderem, den Strafzins für Bankeinlagen von 0,4 Prozent auf 0,5 Prozent anzuheben sowie vom 1. November an wieder Anleihekäufe im Umfang von monatlich 20 Milliarden Euro aufzunehmen.

Nach SPIEGEL-Informationen fiel die Mehrheit im Zentralbankrat so knapp aus wie nie zuvor, Insidern zufolge argumentierte eine zweistellige Zahl des 25-köpfigen Gremiums gegen die von Draghi vorgeschlagenen Maßnahmen. Eine formelle Abstimmung fand demnach nicht statt.

Unter den Neinsagern waren überraschend die beiden französischen Vertreter, das Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré und der Chef der Banque de France, François Villeroy de Galhau.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann und das deutsche Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger sprachen sich ebenso gegen die neue Lockerung aus wie der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot.

Auch nach der Sitzung hielten die diskreten Banker mit ihrer kritischen Meinung nicht hinterm Berg: Sollten sich die Umstände ändern, könne sich auch die Geldpolitik ändern, sagte das EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann, Österreichs neuer Notenbankchef, ("Bloomberg TV"). “Nicht morgen, nicht übermorgen, aber ich würde nicht denken, dass sie nun für die nächsten Jahrzehnte da ist.” Es habe die Frage gegeben, wie wirksam eine weitere geldpolitische Lockerung noch sei. “Ich denke, das war ein Hauptgrund, warum es Widerstand gegeben hat.”

Die Maßnahmen, vor allem der Neustart der Anleihenkäufe, passten nicht zum aktuellen Konjunkturumfeld und es gebe gute Gründe, dessen Wirksamkeit zu bezweifeln, erklärte der niederländische NotenbankchefKlaas Knot ("Reuters"). Die Wirtschaft im Euro-Raum sei voll ausgelastet, es gebe bereits Anzeichen für verzerrte Kurse an den Finanzmärkten und eine überhöhte Risikobereitschaft im Immobilienmarkt.

“Aus meiner Sicht ist er über das Ziel hinausgeschossen,” sagte auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ("Bild") über die neuen Schritte des EZB-Rats zur Unterstützung der Konjunktur. Die wirtschaftliche Lage sei nicht wirklich schlecht. Die Löhne stiegen deutlich und die Gefahr einer Deflation sei nicht zu erkennen. Die EZB habe sich mit den Beschlüssen lange gebunden. “Ich werde mich jedenfalls dafür einsetzen, dass Zinserhöhungen nicht unnötig auf die lange Bank geschoben werden.”

Und Bundesbank-Bankenaufseher Joachim Wuermeling (“Focus”) zeigt sich alarmiert über die anhaltenden Ultratiefzinsen im Euro-Raum. Traditionell hätten Kreditinstitute in Deutschland den größten Anteil ihres Ertrages aus dem Zinsgeschäft gezogen, so ein Vorabbericht. “Dieses Modell wirft bei immer niedriger werdenden Zinssätzen kaum noch etwas ab – weil die Margen immer kleiner werden. Die Bankenaufsicht ist alarmiert.”

Sigrid Ulrich mit Reuters

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