Covid-19-Massengrab am Amazonas: Verzweifelte Angehörige suchen ihre Toten

Ein "wilder" Friedhof im peruanischen Amazonasgebiet
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Von Héctor Estepa mit mit Euronews
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Peruanische Behörden sind unter Druck geraten, weil es vielerorts im Land an Grabstätten für die steigende Zahl von Covid-19-Opfern mangelt. Einige Hinterbliebene fordern jetzt Exhumierungen von Leichen in Sammelgräbern. Außerdem gibt es mehr und mehr "wilde" Friedhöfe.

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Passagiere eines Zuges kaufen Blumen, bevor sie eine schmerzhafte Reise antreten. Sie sind Hinterbliebene von Covid-19-Opfern im peruanischen Amazonasgebiet.

Ihr Ziel ist ein behelfsmäßiger Friedhof in Iquitos, der vor einem Jahr von den Behörden mitten im Dschungel eingerichtet wurde. 400 Menschen wurden hier beerdigt, ohne die Zustimmung von Angehörigen einzuholen.

In vielen Gräbern steckt mehr als ein Kreuz. Zu Beginn der Pandemie genehmigten die Behörden Doppel- und Dreifachbestattungen.

Manche Trauernde wissen nicht, wo die Gräber ihrer Angehörigen sind. Die Behörden haben ihnen mehrere verschiedene Orte auf demselben Friedhof genannt

Robert Lecca weiß also nicht, wo er von seinem Vater Abschied nehmen kann: "Es ist sehr hart. Ein Gefühl, das ich wirklich niemandem wünsche. An sich ist es schon schmerzhaft, ein Familienmitglied zu verlieren. Aber die Tatsache, meinem Vater kein christliches Begräbnis gegeben zu haben, und nicht genau zu wissen, wo er ist, bricht mir das Herz."

Exhumierung der Leichen?

Viele Angehörige fordern jetzt die Exhumierung der Leichen. Sie prangern an, dass es sich um eine einzige Sammelbestattung handelt. Die nachträglichen Trennungen der Grabstätten seien ein Betrug.

Das behauptet Friedhofsbesucher Arnaldo Agonari Chávez: "Warum machen sie mir vor, dass es drei mal drei sind? Die Toten liegen in einem einzigen Loch. In einem Massengrab, sie sind alle dort begraben."

Das Trauma sitzt tief in der größten Stadt der Welt, die keine Anbindung an feste Straßen hat. Iquitos, im Herzen des Amazonas gelegen, hat eine halbe Million Einwohner.

"Wilde" Friedhöfe

Mindestens 3.200 Menschen sind in der Coronakrise gestorben, die die Krankenhäuser überfordert hat. Viele haben ihre Verwandten auf provisorischen Friedhöfen begraben. Sie wollten nicht das Risiko eingehen, dass die Verstorbenen ihre letzte Ruhe in einem Gemeinschaftsgrab finden, oder dass der Leichnam aus Angst vor Ansteckung zurückgewiesen wird.

Das war der Fall bei der Mutter von Fabiana Arreatagui, die jetzt eine würdige Bestattung fordert: "Man leidet, weil man nicht kommen kann, um seinen geliebten Menschen in dem Zustand zu sehen, wie er sein sollte. Sollen sie doch kommen und sich selbst ein Bild von der Lage hier vor Ort machen."

Misstrauen gegenüber Impfstoff

70 Prozent der Menschen in Iquitos haben Antikörper im Blut, die auf eine durchgemachte Coronainfektion hinweisen. Die Katastrophe könnte sich durch Reinfektionen mit Coronavirus-Varianten wiederholen

Euronews-Reporter Héctor Estepa kommentierte in Iquitos: "Der brasilianische Virus-Stamm erreichte Iquitos über den Fluss und die Behörden befürchten nun, dass die Strömung neue Varianten aus dem Nachbarland mitbringt. Die große Hoffnung ist die Impfung, aber das wird im Amazonasgebiet keine leichte Aufgabe sein. Viele Flussgemeinden sind misstrauisch gegenüber dem Impfstoff, und auch die Logistik wird seine Ankunft an abgelegenen Orten erschweren."

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