Jahrelang ließ er sich freiwillig von Schlangen beißen. Jetzt hilft Tim Friedes Blut dabei ein Gegengift zur besseren Behandlung von Schlangenbissen zu entwickeln.
Der US-Amerikaner Tim Friede hat sich hunderte Male freiwillig von verschiedenen giftigen Schlangen beißen lassen. Jetzt wollen Wissenschaftler aus seinem Blut ein Gegengift zur besseren Behandlung von Schlangenbissen entwickeln.
Tim Friede ist schon lange von Schlangen und anderen giftigen Tieren fasziniert. Als Hobby injizierte er sich Gift von Skorpionen und Spinnen und hielt Dutzende von Schlangen in seinem Haus.
Irgendwann begann er dann sich kleine Dosen Schlangengift zu spritzen. Er steigerte langsam die Menge, um eine Toleranz aufzubauen. Dann ließ er sich von Schlangen beißen.
Friede hat fast zwei Jahrzehnte lang Schlangenbisse und Giftinjektionen überstanden. Heute ist er gegen viele Schlangengifte immun.
Doch der Weg dahin war nicht ohne Rückschläge. Nach einem schweren Biss musste ein Teil seines Fingers amputiert werden, mehrere besonders heftige Kobra-Angriffe führten zu Krankenhausaufenthalten.
In Videos auf seinem YouTube-Kanal zeigt er geschwollene Bisswunden an seinen Armen, die von Bissen der Schwarzen Mamba, des Taipans und der Wasserkobra stammen.
Friede begann E-Mails an sämtliche Wissenschaftler zu schicken. Er bat sie seine aufgebaute Toleranz zu untersuchen.
Die Herstellung von Gegengift ist ein schwieriger Prozess
Und die Wissenschaft hat Bedarf: Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jedes Jahr etwa 110 000 Menschen an Schlangenbissen.
Doch die Herstellung von Gegengift ist aufwendig und kostspielig. Häufig wird Schlangengift Tieren – etwa Pferden – injiziert, woraufhin ihr Immunsystem Antikörper bildet. Diese Antikörper werden anschließend aus ihrem Blut gewonnen und zur Herstellung des Gegengifts verwendet.
Diese Gegengifte sind in der Regel nur gegen bestimmte Schlangenarten wirksam und können gravierende Nebenwirkungen bei Menschen auslösen.
Tim Friedes Blut hat zum einem ersten Gegengift geführt
Peter Kwong, Professor für Biochemie und molekulare Biophysik an der Columbia University, sieht in Friedes Blut eine einmalige Chance für die Forschung.
In einer Studie berichten Kwong und seine Kollegen, dass sie zwei Antikörper identifiziert haben, die das Gift zahlreicher unterschiedlicher Schlangenarten neutralisieren können – mit dem langfristigen Ziel, eine Behandlung zu entwickeln, die einen breit wirksamen Schutz ermöglicht.
Die Forschung steckt noch in den Anfängen. Das experimentelle Gegengift wurde bislang nur an Mäusen getestet, klinische Studien am Menschen sind noch Jahre entfernt. Zwar zeigte die Behandlung vielversprechende Wirkung gegen Schlangenarten wie Mambas und Kobras, gegen Vipern, etwa Klapperschlangen, ist sie jedoch bislang nicht wirksam.
Und was ist mit dem Schlangenbiss-Mann?
Heute arbeitet Friede bei Centivax – einem Biotech-Unternehmen, das die Entwicklung der Behandlung vorantreibt und die Studie von Peter Kwong mitfinanziert hat.
Er freut sich, dass seine 18-jährige Odyssee vielleicht eines Tages Leben retten kann. Doch für alle, die ihm nacheifern wollen, hat er eine klare Botschaft: „Tut es nicht.“