Yuval Steinitz, Israels Geheimdienstminister: "Ein nuklearer Wettlauf im Nahen Osten muss verhindern werden"

Yuval Steinitz, Israels Geheimdienstminister: "Ein nuklearer Wettlauf im Nahen Osten muss verhindern werden"
Von Euronews
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Während die Weltmächte auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem Iran über die Offenlegung seines Atomprogramms verhandelt haben, kündigte Israel an, jede Einigung, die seine Sicherheit gefährde, zu verhindern.

Israel selber hat niemals zugegeben, noch geleugnet, über Atomwaffen zu verfügen. Aber laut einer Studie des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts von Juni 2014 hat das Land mindestens 80 Atomsprengköpfe.

euronews-Korrespondent James Franey sprach am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz am 8. Februar 2015 mit Yuval Steinitz, dem israelischen Minister für internationale Beziehungen und Nachrichtendienste.

James Franey für euronews: Dr. Yuval Steinitz, danke, dass Sie da sind. Hier in München auf der Sicherheitskonferenz ist eines der großen Themen das iranische Atomprogramm. Was denken Sie über diese Gespräche?

Yuval Steinitz: Wir sind sehr beunruhigt. Der Iran darf nicht an der Schwelle zur Atommacht gehalten werden oder sogar eine Atommacht werden. Wenn der Iran der Bombe immer näher kommt, könnten zwei Dinge passieren:
Früher oder später werden sie eine Atombombe herstellen. Genau das passierte vor einigen Jahren nach ähnlichen Verhandlungen mit Nordkorea. Und zweitens werden andere sunnitische Nachbarländer dasselbe fordern.

Statt also das nukleare Wettrüsten im islamischen Raum zu stoppen, wird es im Nahen Osten, in der hektischen muslimischen Welt, einige Staaten an der Schwelle zur atomaren Macht geben, und Sie wissen, was das Endergebnis sein wird.

euronews: Wie nahe ist der Iran einer Bombe Ihrer Meinung nach?

Yuval Steinitz: Ich weiß es nicht. Aber es gibt immer noch sehr große Wissenslücken bei einer Vielzahl von Themen. Wir verfolgen die Verhandlungen sehr genau. Wir denken, dass die Herangehensweise von Anfang an eine andere hätte sein sollen.

Wenn der Iran die Sanktionen loswerden will, wenn der Iran als ein rechtmäßiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden möchte, wenn die iranischen zivilen Atomanlagen international anerkannt werden sollen, dann sollte der Iran auch etwas zurückgeben.

Der Iran sollte seine Urananreicherungsanlagen abbauen, um der Welt zu beweisen, dass das Regime keine Möglichkeit hat, eine Bombe zu bauen.

euronews: Jetzt werden die Iraner sagen, dass sie sich bereits ziemlich harten Kontrollen unterzogen haben.

Yuval Steinitz: Sehen Sie, ich kann nur eines sagen: In den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat die Welt zwei Abkommen mit zwei Schurkenstaaten unterzeichnet. Brutalen, gefährlichen Regimen, die versucht haben, Atomwaffen zu entwickeln.

Ein Vertrag wurde 2003 mit Libyen unterzeichnet, ein anderer 2007 mit Nordkorea. Die Vereinbarung mit Libyen beinhaltete den Abbau ihrer gesamten Infrastruktur, die sich noch im Bau befand. Bei der Vereinbarung mit Nordkorea ging es vor allem um das Einfrieren des Programms, bessere Überwachung und Inspektionsmethoden. Wir kennen das Ergebnis. Nordkorea hat drei oder vier Jahre nach der Vereinbarung doch Atomwaffen entwickelt. Also sollten wir etwas aus der Geschichte lernen.

Die Vereinbarung mit dem Iran sollte im Sinne einer guten und zufriedenstellenden Einigung dem libyschen Modell näher sein als dem nordkoreanischen. Wenn der Iran die Waffe bekommen sollte, wird dies eine völlig neue und gefährliche Welt erschaffen. Es wäre das erste Mal, dass islamische Eiferer diese gefährlichen Waffen in ihre Hand bekommen. Und dabei geht es nicht nur um die Zukunft des Nahen Ostens oder Israels. Es geht um die Zukunft der ganzen Welt.

euronews: Die israelische Regierung hat in den vergangenen Jahrzehnten oft den Teufel an die Wand gemalt. Ihr Premierminister Netanjahu hat in seinem Buch “Fighting Terrorism” vorausgesagt, dass der Iran innerhalb von drei bis vier Jahren eine Atombombe haben wird. Das Buch erschien 1995.
Deswegen frage ich mich: Warum sollte die internationale Gemeinschaft also dieses Mal an die israelischen Vorhersagen glauben, wo sie doch schon viele Male daneben lagen?

Yuval Steinitz: Ministerpräsident Netanjahu sagte voraus, dass der Iran Atomwaffen produzieren wird, sollte die Welt ihn nicht daran hindern und sollte es keine Schwierigkeiten dabei geben. Also zunächst einmal ist es gut, dass der Iran dabei noch keinen Erfolg hatte. Es ist nicht schlecht. Im Gegenteil: Es ist gut, dass es Zeit in Anspruch nimmt.

euronews: Aber Sie werden zugeben, dass Sie immer wieder diese Art von Vorhersagen gemacht haben. Als Schimon Peres Außenminister war, sagte er 1992 im französischen Fernsehen, dass der Iran die Bombe bis zum Ende des Jahrzehnts haben wird.

Yuval Steinitz: Damals sagten die Iraner, dass sie einige Informatik-Probleme hätten und andere Schwierigkeiten und dass sie einige Dinge gefunden hätten. Ich weiß nicht genau, wovon sie damals gesprochen haben, aber sie hatten in der Vergangenheit viele Schwierigkeiten. Dennoch sind sie heute nicht mehr weit entfernt. Und ohne….

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euronews: Wie weit?

Yuval Steinitz: Ich weiß nicht, ein bis zwei Jahre? Das kommt darauf an. Und ohne die Bemühungen von Ministerpräsident Netanjahu, ohne die Bemühungen Israels im Allgemeinen und ganz speziell Ministerpräsident Netanjahu, ohne seine diplomatischen Bemühungen und seine Reden in Israel, in den Vereinigten Staaten, vor den Vereinten Nationen, in Europa, würde sich die Welt nicht so bemühen, den Iran zu stoppen. Das ist nicht alleine Netanjahus Verdienst, aber er spielte eine Schlüsselrolle dabei, der Welt die Augen über die iranische nukleare Bedrohung zu öffnen.

euronews: Nun meine letzte Frage, Sie haben die Vorträge in den USA angesprochen. Ministerpräsident Netanjahu wird nächsten Monat vor dem US-Kongress sprechen. Denken Sie, dass es klug war, diese Einladung ohne Rücksprache mit Präsident Obama anzunehmen? Die Vereinigten Staaten sind einer der wichtigsten strategischen Verbündeten Israels, wenn nicht gar der wichtigste.

Yuval Steinitz: Niemand, einschließlich Ministerpräsident Netanjahu, will die Vereinigten Staaten beleidigen. Wir haben eine Menge Respekt für die Vereinigten Staaten und für Präsident Obama. Aber ich kenne keinen führenden Politiker weltweit, der es ablehnen würde, vor diesem Forum zu sprechen, dem amerikanischen Kongress, dem gemeinsamen Sitz des Repräsentantenhauses und des Senats.

Manchmal haben wir also unsere Differenzen. Einerseits haben wir hier unterschiedliche Meinungen zu der Herangehensweise. Die Frage ist aber doch: Was soll das endgültige Ziel dieser Verhandlungen sein?

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Andererseits schätzen wir aber die Zusammenarbeit und den Dialog zu diesem Thema mit den Ländern der 5 + 1-Gruppe sehr, und natürlich ganz besonders mit den Amerikanern.

Ich bin zuversichtlich, dass auch nach den Wahlen in Israel in ein paar Wochen diese strategische Allianz, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit und die Freundschaft, die tiefe Freundschaft zwischen Israel und den Vereinigten Staaten von Amerika andauern werden, komme, was wolle.

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