Deutschland: das Glück bei der Arbeit

Deutschland: das Glück bei der Arbeit
Von Hans von der Brelie mit Kamera: Mors, Bochmann
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Wie kann man die Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen verbessern, wie für eine gute Arbeitsatmosphäre sorgen? Kann man "Zufriedenheit am Arbeitsplatz" messen - und wie kann man sie verbessern? Welc

Wie kann man die Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen verbessern, wie für eine gute Arbeitsatmosphäre sorgen? Kann man “Zufriedenheit am Arbeitsplatz” messen – und wie kann man sie verbessern? Welche Möglichkeiten gibt es, Arbeiter und Angestellte zu motivieren? Welche Techniken existieren, Stress am Arbeitsplatz abzubauen?

Bonus

Insiders hat seine Reporter losgeschickt: Auf der Suche nach glücklichen Arbeitern sind wir in Deutschland unterwegs. Erster Zwischenstop ist Harsewinkel, “Die Mähdrescherstadt” – das steht sogar auf dem Ortsschild der Kleinstadt mit 24.000 Einwohnern. Die meisten Menschen hier arbeiten für Claas, eine der ganz großen Nummern auf dem Weltmarkt für Mähdrescher – und ein echter Familienbetrieb. Claas gründete die Firma 1913. Heute stehen weltweit 11.000 Angestellte auf der Gehaltsliste. Seit 1984 können die Claas-Mitarbeiter in Deutschland sich finanziell an ihrem Unternehmen beteiligen.

Be happy, work the German way! Part 1Viele der Claas-Mitarbeiter sind motiviert und mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden – womöglich auch eine der Folgen der finanziellen Mitarbeiterbeteiligung. Jochen Thiäner zum Beispiel: Der Industrie-Mechaniker begann im Alter von 17 Jahren bei Claas. Seitdem kauft er Unternehmens-Anteile.

Renditen über zehn Prozent

Jedes Jahr können die Angestellten bis zu 1.200 Euro im eigenen Unternehmen anlegen. Bis heute sind so 40 Millionen Euro zusammengekommen. Im Vergleich zur gesamten Eigenkapitalsumme von Claas – über eine Milliarde Euro – ist das zwar relativ “wenig”, andererseits zeigen diese 40 Millionen Euro Mitarbeiterbeteiligung aber auch: die Claas-Arbeiter und -Angestellten stehen hinter ihrem Unternehmen, sind bereit, sich mit dem eigenen Geld an Gewinn und Verlust zu beteiligen. Die Belegschaft schultert einen (kleinen) Teil des unternehmerischen Risikos.

Die Mitarbeiterbeteiligung zahlt sich aus – auch bei Motivation und Unternehmenskultur: Auf der Internetplattform Kununu können Arbeitnehmer ihren Betrieb mit bis zu fünf Sternen bewerten. Bei Claas sind die Chefs in Ordnung, Teamwork wird großgeschrieben, die Arbeitsatmosphäre ist gut. Es klappt mit der betriebsinternen Kommunikation und der Gleichberechtigung. Ältere Kollegen werden respektiert, laut Kununu-Bewertung. Aufstiegsmöglichkeiten und Gehaltsniveau werden auf Kununu ebenfalls als angemessen bis gut bezeichnet.

Warum Jochen Thiäner Geld in seine Firma steckt?
“Die Mitarbeiterbeteiligung habe ich gemacht, weil es sehr gute Renditen gibt, und die letzten zehn Jahre war der Durchschnitt bei zwölf Prozent.”

Wie er zu Claas kam?
“Meine Eltern haben sich hier bei Claas kennengelernt, und dann war ich als Jugendlicher auch technisch begeistert und habe dann hier meine Ausbildung gemacht zum Zerspanungsmechaniker. Und dadurch, dass mein Vater auch diese CMG-Anteile hatte, bin ich dann dazu gekommen, dass ich das auch haben wollte, weil es so gute Renditen gibt.”

Das investierte Geld liegt erst einmal neun Jahre fest. Anschließend kann es ausgezahlt – oder neu angelegt werden. Die große Mehrheit der Mitarbeiter wählt die zweite Möglichkeit – und sorgt damit beispielsweise vor für den Ruhestand.

Was bringt die Kapitalbeteiligung der Beschäftigten aus der Perspektive des Unternehmens?
Peter Göth ist Geschäftsführer der Mitarbeiterbeteiligungs-Gesellschaft. Ihm geht es nicht nur darum, das Eigenkapital der Firma zu erhöhen sondern – wichtiger noch – die Bindung zwischen Arbeiternehmern und Unternehmen zu stärken: “Mittlerweile beteiligen sich deutlich über 70 Prozent der Mitarbeiter an diesem Modell: also großes Vertrauen, hohe Bereitschaft, auch finanziell eigene Mittel in das Unternehmen zu stecken. Vom Ursprung her ist es tatsächlich der Grundgedanke, den Mitarbeiter zum Unternehmer zu machen.”

Rührei, Yoga und Kickern bei Cortado

Weiter geht die Recherche-Reise Richtung Nordosten. Unser nächster Zwischenstop: Cortado, ein mittelgrosses IT-Unternehmen. Wir sind in Berlin, es ist neun Uhr morgens. Hier bei Cortado kocht der Finanz-Chef. Sven Huschke bereitet seinen Programmierern Rührei zum Frühstück vor.

Cortado begann als typisches Start-Up-Unternehmen: vier Superhirne mit einer genialen Idee für effizientes Drucken. Anschliessend erweiterte sich das Geschäftsfeld, besonders im Bereich mobiler Anwendungen fand Cortado innovative Lösungen. Heute arbeiten 200 Computerspezialisten bei Cortado – und das Unternehmen globalisiert sich, hat kleinere Filialen auch in Übersee.

Be happy, work the German way! Part 2Gemessen an freundlichen Gesichtern, ist die Motivation top, meint auch Alexander Bernhardt, einer der Cortado-Mitarbeiter am Frühstückstisch: “Wir essen oft zusammen, was natürlich den Vorteil birgt, dass man Probleme erörtern kann, abteilungsübergreifend, mit Kollegen, mit denen man im Alltag nicht so viel zu tun hat – und auch Probleme lösen kann, für die man ansonsten gar keinen Ansatz hat. Wo man ansonsten in seiner kleinen Blase gefangen ist…”

Der 31 Jahre alte Fantasy-Film-Fan Alexander Bernhardt trat vor zwei Jahren dem IT-Unternehmen bei, kümmert sich um Verkauf und Vertrieb. Einmal die Woche hält er internetgestützte Informations- und Fortbildungsseminare für die weltweite Kundschaft ab: “Webinare”, wie man in der Branche dazu sagt.

Cortado ist bemüht, die coole Stimmung der Gründer-Jahre beizubehalten: lass’ Dich nicht einfangen vom Alltagstrott, hab’ Spaß, traue Dich, in alle Richtungen zu denken, tausche Dich aus mit den Kollegen – gelegentlich auch mal mit Schaumstoffpfeilen. Spielerisches Ulken und seriöses Nachdenken gehen hier Hand in Hand, ja bedingen einander geradezu, denn wer findet schon eine bahnbrechende Lösung, wenn er gedankenverloren auf seinen Computerbildschirm starrt?

Alexander Bernhardt lacht laut auf: “Man darf sich einfach nicht so ernst nehmen, ist wirklich so. Man hat seine Poster hier, hat seine Action-Figuren hier auf dem Schreibtisch, bringt ja in gewisser Weise auch die Art von einem selbst mit in das Büro. Und die Art und Weise, wie man arbeitet miteinander, geht dann auch viel lockerer von der Hand.”

Und was sagt die Ranking-Plattform Kununu? Management, Teamwork und Arbeitsatmosphäre bewerten die Cortado-Mitarbeiter positiv. Betriebsinterne Kommunikation rangiert im oberen Mittelfeld. Gute Noten gibt es für Gleichberechtigung und Umgang mit älteren Kollegen. Karrierechancen und Gehaltsniveau werden etwas weniger gut bewertet – rangieren aber laut Kununu-Einstufung immer noch im oberen Mittelfeld.

Cortado-Finanzchef Sven Huschke meint: “Flache Hierarchien und kurze Wege um Vorgesetzte anzusprechen hat für uns den Vorteil, dass man auch ein ganz ungefiltertes Feedback bekommt, eine ehrliche Rückmeldung.” Das sei wichtig sowohl für die Mitarbeiter wie auch für die Vorgesetzten.

Pause! Die einen gehen zum Yoga – die anderen zum Kickern: alles betriebsintern und im Dienste der Kreativität. Wer anschließend ausgeruht, gut gelaunt und mit einem freien Kopf an den Computer-Arbeitsplatz zurückkehrt, der kann auch produktiver arbeiten, besser denken, flinker programmieren und neue Ideen entwickeln.

“Wir haben hier den Kicker, mit dem man schön spielen kann”, freut sich Alexander Bernhardt während seiner Pause, “wir haben unten die Videospielkonsole, wo man sich mal auspowern kann und es gibt eine Fussballmannschaft, die sich regelmäßig zum Spielen trifft…”

Und das Cortado-Team ist noch aus einem anderen Grund zufrieden und ganz offenbar hochmotiviert: Jeder traut jedem. Wenn Alexander frische Luft für neue Denkansätze braucht, dann arbeitet er mobil – zu Hause oder nebenan am Ufer der Spree: “Man ist einfach viel kreativer. Man hat die Möglichkeit, sich seine Arbeitszeiten selber einzuteilen und auch seinen Arbeitsplatz selber zu suchen und damit auch kreativer an Probleme heranzugehen.”

Beide Unternehmen, Claas und Cortado, wurden von der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft ausgezeichnet: so soll sie aussehen, die Arbeit der Zukunft.

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