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Rafael Mariano Grossi: "Mit Atomwaffen stehen alle Möglichkeiten im Raum"

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Von Jack ParrockSabine Sans
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Der Generalsekretär der Internationalen Atomenergie-Organisation in The Global Conversation über den Atomdeal mit dem Iran, den Atomwaffenstaat Nordkorea und das allgemeine Gefahrenpotential der Nuklearwaffen.

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) ist die Welt-Atomaufsichtsbehörde. Ihre Rolle in Bezug auf das 2015 unterzeichnete Atomabkommen mit dem Iran ist immer wichtiger geworden, seit die USA unter Donald Trump das Abkommen 2018 aufgekündigt haben.

Euronews-Reporter Jack Parrock:
Unser Gast in The Global Conversation ist der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation Rafael Mariano Grossi. Vielen Dank, dass Sie bei uns sind.

Rafael Mariano Grossi:
Es ist mir ein Vergnügen.

Euronews:
Fangen wir mit dem Iran an. Nach der Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani erklärte die iranische Regierung, sich Begrenzungen des Atomprogramms künftig überhaupt nicht mehr verpflichtet zu fühlen. Wie gefährlich ist das?

Rafael Mariano Grossi:
Die Situation ist insofern eher ungewöhnlich, als dass wir unsere Inspektionsaktivitäten fortsetzen. In dieser Hinsicht ist die Zusammenarbeit mit dem Iran nicht unterbrochen worden. Wir sind da, unsere Inspektoren sind da. Sie führen ihre Kontrollaktivitäten durch, was sehr wichtig ist. Gleichzeitig haben unsere Inspektoren festgestellt, dass die Auflagen des Abkommens von 2015 immer weniger eingehalten werden.

Euronews:
Der iranische Außenminister Javad Zarif sagte unter anderem, dass man diese Maßnahmen zurücknehmen könne. Glauben Sie, dass Irans nukleare Aktivitäten reversibel sind? Und was bedeutet reversibel?

IAEO zeigt die Fakten auf

Rafael Mariano Grossi:
Wie Sie sagen, reversibel ist ein subjektiver Begriff. Was also für die einen reversibel ist, kann für die anderen irreversibel sein. Meiner Meinung nach besteht der unverzichtbare Wert dessen, was wir tun, darin, dass wir die Fakten aufzeigen.

Euronews:
Aber können all die Fakten, alles, was der Iran unternimmt, zurückgenommen werden?

Rafael Mariano Grossi:
Natürlich kann ein Land mehr (Uran) anreichern, es kann weniger anreichern. Es kann sich in diese Richtung bewegen. Und wir informieren darüber.

Euronews:
Wie nah ist der Iran an der Atombombe?

Rafael Mariano Grossi:
Es geht darum, die Fähigkeiten, die technologischen Fähigkeiten des Iran und vieler anderer Staaten zu analysieren. Das ist die Realität. Wichtig ist, dass die Internationale Atomenergie-Organisation vor Ort ist und überprüft, ob die festgelegten Grenzen (bei der Urananreicherung) eingehalten werden.

Euronews:_
Aber mit 1200 Kilogramm angereichertem Uran steht man kurz vor der Atombombe, oder?_

Rafael Mariano Grossi:
Möglicherweise. Aber diese Mengen gibt es auch in anderen Teilen der Welt. Das ist Teil eines Themenkomplexes, einer ganzen Reihe von Themen - ob die Dinge bestätigt werden, ob unsere Inspektoren vor Ort sind, ob der Iran das IAEO-Zusatzprotokoll zum Abkommen über Sicherungsmaßnahmen einhält. Natürlich wird die internationale Gemeinschaft immer schnell über eine besorgniserregende Entwicklung informiert werden.

Das Atomabkommen mit dem Iran steht auf tönernen Füßen

Euronews:
Das Iran-Abkommen steht auf tönernen Füßen, seit die USA sich daraus zurückgezogen haben. Wird das Atomabkommen mit dem Iran fortbestehen?

Rafael Mariano Grossi:
Das liegt in der Verantwortung der Politik und der Länder, die ihr Verhalten erklären müssen. Aber letztlich geht es um Realitäten vor Ort. Nur die IAEO kann feststellen, was vor sich geht. Letztendlich ist die Nichtverbreitung von Atomwaffen eine souveräne Entscheidung eines Staates. Ein Staat ist frei, die Nichtverbreitung zu beschließen und unsere Behörde wird vor Ort sein, um das zu bestätigen.

Euronews:
Frankreich, Deutschland und Großbritannien hatten angekündigt, den (im Atomabkommen vorgesehenen) Streitschlichtungsmechanismus auszulösen. Jetzt beschlossen sie, den (dafür vorgesehenen) Zeitrahmen auszusetzen. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht und was tut Ihre Behörde in der Zwischenzeit der Aussetzung?

Rafael Mariano Grossi:
Wir müssen die Kontinuität der Inspektionen sicherstellen. Wenn es eine Unterbrechung, eine Störung in der Arbeit unserer Inspektoren gäbe, würde das den Streit, der durch den Schlichtungsmechanismus gelöst werden soll, nur noch anheizen.

Nordkorea: ein Kernwaffenstaat mit einem bestätigten Arsenal

Euronews:
Die Gipfel-Gespräche von US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un über das nordkoreanische Atomprogramm wurden ergebnislos abgebrochen. Wie schätzen Sie die nuklearen Ambitionen Nordkoreas ein?
**
Rafael Mariano Grossi:**
Die IAEO war lange Zeit vor Ort, bis unsere Inspektoren vor mehr als zehn Jahren aus dem Land verwiesen wurden. Seit mehr als einem Jahrzehnt waren also keine unserer Inspektoren in Nordkorea. Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass wir das Handtuch geworfen und unsere Arbeit unterbrochen haben. Wir analysieren ständig Informationen über das, was dort vor sich geht. Und wir halten uns bereit für den sofortigen Einsatz unserer Inspektoren. Als wir diese komplexen Beziehungen begannen, war Nordkorea ein Land mit Ambitionen, aber ohne Atomwaffen. Jetzt ist es ein Kernwaffenstaat mit einem bestätigten Arsenal. Die ganze Situation hat sich also politisch und technologisch verändert. Wir sollten vielleicht aufhören, über Ambitionen zu sprechen. Sie sind ein Atomwaffenstaat. Also müssen wir daran arbeiten, das zurückzudrehen. Wir müssen versuchen, die Lage so stabil wie möglich zu halten.

Euronews:
Der US-Präsident hat bereits des Öfteren bewiesen, dass er die Dinge gern selbst in die Hand nimmt und sie nicht internationalen Organisationen wie der Ihren überlässt. Sieht er Ihren Nutzen als Aufsichtsbehörde vor Ort? Oder meinen Sie, er hätte lieber US-amerikanische Kontrolleure in Nordkorea?

Rafael Mariano Grossi:
Wenn es zu einem Atom-Abkommen mit Nordkorea kommt, bin ich davon überzeugt, dass die Internationale Atomenergie-Organisation eine unverzichtbare Rolle dabei spielen wird.

Euronews:
Wie besorgt sind Sie über das Gefahrenpotenzial nicht staatlicher Akteure, in Zukunft möglicherweise an Atomwaffen zu gelangen?

Rafael Mariano Grossi:
Das ist ein Problem. Die Menge an Nuklearmaterial - und mit Nuklearmaterial meine ich keine Atomwaffen, damit meine ich angereichertes Uran oder sogar Material, das sich in Gesundheitseinrichtungen auf der ganzen Welt befindet -, wächst, was gut ist. Aber natürlich zieht das auch Gruppen, Terroristen an, die sich Zugang zu diesem Material verschaffen könnten. Ich würde nicht einmal sagen, dass man Atomwaffen nur für einen Atomunfall oder eine schmutzige Bombe benutzen kann. Es stehen alle Möglichkeiten im Raum.

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