Punks belagern Sylt im Protestcamp

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Auf der Promi-Insel Sylt demonstrierten ein paar Dutzend Punks wochenlang gegen demonstrativen Reichtum.

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Bewohner:innen von Sylt hatten bereits seit der Ankündigung des 9-Euro-Tickets der Bahn Angst vor einem Ansturm auf die Insel. Und nach der Einführung des Tickets Anfang Juni geschah es dann: Eine Menge Leute 

"Die deutsche Presse macht Schlagzeilen: „Punk-Party“, „Punks essen in Fußgängerzonen zu Abend“ … Ein weiteres Anliegen der Reichen ist die Nutzung der Verkehrsmittel mit dieser neuen Bevölkerung. Vor allem Züge und Busse von Hamburg nach Sylt wurden gestürmt"

organisierten sich im Vorfeld übers Internet, um gemeinsam auf die Insel zu fahren. Unter ihnen ein paar Dutzend Punks, die sich in Westerland vor dem Rathaus niederließen.

Jörg Hellmut Serdar Otto, Vorstandsmitglied DIE LINKE Hamburg und Sprecher der Punks:

“Ja, das ist unser Protestcamp. Wir machen das als Demonstrationsform. Wir zeigen mit dem Punk die kapitalistische Problemlage auf.“

PROMI-HOCHZEIT DER LINDNERS

Am 9. Juli hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Reporterin Franca Lehfeldt auf Sylt geheiratet. Einige Gäste kamen mit dem Privatflieger. Anwesend waren zahlreiche prominente Gäste: Bundeskanzler Olaf Scholz kam mit seiner Ehefrau, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (beide SPD). CDU-Chef Friedrich Merz kam gemeinsam mit seiner Frau Charlotte - im Privatflieger. Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) und Nordrhein-Westfalens ehemaliger Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) waren unter den Gästen.

Dazu Jörg Hellmut Serdar Otto:

“Auf Sylt ist ein großes Ungleichgewicht zwischen Reichen-Tourismus und normalem Leben entstanden.“

So sucht das Tourismusgewerbe im Sehnsuchtsort nicht nur vieler Hamburger derzeit händeringend Personal für 1.000 offene Stellen und rund 100 unbesetzte Ausbildungsplätze, sagt Sylt-Marketing-Geschäftsführer Moritz Luft – viele bleiben weg, weil sie keine Wohnung finden. Zwanzig Euro Kaltmiete pro Quadratmeter seien üblich, so Petra Reiber,  parteilose Ex-Bürgermeisterin von Sylt. Kein normaler Mensch könne sich das leisten. 

Jörg Hellmut Serdar Otto:

“Hier gibt es Show für Reiche. Aber alle, die hier arbeiten, können es sich nicht mehr leisten. Es muss aber auch Platz für die arbeitende Bevölkerung geben.“

Die Einheimischen zeigten sich von ihren ungewöhnlichen Fürsprechern nicht gerade begeistert.  

Irmi Allwardt, Touristin

“Ich find das nicht schön, wenn hier so viel Gelump rumliegt. Und das passt nicht hierher.“

Ruth Mandic, Sylterin: 

“Wenn du das siehst, auf unserem kleinen Rathausplatz – da konnten früher ältere Leute sitzen, gemütlich sich ausruhen. Heute liegen da die Punks. Es ist schmutzig, es ist dreckig, es ist nicht sauber.“

Trotzdem wollten die Punks bleiben, am liebsten bis Anfang Oktober.

Das Lied der deutschen Punkrockband "Die Ärzte": "Oh ich hab' solche Sehnsucht, ich verliere den Verstand. Ich will wieder an die Nordsee, ich will zurück nach Westerland" lief bei den Punks auf Sylt rauf und runter. Markanter Reim: 

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"Es ist zwar etwas teurer. Dafür ist man unter sich. Und ich weiß, jeder Zweite hier ist genauso blöd wie ich."

"Es ist zwar etwas teurer
Dafür ist man unter sich
Und ich weiß jeder Zweite hier
Ist genauso blöd wie ich."
Band "Die Ärzte"
"Westerland" vom Album "Das ist nicht die ganze Wahrheit.." (1988)

Jörg Hellmut Serdar Otto:

“Das 9-Euro-Ticket ist eine Chance für normale Leute, an schöne Plätze zu fahren.“

…letzte Chance, damit zurückzufahren: Mittwoch, 31. August.

Aber Ende Juli hatte es ja auch schon mal geklappt: Die Camp-Genehmigung …

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Jörg Hellmut Serdar Otto: 

“…die wir um einen Monat beantragt haben, hat dann gegriffen und hat uns die Legalität um einen Monat verlängert, direkt vorm Rathaus in Westerland.“

VERLÄNGERUNG ABGELEHNT

Dazu die Protestmail von Touristin Maren Ziesche an das Rathaus: „Sehnsüchtig hatte ich diesem Urlaub entgegen gesehen - dann kam ich hier an. Im Alltag sieht das so aus, dass ich äußerst schlecht schlafe, weil es de facto überhaupt keine Nachtruhe gibt. Nie. Selbst bei geschlossenen Fenstern hört man jede Nacht die Punks grölen, singen, schreien, streiten. Dieser anhaltende Schlafmangel ist, ehrlich gesagt, ziemlich zermürbend.“ Ihre Beobachtung: „Auf mich wirkt es überhaupt nicht so, dass die Punks irgendetwas für die Allgemeinheit (respektive die Insulaner) bewirken möchten, sondern es geht nur um sie selbst und ihren Spaß."

Sylt will schon jetzt ein Punk-Camp im nächsten Jahr verhindern. Und "eine am letzten Sonntag per E-Mail beantragte Verlängerung des Protestcamps im Sylter Rathauspark über den 31. August hinaus lehnte der Kreis Nordfriesland als Versammlungsbehörde nun ab," so der Kreis Nordfriesland am Dienstag (30.08.2022) Abend. Begründung: Vor allem der Lärm. „Die Teilnehmer haben ihre gesellschaftspolitischen Anliegen nun vier Wochen lang in der Öffentlichkeit vertreten und ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Damit haben die Protestierer ihr Grundrecht verwirklicht und den Zweck der Versammlung erreicht. Deshalb kommen wir in der Abwägung zu dem Ergebnis, dass den Anwohnern und Urlaubern keine weiteren Eingriffe in ihre Grundrechte durch das Camp mehr zugemutet werden können“, so Robert Schlenker vom Fachdienst Recht und Sicherheit der Kreisverwaltung in Husum.

In Frankreich hatte die Gelbwestenbewegung (Mouvement des Gilets jaunes), eine überwiegend über soziale Medien organisierte Bürgerbewegung, zwischen November 2018 und ihrem Abflauen im Frühjahr 2019 landesweite Proteste ausgerufen, unter anderem gegen höhere Spritsteuern und für höhere Mindestlöhne und Renten.

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