Zwischen Krieg und Harmonie: Sind die Vereinten Nationen noch mächtig?

Die 78. UN-Vollversammlung findet unter ähnlichen Vorzeichen wie die im vergangenen Jahr statt.
Die 78. UN-Vollversammlung findet unter ähnlichen Vorzeichen wie die im vergangenen Jahr statt. Copyright Fotograma AP
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Von Amaranta Zermeno Jimenez
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Spanisch

Bei der 78. Vollversammlung der Vereinten Nationen warten mehrere Krisenherde weltweit darauf, gelöscht zu werden. Doch ist die UN dazu überhaupt noch in der Lage?

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Die 78. Vollversammlung der Vereinten Nationen findet unter ähnlichen Vorzeichen statt wie die im vergangenen Jahr: Die Ukraine verteidigt sich weiterhin gegen die russische Invasion, die vorhandene Probleme im Rest der Welt verstärkt und neue Probleme schafft.

Von den Staats- und Regierungschefs werde erwartet, diese weltweite Krise zu entschärfen, so UN-Generalsekretär António Guterres im Vorfeld der jährlichen Versammlung.

Die Welt müsse jetzt handeln, um die sich verschlimmernde Klimakrise, die eskalierenden Konflikte und die Inflation anzugehen.

Scheinheiligkeit und Unverständnis

Doch nicht jeder glaubt mehr an die Macht der UN, die sich immer wieder in Balanceakten zwischen ihren Mitgliedsstaaten verliert.

"Ich glaube, viele Menschen verlieren das Vertrauen, wenn sie diese Momente der Scheinheiligkeit wahrnehmen oder wenn Unverständnis besteht, wie die UN auf der einen Seite weiterhin arbeitet, während die weltweite Gemeinschaft auf der anderen Seite auf einen Zusammenbruch zusteuert", sagt Maya Ungar von der NGO International Crisis Group.

So spielt zum Beispiel Russland weiterhin als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat eine mächtige Rolle, obwohl es den internationalen Frieden und die Sicherheit bedroht.

Auch die USA hat in der Vergangenheit immer wieder ihr Vetorecht genutzt, um Resolutionen zu blockieren und so ihre eigenen Interessen im Nahost-Konflikt zu verteidigen.

"Die UN reagiert derzeit nicht auf die Interessen der UN selbst, sondern auf die Interessen der Staaten", sagt Raquel Barras Tejudo, Doktorin für internationale Sicherheit und internationale Beziehungen an der Universtität Complutense Madrid.

Idealismus gegen Realismus

Kim Jong-uns Besuch in Russland, bei dem die Zusammenarbeit verstärkt werden soll, bietet dem Westen Anlass zur Sorge: Nordkorea könnte Russland im Krieg gegen die Ukraine militärisch unterstützen. Doch was kann die UN dagegen tun?

"Die UN wird viel Rhetorik anwenden, doch auf der praktischen Ebene hat sie kein Mittel, mit dem sie dieses Abkommen zwischen Russland und Nordkorea aufhalten kann. [...] Damit untergräbt sie auch ihre eigene Glaubwürdigkeit. Wenn es keinen Arm gibt, der Gesetze und Resolutionen durchsetzen kann, hat man ein Problem", so Barras Tejudo.

Ungar erklärt, die UN müsse sich darauf konzentrieren, "sich der Optionen, die ihr zur Verfügung stehen, besser bewusst zu werden".

Ein Beispiel sei die Reform des Vetorechts, die im letzten Jahr in Liechtenstein verabschiedet wurde. Wer im Sicherheitsrat ein Veto einlegt, muss sich anschließend in einer Sitzung rechtfertigen. "Das ist ein sehr wichtiges Mittel, um die Rechenschaftspflicht zu erhöhen", so Ungar.

"Ich denke, das sich die UN auf diese Maßnahmen konzentrieren sollte, die den Mitgliedern vielleicht nicht so bedeutsam erscheinen, wie zum Beispiel die Erweiterung des Rates um einen ständigen Sitz, die kurzfristig eine echte Wirkung haben können. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Idealismus und Realismus in Bezug auf das, was die UN tatsächlich erreichen kann, zu finden", erklärt sie weiter.

Notwendige Reformen

Die UN erlebt die wohl größten geopolitischen Spannungen seit Jahrzehnten. Dennoch scheint das Harmoniebedürfnis ungebrochen. Expert:innen fordern dringend Reformen.

"Die Vereinten Nationen sollten wahrscheinlich kooperativer mit regionalen Partnern arbeiten, um erfolgreich zu sein. Wie die UN das sichtbar machen kann? Das ist natürlich die Frage. Aber die UN ist eine alte Organisation. Sie macht große Veränderungen durch, die Welt macht große Veränderungen durch. Es ist offensichtlich, dass sich internationale Organisationen ebenfalls verändern müssen, ihre Prioritäten verändern sich jedoch nicht", erklärt Zsuzsanna Szelényi, Expertin für Außenpolitik an der Central European University, gegenüber Euronews.

Die UN sei allerdings als einzige globale politische Institution, in der sich "regionale Rivalen oder Feinde zusammensetzen und miteinander reden können", weiterhin bedeutend, so Szelényi.

Ungar hält die UN zwar für "eine kaputte Institution, die manchmal funktioniert", lobt jedoch die Effizienz ihrer humanitären Hilfe. So habe sie etwa großen Teilen der ukrainischen Bevölkerung helfen können, auch im Sudan spiele sie eine wichtige Rolle.

"Ich denke, dass es zwar Frust über das System der UN gibt, weil die Politik häufig nicht funktioniert, aber letztendlich gibt es immer noch Elemente wie zum Beispiel die Hilfsmaßnahmen, die ihren Zweck erfüllen", so Ungar gegenüber Euronews.

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