Julia Nawalnaja beschwört vor EU-Parlament bessere Zeiten für Russland

Die Witwe von Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, spricht vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, 28. 2. 2024
Die Witwe von Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, spricht vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, 28. 2. 2024 Copyright European Union, 2024
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Von Mared Gwyn JonesAndreas Rogal
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Dieser Artikel wurde im Original veröffentlicht auf Englisch

Das Europäische Parlament müsse "aufhören, langweilig zu sein", wenn es Wladimir Putin die Stirn bieten wolle, sagte Julia Nawalnaja am Mittwoch im Plenarsaal in Straßburg.

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"Wenn man Putin wirklich besiegen will, muss man innovativ werden. Sie müssen aufhören, langweilig zu sein", sagte Nawalnaja in einer Rede vor Europaabgeordneten.

"Man kann Putin nicht mit einer weiteren Resolution oder einer weiteren Reihe von Sanktionen verletzen, die sich nicht von der letzten unterscheiden", fügte sie hinzu.

"Man kann ihn nicht besiegen, indem man denkt, er sei ein Mann mit Prinzipien, der Moral und Regeln hat. Er ist nicht so, und Alexej hat das schon vor langer Zeit erkannt. Ihr habt es nicht mit einem Politiker zu tun, sondern mit einem blutbefleckten Monster."

Ihre Rede wurde mehrmals von Applaus unterbrochen. Nawalnaja sprach weniger als zwei Wochen, nachdem ihr Ehemann Alexej Nawalny, der als Putins schärfster politischer Gegner galt, nach jahrelanger Verfolgung durch den Kreml in einer arktischen Strafkolonie starb.

Todesumstände ihres Mannes weiter unklar

Die genauen Umstände seines Todes sind nach wie vor unklar. Die EU hat die Verantwortung für seinen Tod direkt dem Regime von Putin zugeschrieben.

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat die EU dreizehn Sanktionspakete verhängt, die Russlands Fähigkeit zur Modernisierung seiner Wirtschaft einschränken und den Zugang zu wichtigen Gütern, die auf dem Schlachtfeld in der Ukraine eingesetzt werden, unterbinden sollen.

Der Hohe Vertreter der EU für die Außenpolitik, Josep Borrell, hat anghekündigt, die Menschenrechtssanktionen der EU zu Nawalnys Ehren umzubenennen.

Nawalnaja erklärte jedoch, die EU brauche weniger Symbolismus und mehr gezielte Untersuchungen, die sich auf Putins Freunde und Verbündete konzentrierten, und warnte davor, dass Putin weiterhin Geld - und Macht - in EU-Hauptstädten durch Netzwerke der organisierten Kriminalität verstecke.

Die von Nawalny gegründete Anti-Korruptions-Stiftung hat eine Liste mit Tausenden von russischen Beamten, Oligarchen und Propagandisten zusammengestellt, die als Putins "Bestecher und Kriegstreiber" gelten und von denen viele bislang von den westlichen Sanktionen verschont geblieben sind.

Die Witwe und Aktivistin appellierte auch an die Europaabgeordneten, sich nicht der Kriegsmüdigkeit hinzugeben und nicht für Friedensverhandlungen mit dem russischen Präsidenten einzutreten.

"Es gibt viel Erschöpfung, viel Blut, viel Enttäuschung, und Putin ist geblieben, wo er ist", erklärte sie und fügte hinzu, dass die "öffentliche Ermordung" ihres Mannes gezeigt habe, dass Putin "zu allem fähig" sei und dass "man mit ihm nicht verhandeln kann".

Russlands Krieg hatte eine seismische Wirkung auf den gesamten Kontinent. Er hat eine Wiederbelebung des NATO-Militärbündnisses ausgelöst und die EU dazu gezwungen, ihre schlummernde Erweiterungspolitik neu zu beleben, um den Weg der Ukraine zur Mitgliedschaft vorzubereiten,

Doch die Skepsis in einigen politischen Lagern gegenüber der finanziellen und militärischen Unterstützung Kiews durch die EU sowie die schwächelnde ukrainische Gegenoffensive setzen Brüssel unter Druck, mehr zu tun, um Engagement für den Sieg der Ukraine zu zeigen.

Die mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus bedeutet, dass der Block sich darauf vorbereitet, seine Verteidigungskapazitäten zu verstärken, um die Ukraine auch ohne seinen transatlantischen Partner unterstützen zu können.

"Arbeitet mit uns!"

Alexej Nawalny war 47 Jahre alt, als er in der arktischen Strafkolonie starb, wo er eine 19-jährige Haftstrafe wegen Extremismus verbüßte. Sein Tod war ein Schlag für die pro-demokratischen Russen, von denen schätzungsweise 400 inhaftiert wurden, weil sie in russischen Städten Blumen niedergelegt und Kerzen zu seinem Gedenken angezündet hatten.

Anhänger Nawalnys haben behauptet, Putin habe seine Ermordung nur wenige Tage vor einem geplanten Gefangenenaustausch angeordnet, bei dem er und zwei US-Bürger gegen den in Deutschland zu lebenslanger Haft verurteilten russischen Attentäter Vadim Krasikow ausgetauscht worden wären.

Die EU, die Nawalnys unerschütterlichen Kampf für die russische Demokratie seit langem begrüßt, hat Putins Regime wiederholt für seine systematische Unterdrückung von Regierungskritikern in den Jahren vor dem Einmarsch in die Ukraine verurteilt.

Der Tod des Kritikers hat jedoch scheinbar die Vergeblichkeit dieser Bemühungen verdeutlicht, da Putin seine Autokratie nur weiter vertieft hat.

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Nawalnaja sagte dem Plenarsaal, dass es "Dutzende Millionen" Russen gebe, die sich dem Kreml widersetzten, aber aus Angst nicht in der Lage seien, ihren Widerstand zu äußern.

"Wir dürfen sie nicht verfolgen", sagte sie, "im Gegenteil, ihr müsst mit ihnen zusammenarbeiten, mit uns."

Nawalnaja hat geschworen, den Kampf ihres Mannes fortzusetzen und das neue Gesicht der unterdrückten russischen Opposition zu werden, indem sie die pro-demokratischen Russen aufruft, sich dem Regime entgegenzustellen.

"Putin muss sich für das verantworten, was er einem friedlichen Nachbarland angetan hat, und Putin muss sich für alles verantworten, was er Alexej angetan hat. Mein Mann wird nie sehen, wie das schöne Russland der Zukunft aussehen wird. Aber wir müssen es sehen, und ich werde es sehen", sagte sie vor dem Parlament, den Tränen nahe.

"Ich werde mein Bestes tun, um seinen (Alexejs) Traum wahr werden zu lassen. Das Böse wird fallen und die schöne Zukunft wird kommen", fügte sie hinzu.

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Die Präsidentin des Parlaments, Roberta Metsola, sagte, dass die "Hoffnung", die Alexej repräsentiere, "so hell wie immer" bleibe.

"Die Säulen der Autokratie werden immer unter dem Gewicht ihrer eigenen Korruption und dem Wunsch der Menschen, frei zu leben, zusammenbrechen", sagte Metsola.

Nawalnaja bestätigte, dass die Beerdigung ihres Mannes am Freitagnachmittag in Moskaus südöstlichem Stadtteil Marjino stattfinden soll. Sie ist sich nicht sicher, ob die Beerdigung friedlich verlaufen wird, oder ob die russische Polizei anwesend sein wird, um erneut gegen Trauernde vorzugehen, sagte sie.

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